Eine aktuelle Studie zeigt, dass viele Banken die Bedeutung des Reputationsrisikos zwar erkannt haben, allerdings bestehen weiterhin zahlreiche Herausforderungen. Diese fangen bei der bislang fehlenden einheitlichen aufsichtsrechtlichen Definition an und enden mit einem Mangel an etablierten Methoden und Verfahren. In der Studie werden unter anderem die folgenden Themengebiete näher beleuchtet: Definition und Bedeutung des Reputationsrisikos, eingesetzte Methoden und Verfahren sowie Steuerung und Überwachung.
Das Vertrauen von Kunden, Anlegern und anderen Stakeholdern sowie das Ansehen eines Instituts sind essentiell für den langfristigen Erfolg und den Fortbestand eines Instituts. Diese Erkenntnis ist durchaus nicht neu, tritt aber immer dann in den Vordergrund, wenn die Reputation durch interne oder industrieweite Ereignisse leidet und zu teilweise erheblichen Verlusten führen kann.
Dabei können Reputationsrisiken zum einen selbst ursächlich sein für direkte oder indirekte Verluste, beispielsweise ein negativer Pressebericht über eine misslungene Kundenberatung führt zum Rückgang von Neugeschäften und damit zu geringeren Erträgen. Zum anderen kann aber das Reputationsrisiko sowohl Ursache für Verluste in anderen Risikoarten sein als auch umgekehrt ein Verlust in einer anderen Risikoart erst in Folge zu einem Reputationsverlust führen. Damit ist das Reputationsrisiko immer im Kontext anderer wesentlicher Risikoarten zu betrachten.
Ein Beispiel für die erst genannte Konstellation sind Marktgerüchte, die sich im Nachhinein als falsch herausstellen, aber zunächst zu einer erschwerten Liquiditätsaufnahme des Instituts und damit einem erhöhten Liquiditätsrisiko führen. Beispiele für Reputationsrisiken als sogenanntes Folgerisiko sind insbesondere im Bereich operationeller Risiken häufig anzutreffen. So führt beispielsweise ein erfolgreicher Hackerangriff auf das IT-System der Bank direkt zu einem Verlust aus operationellen Risiken und in Folge zu einem Ansehensverlust des Instituts und dem Abzug von Kundengeldern.
Obgleich aktuell keine regulatorischen Vorgaben eine verbindliche Verpflichtung zum Aufbau eines Management- und Controllingsystems für Reputationsrisiken enthalten [entsprechende Vorgaben finden sich im aktuellen SREP-Leitlinienentwurf der EBA, vgl. EBA/CP/2014/14], beschäftigen sich zwei Drittel der befragten Institute aktiv mit dem Thema. Dies erfolgt dann aber meist im Zusammenhang mit anderen Risikoarten, der Risikobewertung im Rahmen der Risikotragfähigkeitsrechnung beziehungsweise überhaupt nicht aufsichtsrechtlich initiiert. Hier machen je nach Geschäftsmodell eines Instituts betriebswirtschaftliche Gründe, beispielsweise ein starkes Branding, ein hoher Markenwert, die Identifizierung, Bewertung und Steuerung von Reputationsrisiken erforderlich.
Die Studie hat das Ziel verfolgt, einen Überblick über den Umsetzungsstand sowie geplante Aktivitäten im Hinblick auf das Reputationsrisikomanagement am deutschen Bankenmarkt zu geben. Im Rahmen der Befragung wurden 113 Kreditinstitute aus den drei Säulen des deutschen Bankensystems angeschrieben, wovon 40 Institute an der Befragung teilnahmen. Hervorzuheben ist die hohe Anzahl von Instituten unter den Top 20: elf der 20 (nach Bilanzsumme) größten Kreditinstitute konnten als Teilnehmer gewonnen werden.
Definition und Bedeutung des Reputationsrisikos
Trotz fehlender aufsichtsrechtlicher Vorgaben hinsichtlich der Definition von Reputationsrisiken haben 60 Prozent der befragten Institute und 90 Prozent der Top 20 Banken Reputationsrisiken als eigenständige Risikoart definiert. Bei rund einem Drittel ist das Reputationsrisiko als Folgerisiko definiert, das sich aus Verlusten in anderen Risikoarten ergeben kann. Diejenigen Institute, die Reputationsrisiken als eigene Risikoart definieren, orientieren sich häufig an der Vorgabe des Basel Committee on Banking Supervision.
Abb. 01: Reputationsrisiko – Definition als eigene Risikoart
Die Krisen in den vergangenen Jahren haben zu einem signifikanten Anstieg von Reputationsschwankungen gesorgt und Fragestellungen nach einem Management von Reputationsrisiken in den Vordergrund gerückt.
In einer Branche, in der das Vertrauen der Kunden in die Produkte eines Hauses wie auch das Vertrauen der Marktteilnehmer untereinander essentiell für die Sicherung einer nachhaltigen Rentabilität ist, bestehen gleichwohl bislang keine verbindlichen regulatorischen Vorgaben. Lediglich in den Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) findet sich im Zusammenhang mit den Anforderungen an Liquiditätsrisiken ein entsprechender Hinweis.
