Gutachten SachsenLB: Wes Brot ich ess, des Lied ich sing ...


Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young hat in einem aktuellen Gutachten auf der einen Seite dem ehemaligen Vorstandsgremium der SachsenLB eklatante Fehler vorgeworden und auf der anderen Seite den Verwaltungsrat zumindest indirekt von jeglichen Fehlern freigesprochen. Bis zum Juli 2007 habe sich der Vorstand nicht mit der US-Subprimekrise befasst und die möglichen Auswirkungen der Finanzmarktkrise auf die Sachsen LB zu spät erkannt, heißt es in einem Bericht. Die Risiken des Engagments der Zweckgesellschaft Ormond Quay, für die die SachsenLB und die Tochterbank SLBE in Dublin im vollem Umfang gerade stehen mussten, hätten zudem seit 2004 in den Jahresabschlüssen aufgeführt werden müssen. "In der Unterlassung dieser Angaben sehen die Gutachter ein Versäumnis des Gesamtvorstandes", erklärte das Finanzministerium.

Deshalb seien auch die Gremien wie der Verwaltungsrat über Jahre unzureichend informiert gewesen. Da zudem die Vorstandsbesetzung seit dem Start von Ormond Quay mehrfach wechselte, habe dies dazu geführt, "dass bis zur Finanzmarktkrise 2007 im Vorstand keine ausreichende Kenntnis der Risikolage mehr bestand", monierten die Fachleute von Ernst & Young den Angaben zufolge. Auch beim Krisenmanagement seien Fehler gemacht worden. Noch am 1. August habe das Finanzministerium die Landesbank um Unterrichtung über die möglichen Folgen der Subprime-Krise gebeten. "Die Antworten waren beruhigend", hieß es.

Schwere und Tragweite der Risiken nicht erkannt

Die sächsische Staatsregierung erklärte dazu: "Der den Aufsichtsgremien der SachsenLB vermittelte Informations- und Wissensstand reichte nicht annähernd aus, um die Schwere und Tragweite der Risiken aus den Dubliner Geschäften ihrer Tochterbank Sachsen LB Europe ermessen oder beurteilen zu können." Die dafür notwendigen Informationen hätten die Aufsichtsgremien und damit auch den Kreis der dorthin entsandten Vertreter der Politik, der Wirtschaft und der Bankaufsicht nicht erreicht. Die wesentlichen Gründe für die folgenschweren Fehleinschätzungen bei der SachsenLB und ihrer Tochtergesellschaften "lagen im Zusammenwirken von unprofessionellem Risikomanagement, mangelnder interner Transparenz, Informationsverlust bei Führungswechseln und dem nicht Erkennen von Gefahren. Die Verantwortung hierfür lag bei den Vorständen", erklärte die Landesregierung und kündigte die Prüfung rechtlicher Konsequenzen an.

Eine Koalition von Dilettanten

Eine weitere Perspektive wird jedoch völlig ausgeblendet: Selbst wenn der Vorstand von Dilettanten dominiert war, wie der Auftraggeber der Studie, die Landesregierung Sachsen, über das Gutachten glaubt festgestellt zu haben, so stellt sich auf den zweiten Blick die Frage, was ein kritischer Aufsichtsrat hätte wissen müssen. Eines ist sicher: In den vergangenen Jahren profitierte sowohl das Land Sachsen als auch die Kommunen von den hohen Erträgen. Hierbei wurden jedoch wesentliche Grundregeln des Risikomanagements ausgeblendet. Und zwar nicht nur vom Vorstand, sondern eben auch vom Aufsichtsrat. Beide haben die Balance zwischen Risiko und Ertrag – durch riskante Verbriefungsgeschäfte – falsch eingeschätzt. Hohe Erträge sind nur möglich bei hohen Risiken, dass lernen Bankkaufleute im ersten Ausbildungsjahr.

Zum zweiten wurde bei der SachsenLB die Risikotragfähigkeit der Banken massiv überstrapaziert. Hier muss die auch für ein Kontrollorgan verständliche Frage beantwortet werden, ob das bilanzielle Eigenkapital und Liquiditätsreserven für die Abdeckung von Verlustmöglichkeiten ausreichen. Erst die quantitative Ermittlung des Gesamtrisikoumfangs ermöglicht eine Aussage darüber, ob die Risikotragfähigkeit einer Bank ausreichend ist, um den Risikoumfang tatsächlich zu tragen und damit den Bestand zu gewährleisten.
Basierend auf dem aktuellen Gutachten erhöhte sich das Anlagevolumen der SachsenLB im riskanten Kreditderivategeschäft in den Jahren 2003 bis 2007 von etwa 4 Mrd. Euro auf etwa 26 Mrd. Euro. Zusätzlich hat die SachsenLB Ende Juni 2007 weitere komplexe Anlageprodukte über rund 13 Mrd. Euro in den Büchern und ging auch noch andere komplexe Kapitalmarktaktivitäten ein. Die Aktivitäten in strukturierten Produkten machten zwischen 2002 und 2006 insgesamt 82,3 Prozent des Betriebsergebnisses nach Risikovorsorge der Bank aus.

"Leg nicht alle Eier in einen Korb!" – so lautet eine goldene Regel der Geldanlage. Auch dies lernen Bankkaufleute im ersten Lehrjahr. Jeder Kleinanleger weiß, dass hohe Renditen immer mit hohen Risiken verbunden sind. Hier hätten die Kontrollorgane nachbohren müssen.

Kontrollorgane haben eine Holschuld und nicht nur Vorstände eine Bringschuld

Eine steuernde Überwachung durch den Aufsichtsrat ist nur möglich, wenn dieser auch aktiv Informationen einfordert. Die Versorgung des Aufsichtsrats mit allen kontrollrelevanten Informationen ist entscheidende Voraussetzung einer funktionsfähigen Überwachung. Die Sicherstellung dieser notwendigen Informationsgrundlage der Überwachungstätigkeit ist Aufgabe des Vorstands ("Bringschuld") und des Aufsichtsrats ("Holschuld").

Und kritische Fragen hätte es jede Menge geben müssen. Eine Analyse der Ertragsquellen und ein Vergleich der tatsächlich eingegangenen Risiken mit der Risikotragfähigkeit lässt einige Fragen offen. Ein Blick auf die Risikotragfähigkeitsanalyse im Geschäftsbericht 2006 zeigt, dass für Adressenausfallrisiken 408 Mio. Euro, für Marktpreisrisiken 53 Mio. Euro und für operationelle Risiken 14 Mio. vorhanden waren.

Nicht erkannt haben alle Beteiligten die typischen Krisenverläufe, die in den vergangenen Jahrzehnten immer gleich waren: Am Anfang steht eine innovative Idee und alle wollen auf den Zug aufspringen. Die klugen sind bereits wieder ausgestiegen, während die Weniger-gut-Informierten noch auf den fahrenden Zug aufspringen. Risiken werden falsch bewertet und irgendwann platzt die Blase.


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