Die damalige US-Notenbankchefin Janet Yellen legte sich 2017 fest: Zu "unseren Lebzeiten" würde es keine Finanzkrise mehr geben. Sie würde nicht so weit gehen, vorherzusagen, dass es nie wieder eine Finanzkrise geben würde, so die heutige Finanzministerin, doch hätten die nach 2008 implementierten Reformen und Regulierungen für viel mehr Sicherheit gesorgt.
Ganze sechs Jahre später – und damit zu Frau Yellens Lebzeiten – sahen sich die US-Behörden über das Wochenende des 11./12. März 2023 gezwungen, unter Hochdruck eine Rettungsaktion für die in Schieflage geratene Silicon Valley Bank (SVB) zu erarbeiten, um einen Kontrollverlust im Bankensystem und damit eine mögliche Vertrauens- und Finanzkrise abzuwenden, die sich ohne entsprechende Maßnahmen mit nahezu garantierter Sicherheit Bahn gebrochen hätte.
Die SVB war in Folge eines massiven Einlagenabzugs in der Vorwoche bereits faktisch insolvent geworden. Im Rahmen der folglich anstehenden Abwicklung hätten nach geltendem Regelwerk die verbliebenen Einlagen oberhalb der durch die staatliche Einlagensicherung FDIC garantierten 250.000 US-Dollar für ein Bail-in mit herangezogen werden müssen. Genau davor scheuten die US-Behörden aber zurück. Weil sie einen panikartigen Bank Run auf andere Geldinstitute fürchteten, sprachen sie eine allumfassende Garantie für alle Einlagen, unabhängig von deren Höhe aus. Mehr als 90% (!) der 175 Mrd. US-Dollar SVB-Einlagen waren zum Zeitpunkt ihres Scheiterns oberhalb des FDIC-Limits und damit ungesichert. Allein der Technologiekonzern Roku hielt ein Viertel seiner Cash-Bestände (487 Mio. US-Dollar) auf Konten der SVB. Speziell kleinere Banken hätten sich in Folge eines an sich regelkonformen Bail-ins der SVB-Einlagen mit einem existenzbedrohenden Einlagenabzug konfrontiert gesehen, der sich zu einer schweren systemischen Finanzkrise hätte ausweiten können. Solche Ansteckungseffekte sollten unbedingt vermieden werden.
Doch wie konnte es überhaupt zur immerhin zweitgrößte Bankenpleite der US-Geschichte (nach dem Kollaps der Washington Mutual im Jahr 2008) kommen?
Wie der Name vermuten lässt, lag der Schwerpunkt der Geschäftsaktivitäten der Silicon Valley Bank auf jungen Technologieunternehmen, Start-ups, Krypto, Venture Capital und deren Gründern und Inhabern. In den Jahren des kostenfreien Geldes funktionierte dieses Geschäftsmodell ganz hervorragend. Die Bank fuhr satte Gewinne ein, der Aktienkurs stieg von 2016 bis Ende 2021 um 482% an.
Abb. 01: Absturz der Silicon Valley Bank
Speziell das Klientel der SVB zählte zu den Hauptprofiteuren der unbeschreiblichen Geldflut, die sich nach März 2020 über dem Silicon Valley und der Technologiebranche ergoss. Die immensen Geldmengen, welche Notenbankliquidität und Direktzahlungen der Behörden schufen, überfluteten die Bank mit Einlagen. Die SVB legte – um überhaupt einen Gewinn erzielen zu können – diese Mittel überwiegend in langlaufenden US-Staatsanleihen an, zu einer Zeit da deren Zinsen niedrig und Preise entsprechend hoch waren. Als die Geldflut 2022 abebbte und die Zinsen stiegen, begann Warren Buffets fast schon physikalischer Zusammenhang zu greifen:
“Only when the tide goes out do you discover who's been swimming naked.“
Warren Buffet
Dass dieses zeitlose Zitat zum Dauergast in unserem Quartalsbericht avanciert und regelmäßige Leser es gewiss bereits auswendig kennen, zeigt das ganze Ausmaß der gewaltigen Nachwirkungen der völlig unverantwortlichen, (mit nur kurzer Unterbrechung) von 2008 bis 2021 betriebenen künstlichen Flutung der Geld- und Kapitalmärkte. Als 2022 die Ebbe einsetzte, der Risikoappetit wich, die Schecks nicht mehr großzügig in der Post landeten, die Venture Capital Finanzierungsrunden weniger üppig ausfielen und die Bereitschaft, jeden noch so abenteuerlichen Hoffnungswert, jede noch so phantasievolle Business Plan Projektion zu finanzieren, begannen erste Silicon Valley Gründer, auf ihre Ersparnisse zurückzugreifen. Sie zogen Einlagen bei der SVB ab. Dieser Prozess beschleunigte sich so weit, dass die Bank auf ihren infolge der Zinserhöhungen zwischenzeitlich deutlich abgewerteten Bestand an US-Staatsanleihen zugreifen musste.
