Die Aufarbeitung des Heros-Skandals vor dem Landgericht Hildesheim könnte auch für den weltweit größten Versicherungsmakler Marsh dramatische Folgen haben. Im Untreue-Prozess gegen Heros-Gründer Karl-Heinz Weis und drei seiner Top-Manager sagte der frühere Firmengründer aus, dass Marsh weit vor Bekanntwerden der Betrügereien Mitte Februar 2006 von Unregelmäßigkeiten bei Heros gewusst habe.
Bei dem Geldtransportunternehmen waren in großem Umfang Kundengelder veruntreut worden. Als Folge hatte das Unternehmen, das täglich mehr als 600 Millionen Euro bewegte, Gelder regelmäßig erst mit Verspätung an seine Kunden weitergeleitet. In der Branche gelten solche Verspätungen grundsätzlich als Hinweise auf mögliche Betrügereien. Weis berichtete über ein Gespräch im Sommer 2005, bei dem es in Anwesenheit eines zuständigen Marsh-Mitarbeiters um Zahlungsrückstände gegenüber dem Handelskonzern Rewe in Höhe von 60 bis 70 Millionen Euro gegangen sei. Marsh wollte sich unter Verweis auf laufende Verfahren nicht zu dem von Weis beschriebenen Gespräch äußern.
Schadenersatzklage gegen Marsh nicht unwahrscheinlich
Die zuständigen Versicherer haben diese Informationen nach eigenen Angaben nie erhalten. Damit hätte Marsh nach Meinung von Fachleuten seine Vermögensbetreuungspflicht verletzt und könnte auf Schadensersatz „in voller Höhe“ verklagt werden. Der Gesamtschaden im Heros-Komplex beträgt rund 400 Millionen Euro. Nach Aussage von Weis fand das fragliche Gespräch in der Heros-Firmenzentrale in Hannover statt. Neben ihm selbst und seinem Prokuristen Reimer Weingertner seien noch ein Rewe-Mitarbeiter sowie ein Marsh-Vertreter anwesend gewesen. Rewe hätte wegen der hohen Heros-Rückstände das Gespräch mit den Versicherern gesucht, die sich laut Weis von Marsh vertreten ließen. Der Handelskonzern habe eine verlängerte Schadensmeldefrist verlangt. Laut Vertrag musste Rewe Schäden innerhalb von 120 Stunden melden. Ergebnis des Gesprächs sei gewesen, dass die Meldefrist verlängert worden sei, und zwar auf nahezu 200 Stunden. Diese Verlängerung im Sommer 2005 bestätigte auf Anfrage der Nachrichtenagentur ddp der zuständige Erstversicherer (für Schäden von bis zu 10 Millionen Euro je Schadensfall), die Mannheimer Versicherung. Allerdings betonte ein Unternehmenssprecher, dass die Mannheimer über den Inhalt des Gesprächs nicht informiert wurde. Wörtlich heißt es in einem Schreiben an ddp: „Hätten wir damals die Information erhalten, dass Heros bei Rewe angeblich mit 70 Millionen Euro im Rückstand gewesen sein soll, hätten wir dem Wunsch von Marsh mit Sicherheit nicht zugestimmt.“
Vermögensbetreuungspflicht verletzt
Auch der zu Lloyds of London gehörenden Versicherer Amlin hat als Zeichner eines so genannten Exzedentenvertrags (Schäden die höher als zehn Millionen Euro liegen deckt er bis zu 90 Millionen Euro je Schadensfall ab) offensichtlich nichts von diesen Vorgängen gewusst. In einem Schreiben an die Nachrichtenagentur ddp teilte das Unternehmen bereits vor einigen Monaten schriftlich mit: Bis zur Verhaftung des Heros-Geschäftsführers im Februar 2006 „hatte Amlin keinerlei Kenntnisse über Probleme im Geschäftsverhalten von Heros“.
Die Hinweise auf von Marsh nicht weitergeleitete Informationen zu Unregelmäßigkeiten bei Heros sind für Experten alarmierend. Ein Insider der Geldtransportbranche betonte: „Dass ein Makler der zuständigen Versicherung einen Einzahlungsrückstand von 60 bis 70 Millionen Euro nicht mitteilt, ist im Grunde unvorstellbar.“
Der Berliner Wirtschafts- und Versicherungsrechtler Hans-Peter Schwintowski (Bild) von der Humboldt-Universität sagte, Marsh habe als Handelsmakler eine Vermögensbetreuungspflicht. Dazu zähle es auch, den Versicherern alle bekannten Unregelmäßigkeiten zu melden. Verletze der Makler diese Pflicht, so Schwintowski, „könnten die Versicherer ihn nach meiner Einschätzung haftbar machen“. Der Heros-Prozess wird am Dienstag fortgesetzt. In dem zunächst bis März terminierten Verfahren werden vermutlich auch Vertreter der Mannheimer Versicherung und von Marsh als Zeugen gehört.
[Quelle: ddp/Dow Jones]
Heros-Prozess: Schwere Vorwürfe gegen Versicherungsmakler Marsh
Redaktion RiskNET
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