Davon unabhängig haben jedoch 50 Prozent der befragten Institute das Reputationsrisiko derzeit in ihrer MaRisk Risikoinventur als wesentliche Risikoart identifiziert. In der Folge ergeben sich dadurch erhöhte regulatorische Anforderungen, beispielsweise eine unabhängige Überwachung, Einrichtung eines Steuerungssystems. Die Studie zeigt auf, dass es hierbei keinen Zusammenhang zwischen der Größe der Institute und der Einstufung von Reputationsrisiken als wesentlich gibt.
Eingesetzte Methoden und Verfahren
Die Studie bestätigt die Wahrnehmung der Marktteilnehmer: es besteht bislang kein etablierter Satz an Methoden, Verfahren und Instrumenten zum Management und Controlling von Reputationsrisiken. Die Hälfte der befragten Institute greift daher auf Self Assessment-Methoden zurück, wie sie beispielsweise auch zur Identifizierung und Bewertung von operationellen Risiken zum Einsatz kommen. In einer qualitativen Einschätzung operationeller Risiken werden herbei häufig auch Reputationsaspekte schlagend gewordener Risiken mit abgefragt. Durch diese enge Verbindung nutzen die Institute Synergieeffekte.
Abb. 02 zeigt welche verschiedenen Methoden und Verfahren in den Instituten zum Einsatz kommen. Neben den hier aufgelisteten Methoden haben die Institute weitere explizit genannt, beispielsweise die Analyse von Risikoindikatoren (Kündigungsverhalten, Beschwerdemanagement etc.) und Social Media Monitoring. Die Fülle der eingesetzten Methoden zeigt auf, dass, auch aufgrund fehlender regulatorischer Vorgaben, sich in der Industrie noch kein Standard etabliert hat.
Abb. 02: Qualitative Methoden zur Identifizierung und Bewertung
Die Quantifizierung der Reputationsrisiken findet in der Finanzbranche bisher kaum Anwendung: Nur 15 Prozent der befragten Institute setzen quantitative Methoden ein und bei weiteren 5 Prozent ist die Einführung eines Verlustverteilungsansatzes geplant. Als Haupthindernisse werden hier die schwierige Datenlage sowie die meist nur subjektiv mögliche Zuordnung von Reputationsschäden zu monetären Größen genannt.
Hervorzuheben ist, dass unter den elf Top-20-Instituten nur eines angab, weder qualitative noch quantitative Methoden einzusetzen. Erster Ansatzpunkt ist hier in der Mehrzahl der Institute die Berücksichtigung schlagend gewordener Reputationsrisiken in der Verlustdatenbank für operationelle Risiken.
Risikoüberwachung und -steuerung
Kaum eines der befragten Institute hat bislang einen eigenständigen Risikomanagement- und -controllingprozess für Reputationsrisiken etabliert. Vielmehr erfolgt die Wahrnehmung von Überwachungs- und Steuerungsaufgaben innerhalb der bestehenden Organisationsstruktur.
Zentrale Rollen spielen daher das OpRisk-Controlling für die Identifizierung und Bewertung der Reputationsrisiken und die Kommunikationsabteilung, wenn es reaktiv um Maßnahmen für den Fall eines schlagend gewordenen Risikos geht.
Um überhaupt zielgerichtete Steuerungs- und Überwachungsmaßnahmen ergreifen zu können, ist die Festlegung der relevanten Interessensgruppe bzw. Stakeholdern unabdingbar. Die Festlegung erfolgt grundsätzlich institutsindividuell, beispielsweise unter Berücksichtigung des Geschäftsmodells, der Eigentümerstruktur und der Marktpositionierung. Branchenweit sind jedoch auch hier Schwerpunkte zu erkennen, die in Abb. 03 aufgezeigt werden.
Abb. 03: Relevante Interessensgruppen
Kunden werden als zentrale Interessensgruppe angesehen. Auch der Aufsicht wird eine vergleichsweise hohe Bedeutung zugewiesen. Das Schlusslicht bilden bei den befragten Banken Gläubiger, Ratingagenturen und Fremdkapitalgeber.
Ausblick
Für die "Kreditwirtschaft" ist Vertrauen eine wesentliche Geschäftsgrundlage und ein zentraler Erfolgsfaktor. Schwankungen in das Vertrauen eines Hauses wirkten und wirken sich, positiv wie negativ, direkt auf den Erfolg und die Ertragskraft eines Instituts aus. Die Beschäftigung mit Reputation als Risikoart ist vergleichsweise jung; nutzt man große Institute als Indikator für sich branchenweit abzeichnende Entwicklungen, dann kann man in Zukunft sowohl auf regulatorischer wie auf Industrieseite mit einer verstärkten Auseinandersetzung und Konkretisierung in diesem Themenumfeld rechnen.
Eine Kurzzusammenfassung der Studienergebnisse finden Sie auf der Webseite der Dr. Peter & Company AG unter www.pco-ag.de.
Autoren:
Marion Hoffstetter ist Manager, Markus Quick ist Managing Partner bei der Dr. Peter & Company AG, Frankfurt am Main
Kommentare zu diesem Beitrag
Was die Quantifizierung betrifft, gibt es da sicher einige Möglichkeiten. Ich persönlich würde jedoch zuerst vor- und nachgelagerte Risiken bestimmen und dann über eine Quantifizierung nachdenken.