Als auch von außen erkennbar war, dass die Anlagen der Bank deutlich stärker abgewertet hatten als die Verbindlichkeiten und die Verluste das Eigenkapital übersteigen würden, war das Urteil im Prinzip gefällt. Es folgte der erste „digitale Bank Run“ der Geschichte. Die Kunden zogen an nur einem Tag 42 Mrd. US-Dollar von der SVB ab – ohne dass sich Schlangen vor den Bankschaltern bildeten. Die Überweisungen erfolgten mit einem Klick per App.
Der Konfettimodus der beiden Casinojahre 2020 und 2021 legte den Grundstein für das Scheitern der Bank. Das zugrundeliegende Problem hoher Bewertungsverluste in den Wertpapierbeständen als Folge viel zu lange viel zu niedriger Zinsen und dann folgender Zinssteigerungen ist aber kein SVB-spezifischer Aspekt. Die Bilanzen vieler US-Banken sind "unter Wasser", in ihnen haben sich hohe unrealisierte Verluste aufgehäuft, die zu realisierten Verlusten würden, wenn diese Institute gezwungen wären, Wertpapiere zu verkaufen, um den Abfluss von Kundeneinlagen bedienen zu können.
In diesem Effekt zeigt sich eine der Verwundbarkeiten und grundsätzlichen Schwächen in der Grundarchitektur des Teilreservebanksystems. Die speziellen Gefahren im aktuellen Überhang hoher Bewertungsverluste in den Bilanzen der Banken sind wohl auch den Aufsichtsbehörden in den USA rasch bewusst geworden, gerade vor dem Eindruck der hohen Mittelabflüsse von kleineren Banken hin zu großen, als "too big to fail" wahrgenommenen Instituten in den Tagen vor und nach der SVB-Pleite.
So legte die Fed kurzerhand ein Rettungsprogramm namens BTFP (Bank Term Funding Program) auf und stellte umfassend Liquiditätshilfen bereit. Das BTFP erlaubt es Banken, ihre durch Zinssteigerungen stak abgewerteten Zinspapiere (oftmals bei Kursen von 70 oder 80) zum vollen Nennwert von 100 an die Notenbank zu verpfänden und so Liquidität zu erhalten. Unmittelbare Liquiditätsgefahren sind somit zunächst abgewendet. Kurzfristig war diese Systemstabilisierung wohl auch nötig, um ein Übergreifen des Vertrauensverlusts auf andere Banken zu verhindern. Sie hat aber Konsequenzen. Das Vertrauen in regelbasiertes, rechtsstaatliches Vorgehen ist einmal mehr beschädigt. Die wenig souveränen und vertrauensstiftenden Erklärungen von Finanzministerin Yellen im Rahmen einer Senatsanhörung gegenüber Senator James Lankford offenbaren, dass die Entscheidung, wann gerettet wird und wann Regeln nach Bedarf geändert werden, sehr willkürlich anmuten. Diese Entscheidungen liegen im Ermessen eines kleinen Personenkreises und haben kaum Elemente eines nachvollziehbaren, regelbasierten Vorgehens. Ein zu befürchtender, ökonomisch hochrelevanter Kollateralschaden ist absehbar eine weitere Konzentration von Marktanteilen bei sehr großen Instituten, die in jedem Fall gerettet würden, auf Kosten kleiner Regionalbanken, deren Rettung stärker in Frage steht. Daraus ergeben sich wettbewerbsverzerrende Effekte zugunsten der Megabanken, die von kostenfreien Garantien profitieren und in der Konsequenz weniger Wettbewerb und Markt, dafür aber höheres Potenzial für Systeminstabilität.
Auch im Fall der Rettung der Schweizer Großbank Credit Suisse droht eine weitere Beschädigung des Vertrauens in rechtsstaatliche Prinzipien. Auch für die eilig anberaumte Zwangsübernahme durch die UBS zeigte sich, dass vereinbarte Regeln im Bedarfsfall situativ ausgelegt werden und das Prinzip "Not kennt kein Gebot" Vorrang hat. Der erzwungene Zusammenschluss mit dem größeren Wettbewerber erfolgte ohne jede Mitsprachemöglichkeit der Eigentümer beider Häuser und unter grober Missachtung der Unabhängigkeit der Zentralbank. Der SNB wurden im Rahmen der Rettung faktisch unlimitierte Garantien für das neue Institut aufgenötigt. Das Bail-in der sogenannten AT1 bzw. CoCo-Anleihen der Credit Suisse ist zwar nach Schweizer Recht regelkonform, dennoch mutet das Vorgehen mit Blick auf eine ordnungsgemäße Gläubigerrangfolge fragwürdig an, weil die Nachranggläubiger schlechter gestellt wurden als die Aktionäre.
Das Scheitern der Credit Suisse hat andere Hintergründe als der primär durch wenig professionelle Treasury-Steuerung ausgelöste Kollaps der SVB. Im Fall der Schweizer addierten sich jahrelange, fortgesetzte Managementfehler und unternehmerische Fehlentscheidungen, unklare, erratische Richtungswechsel in der Positionierung und ein schleichender interner Kulturverfall schließlich zu einer Fragilität auf, die in einem Grundmisstrauen von Markt und Gegenparteien gegenüber dem Institut resultierte. Ein solcher Argwohn bedarf generell nur noch eines ungünstigen Auslösers, eines Gerüchts, einer Stimmungslage, damit der Vertrauensentzug der Märkte die Liquiditätsposition einer Bank ins Wanken bringt. Dieser Punkt war - möglicherweise als Ansteckung der Verwerfungen im US-Bankenmarkt - im März 2023 erreicht. Das Scheitern der Bank ist damit insofern paradox, als dass vollständig zusammenhangslose Ereignisse auf unterschiedlichen Kontinenten in der Konsequenz doch über den allesentscheidenden Vertrauenskanal zusammengefunden haben.
Investmentimplikation:
Die Beinahe-Finanzkrise führt einmal mehr vor Augen, dass ein Engagement in Bankrisiken für Investoren – Eigentümer und Gläubiger – stark asymmetrisch ist. Maximal marktkonforme Risikokompensation steht – auch „rettungsadjustiert“ – einem erheblich höheren Downside-Risiko gegenüber. Wir fühlen uns in unserer generellen Zurückhaltung gegenüber Banken und entsprechend aktiven Untergewichtungen bestätigt. Aufgrund der Komplexität und Intransparenz ist der Gesundheitszustand von Finanzinstituten von außen kaum seriös taxierbar. Selbst eingehende Analysen stoßen an Grenzen. Substanzielle Probleme werden für Außenstehende meist erst dann sichtbar, wenn es bereits zu spät ist.
Der an sich unnötige Einsatz der Credit Suisse AT1-Anleihen als Löschwasser zur Brandbekämpfung einer möglichen Finanzkrise dürfte sich rächen. Europäische Regulatoren und Politiker beeilten sich zu bekräftigen, dass nach EU-Regelwerk ein vergleichbares Vorgehen nicht angewendet worden wäre, doch dürfte der Markt für CoCo-Bonds schwer und nachhaltig beschädigt sein. Die Refinanzierung für Banken dürfte damit grundsätzlich teurer werden. Ein in den nach 2008 geschaffenen Regelwerken zentrales Instrument muss seine Rolle neu finden und die mögliche Neubepreisung des Risikos könnte auch auf seniorere Instrumente in der Kapitalstruktur ausstrahlen. Mit der SVB und Credit Suisse scheiterten zwei Institute, die sich besonders prominent als Botschafter für vom Zeitgeist vermeintlich positiv wahrgenommene, dafür aber gänzlich bank- und finanzmarktferne Aktivitäten verschrieben hatten. Während diese Nebentätigkeiten nicht ursächlich für den Untergang der beiden Häuser waren, ist aus Sicht von Aktionären doch grundsätzlich zu hinterfragen, wann eine Überfrachtung mit zweckfremden Ablenkungen dem Fokus auf das operative Geschäft und auf Exzellenz in der Exekution der Unternehmensstrategie abträglich werden können. Parallelen zur Performance der deutschen Fußballnationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft in Katar liegen in diesem Kontext nahe.
Die Rettungsmaßnahmen und Notverordnungen in den USA und der Schweiz konnten eine sehr schnelle Beruhigung an den Märkten bewirken. Eine mögliche Abwärtsspirale aus Vertrauensverlust, Ansteckung und eingefrorenen Märkten konnte abgewendet werden. Dennoch muss damit gerechnet werden, dass weitere Kollateralschäden aus der monetären Straffung sichtbar werden. So äußerten in den letzten Tagen u.a. Paul Singer, Warren Buffet und Jeremy Grantham die Sorge, dass fortgesetzter Stress im Bank- und Finanzsystem folgen wird. Eine defensive Grundausrichtung in der taktischen Positionierung bleibt damit unverändert gut begründet.
Die Entwicklungen der letzten Monate erfüllen die klassischen Merkmale eines Boom-Bust-Zyklus: Das Bankenscheitern und die schweren Kapitalmarktverluste in nahezu allen Anlageklassen im Jahr 2022 sind Symptome des Busts, wie auch die außer Kontrolle geratenen Inflationsraten erwartbare Folgen der während des künstlichen Booms angelegten Ungleichgewichte sind. Die viel zu lockeren Finanzierungsbedingungen der Jahre 2008 bis 2021 und der zu stark angeheizte Geldumlauf schufen Über- und Fehlinvestitionen, verhinderten das Ausscheiden von unter Normalbedingungen nicht überlebensfähigen Zombieunternehmen (sowie Zombie-Start-ups) aus dem Wirtschaftskreislauf und begünstigten jene Vermögenspreisinflation, deren Zweit- und Drittrundeneffekte heute und in die Zukunft hinein die Inflationsraten weiter hochhalten könnten.
Das ökonomische Gleichgewicht lässt sich nie dauerhaft außer Kraft setzen. Während des Rauschs des billigen Geldes genossener, aus der Zukunft geborgter und mit der Notenpresse finanzierter Überkonsum, Überoptimismus und Überertrag, die in den Casinojahren 2020 und 2021 noch einmal beschleunigt wurden, unterliegen nun – mit Rückabwicklung der Extrempolitik – einer logischen Abschreibung um den nicht aus tatsächlicher Wertschöpfung erklärten, auf Pump verzehrten Illusionsanteil. Die Bust-Phase des Kreditzyklus geht nie ohne Schmerzen einher und ist in ihrem Ausmaß erwartbare Konsequenz und Funktion der Summe zuvor aufaddierter Ungleichgewichte.
Die der Zinsstraffung der Notenbanken folgende Kontraktion im Kreditzyklus zeigt bereits die typischen Symptome wie steigende Zahlungsrückstände, anziehende Ausfallraten oder schrumpfende Kreditvergabe der Banken. Die aufeinander wirkenden Feedbackschleifen werden die konjunkturelle Bremswirkung über die kommenden Monate verstärken, die enge wechselseitige Wirkung zwischen Kreditzyklus und Konjunkturzyklus über die letzten Jahrzehnte hinweg ist traditionell gut belegt.
Rezession und steigende Kreditausfälle könnten so anhaltenden Druck auf das Banksystem ausüben und weitere Krisenausbrüche zur Folge haben. Folgekosten für Bankenrettung und Systemstabilisierung wären zu erwarten. Gleiches gilt für die (westlichen) staatlichen Bilanzen. Die mit Zeitverzug konjunkturbremsende Wirkung der Zinserhöhungen reduziert Steuereinnahmen und erhöht Sozialausgaben. Die ohnehin schon strapazierten öffentlichen Haushalte werden absehbar in höhere Defizite eintreten. Spielräume dafür sind aber heute schon in den meisten (westlichen) Staaten nicht vorhanden. So scheint absehbar, dass der Ruf nach einer neuerlichen Notenbankfinanzierung der Defizite wieder erklingen wird.
Investmentimplikation:
Wenngleich wir der Ansicht sind, dass bei EUR-Anleihen aus Gesamtertragssicht aktuell die besten Investitionsbedingungen der letzten fünf bis sieben Jahre vorherrschen, bleiben Renten eine risikoreiche Anlageklasse, für die eine anhaltende Untergewichtung weiter angemessen erscheint: Für Anleihen spricht taktisch die zu erwartende Konjunktureintrübung. Die Rezession trifft aber auf fragile Staatsbilanzen. Es kann dauerhaft nicht gut gehen, wenn mit jeder Krise die Schuldenstände weiter in die Höhe schnellen und Notenbanken zur Finanzierung in die Bresche springen müssen. Trotz günstiger Bedingungen mit Jahren der Niedrig- und Negativzinsen und Schuldenentlastung durch Hochinflation ist es in den USA und Europa nicht gelungen, die öffentlichen Haushalte zu sanieren. Die Schuldenstände wurden nicht auf ein langfristig tragfähiges Niveau reduziert. Die generationenungerechte Schuldenpolitik erhöht die Steuerlast der Zukunft, engt Spielräume für Investitionen ein und ist damit eine schwere Hypothek, die strukturell auf den Wachstumsmöglichkeiten der Zukunft lastet.
Auch wenn sich amerikanische und europäische Politik und Notenbanken in Anbetracht der sehr hohen Teuerungsraten in ihrer Rhetorik nun weniger inflationstolerant zeigen als über die letzten Jahre, muss weiterhin eine grundsätzlich hohe Bereitschaft zu direktional inflationär wirkender Fiskal- und Geldpolitik vermutet werden. Gründe dafür sind die Anreize aus hohen Schuldenständen, die Demographie und speziell in Europa eine unverändert geringe Reformbereitschaft (wie aktuell exemplarisch in Frankreich im Kontext der Rentenreform erkennbar ist) und mangelnde Innovationsfähigkeit. Die strukturelle Implikation, die damit gegen (westliche) Anleihen und die Kaufkraft westlicher Währungen spricht, ist offenkundig. Portfoliobeimischungen in Fremdwährungen ausgewählter Schwellenländer und Gold sind daher heute sehr viel stärker als in der Vergangenheit notwendige und sinnvolle Substitute für Festzinsanlagen in Euro oder Dollar.
Ein grundsätzliches Dilemma, welches die Bankenkrise im März 2023 vor Augen geführt hat, ist das systemimmanente Gefährdungspotential scheiternder Banken im Papiergeld- und Teilreservesystem. Die systemischen Konstruktionsfehler und das auch nach 2008 niemals adressierte "Too big to fail"-Problem führen absehbar zu regelmäßig wiederkehrenden Rettungsnotwendigkeiten, speziell in der Bust-Phase der ebenfalls systemimmanenten Boom-und-Bust-Zyklen. Eine erschöpfende Diskussion würde hier den Rahmen sprengen. Es scheint aber genügend Evidenz vorhanden, um zur Schlussfolgerung zu kommen, dass es gewiss nicht der bestmögliche Weg ist, ein Geldsystem so zu organisieren, dass sich regelmäßig auftretende crashartige Verwerfungen wie 1998, 2001/02, 2008, 2011 oder 2023 zu extremer Makrovolatilität, zu ausufernder Verschuldung sowie einem überhebelten und überstrapazierten Bankensektor gesellen.
Immer wieder nötige Bankenrettungen präsentieren gigantische Rechnungen für die Allgemeinheit, sie reduzieren Wohlstand und lenken Mittel in unproduktive Verwendung, die nicht für sinnvollere Zwecke verfügbar sind. Trotz der Illusion, man habe in Folge der globalen Finanzkrise 2008 Banken mittels Regulierung robuster und sicherer gemacht, bleibt die Erkenntnis, dass sowohl Regulierung als auch jede neue Rettungsrunde in die Logik immer größerer Einheiten zwingen. Die neue "Monsterbank" UBS-CS ist dafür ein weiteres Beispiel. Die quasi unlimitierten Zusagen und Risikoübernahmen der Schweizer Notenbank für die neue UBS-CS potenzieren die absurden Anreize und geben dem Institut gegenüber der Zentralbank unlimitiertes Erpressungspotential an die Hand.
Der sehr viel wirksamere Weg zu mehr Systemstabilität läge in der Möglichkeit des schnelleren, früheren Scheiterns kleinerer Einheiten ohne systemgefährdende Folgewirkungen. Die Lehre, die aus 2008 hätte gezogen werden sollen, wäre, dass es kein "Too big to fail" mehr geben darf. Tatsächlich hat sich die Entwicklung mit der Tendenz zu immer größeren Einheiten aber ins faktische Gegenteil verkehrt. Die neuen globalen Megabanken können nicht mehr scheitern und sind jederzeit in der Lage, Quelle systemgefährdender Instabilität zu werden.
Wird die Inflationseindämmung abgebrochen? Notenbanken steuern nur so lange die Preisstabilität, wie es die Systemstabilität erlaubt.
Die Märkte haben eine weitere, wesentliche Interpretation der Bankenrettungen im März vorgenommen: Sie erklären die monetäre Straffung für beendet, die Inflationseindämmung für abgebrochen. Die Notenbanken können die Inflation nur so lange (vorgeben zu) bekämpfen, wie ihre Zinserhöhungen nicht systemgefährdende Destabilisierungen im Finanzsystem auslösen. Unter extremer Rentenmarktvolatilität preisten die US-Bondmärkte verbliebene Zinserhöhungserwartungen rasch aus. Die Rendite 2-jähriger US-Staatsanleihen unterlag nach der SVB-Pleite den stärksten Tagesbewegungen, die über die letzten 40 Jahre beobachtet wurden.
Aktuell ist in den Marktpreisen impliziert, dass die US-Notenbank allenfalls noch eine weitere Zinserhöhung um 0,25% tätigen wird, um dann zu pausieren. Für die zweite Jahreshälfte erwarten die Märkte in den USA nun in Summe 75 Basispunkte Zinssenkungen. Diese Erwartung ist in Anbetracht der Fed-Rhetorik verblüffend. Chairman Powell hat wiederholt Zinssenkungen im Jahr 2023 kategorisch ausgeschlossen. Zudem scheint in Anbetracht noch immer erhöhter Inflationsraten ein schwerwiegender Katalysator nötig, um Zinssenkungen begründen zu können.
Ein eher "alttestamentarisches" (oder regelkonformes) Vorgehen im Zuge der SVB-Pleite ohne Garantieübernahme der ungesicherten Einlagen hätte vermutlich das Potential gehabt, schwere Erschütterungen im Finanzsystem auszulösen, die dann Zinssenkungsnotwendigkeiten hätten erklären können. Mit der raschen Beruhigung der Bankenkrise und schnellen Rückkehr der Zuversicht der Marktteilnehmer, dass die Folgewirkungen beherrschbar sind, scheinen diese Erwartungen für den Zinsausblick aber nicht besonders überzeugend untermauert.
Für die EZB erwarten die Märkte aktuell weitere Zinsanhebungen. Der Einlagenzins (aktuell bei 3,00%) wird demnach bis auf 3,50% oder 3,75% ansteigen. Zinssenkungen preist der Markt für die Eurozone im laufenden Jahr nicht ein. Doch auch für die EZB-Politik haben sich die implizierten Zinserwartungen über den März hinweg reduziert. In Summe scheint für beide Währungsräume klar, dass die Notenbanken mit Rücksicht auf Systemstabilität und öffentliche Schuldentragfähigkeit nicht in der Lage sind, die Zinsen so weit anzuheben, wie es an sich erforderlich wäre, um eine wirksame und entschlossene Inflationsbekämpfung zu betreiben. Dazu wären wahrscheinlich positive Realzinsen, also Leitzinsen oberhalb der vorherrschenden Inflationsraten nötig.
Mit ihren neuen Liquiditätsprogrammen (Swaplinien, BTFP) lanciert die Fed zudem faktisch eine neuerliche Runde Quantitative Easing, auch wenn die Maßnahmen diesmal nicht unter diesem Oberbegriff firmieren dürfen. Zu offensichtlich wäre der Widerspruch zum offiziell noch immer gepflegten Narrativ der Inflationsbekämpfung, dessen Notwendigkeit sich aus noch immer stark erhöhten Verbraucherpreisen auch erklärt. Doch ist unverkennbar, dass im März innerhalb weniger Tage mehrere Monate der Geldmengenstraffung egalisiert wurden. Die Liquiditätsausweitungen können mittelbar oder unmittelbar inflationsfördernd wirken.
Abb. 02: Bilanzabbau der Fed durch Banken-Rettung vorerst unterbrochen
Unsere seit längerer Zeit geäußerte Vermutung, dass eine Rückkehr zu monetären und fiskalischen Normalbedingungen mit positiven Realzinsen, einem beherrschbaren Geldmengenwachstum und solider Haushaltsführung der Staaten nicht mehr möglich ist, ohne dabei schwere systemische Verwerfungen zu riskieren, scheint sich mit einiger Verzögerung zu bestätigen. Im Grunde ist es fast erstaunlich, dass bislang nicht noch mehr Schäden und Folgewirkungen des steilen Zinsanhebungspfads sichtbar geworden sind. Gut möglich, dass hier lediglich der Zeitverzug eine Rolle spielt und weitere Schieflagen bei Banken, aber auch darüber hinaus, erst noch eintreten. Besonders verwundbar scheinen mit schwierigeren Finanzierungsbedingungen dabei vor allem all jene stark fremdkapitalfinanzierten Geschäftsmodelle, die in den Casinojahren einen besonders ausgeprägten Boom genossen haben, etwa in den Bereichen Private Equity oder Gewerbeimmobilien.
Der Kreditkontraktionszyklus, mit weniger Bankkreditvergabe, steigendem Zahlungsverzug und höheren Ausfallraten wirkt definitionsgemäß disinflationär. Gemeinsam mit der Logik der Basiseffekte ist damit der weitere Abwärtspfad der Inflation für die zweite Jahreshälfte gut vorgezeichnet.
Abb. 03: Inflationsraten entfernen sich weiter von ihren Hochpunkten
Viele Preisdaten zeigten sich über das erste Quartal in Europa und den USA noch hartnäckig auf der Oberseite gegenüber den Erwartungen. Dennoch ist der Trend nach unten gerichtet. Die Hochpunkte der Inflation liegen zunächst hinter uns: Wesentliche Treiber der Verbraucherpreise aus dem letzten Jahr beruhigen sich. Letzte Covid-induzierte Nachwirkungen, wie etwa Lieferkettenstörungen, Engpässe bei der Verfügbarkeit von Vorprodukten und Halbleitern oder Preisexplosionen bei Frachtraten laufen endgültig aus. Die Energiepreise normalisieren sich auf breiter Front. Gerade die rückläufigen Gaspreise haben dazu geführt, dass sich die Konjunktur speziell in Europa sehr viel robuster halten konnte als befürchtet und dass sich der Preisdruck in den Produktionsprozessen abmildert.
Abb. 04: Gaspreis fällt auf tiefsten Stand seit Sommer 2021
Auch der Haupttreiber der Teuerung – die monetäre Inflation – gehört zunächst der Vergangenheit an. Die Geldmengenaggregate in Europa und den USA schrumpften zuletzt so stark wie selten bzw. nie zuvor innerhalb der letzten fünfzig Jahre. Eine monetaristische Analyse legt den Schluss nahe, dass die starke Geldmengenschrumpfung den Job der Inflationsbekämpfung erledigen wird. Zwar würde ein Pausieren der Zinserhöhungen durch die Notenbanken vor Erreichen des 2%-Inflationsziels auf den ersten Blick fahrlässig anmuten, doch kann davon ausgegangen werden, dass der bloße Zeitverzug der bereits erfolgten Geldmengenkontraktion auch über die kommenden Monate hinweg noch einen fortgesetzt stark deflationären Impuls generieren wird.
Abb. 05: Die Inflation folgt der Geldmenge mit einem Zeitverzug von 1 bis 2 Jahren
Für den Inflationsausblick richtet sich der Blick nun aber auch zunehmend auf die Löhne. Die noch immer hartnäckig hohen Kerninflationsraten zeigen, dass der Teuerungsdruck zuletzt stärker aus Komponenten entspringt, deren Preise im Dienstleistungsbereich verortet sind. In den USA und Europa zeichnet sich dabei anhaltend hoher bzw. aufkommender Lohndruck ab.
Abb. 06: Kerninflation mit ungebrochenem Aufwärtstrend
Die zuletzt erfolgten Lohnsteigerungen liegen deutlich oberhalb der Norm der letzten Jahre und die aktuell optisch hohen Lohnforderungen der Arbeitnehmer sind in Anbetracht der extremen Kaufkraftverluste gleichermaßen nachvollziehbar wie auch durch strukturelle Verschiebungen in der Verhandlungsmacht der Arbeitsnehmerseite erklärt. Mit Renteneintritt der Baby Boomer und verschärftem Fachkräftemangel dürfte sich die Lohninflation zu einem nicht nur vorübergehenden Preisbeschleuniger entwickeln. Die Demographie wird global zum inflationären Faktor. Speziell in den USA sind die Arbeitsmärkte extrem eng, erschwerend kommt hinzu, dass die Partizipationsrate mit dem jüngsten Wert von lediglich 62,6% auf das Niveau des Jahres 1978 zurückgefallen ist.
Abb. 07: Noch immer keine vollständige Erholung der US-Erwerbsbeteiligung
Investmentimplikation:
Die monetäre Disinflation spricht zunächst für anhaltend starken, zeitverzögerten Abwärtsdruck auf die Inflationsraten. Eine Reihe struktureller Faktoren wie Onshoring, Lohndruck aus der Demographie und Energieverteuerung ziehen aber eine schnelle Rückkehr der Inflationsraten auf die formalen Notenbankziele von um die 2% in Zweifel. Anleger können sich gegen ein mögliches Verharren der Kaufkraftbeschädigung bei Raten deutlich oberhalb von 2% mit einer anhaltend inflationsreagiblen Ausrichtung ihres Portfolios rüsten. Bei Inflationsraten von 5% halbiert sich die Kaufkraft eines Vermögens in gerade einmal 14 Jahren. Diesem Effekt kann mit Anlageinstrumenten entgegengewirkt werden, die sich in der Historie in Abstufungen als inflationsschützend bis inflationsresistent gezeigt haben. Dazu zählen inflationsindexierte Anleihen, Aktien von Unternehmen mit starker Wettbewerbsposition und hoher Preismacht, Rohstoffe und besonders Edelmetalle.
Investoren müssen, um den realen Kapitalerhalt zu erreichen, streng genommen die von den Statistikämtern ausgewiesene Teuerung gar überkompensieren, weil diese die ökonomisch erlittene Kaufkraftherabsetzung nicht immer vollständig erfasst. Wir hatten dazu bereits in der Vergangenheit die unerfassten Schäden der "Schatteninflation" besprochen und auf die statistisch nicht berücksichtigten Folgen von "Shrinkflation" (weniger Packungsinhalt bei gleichem Preis) oder artverwandten Qualitätsverschlechterungen (minderwertigere Zutaten oder Materialien bei gleichem Preis) hingewiesen.
Aktuell rückt ein weiterer Inflationstreiber in das Zentrum der Aufmerksamkeit. Die noch immer erstaunlich robusten Unternehmensgewinne zeigen sich bei näherer Analyse vielfach als Funktion höherer Gewinnmargen. In einem Umfeld konjunktureller Abkühlung und sinkender Umsätze bei gleichzeitig deutlich gestiegenen Material-, Beschaffungs-, Energie- und Lohnkosten muten solch steigende Margenentwicklungen atypisch an. In der Historie finden sich auch kaum vergleichbare Belege, bei denen es Unternehmen gelungen wäre, in einem Umfeld der Stagflation Margen auszuweiten und Gewinne stabil zu halten. Als Erklärung etabliert sich der Begriff "Greedflation", der nicht unzutreffend beschreibt, wie viele Unternehmen aktuell die Gunst der Stunde nutzen, um Preise kräftig und über das aus Kostensteigerungen erklärte Maß hinaus anzuheben, in der Kalkulation, dass im dynamischen Umfeld der Hochinflation die Kunden nicht so genau hinschauen und selbst bei über Gebühr ausfallenden Preisaufschlägen Kaufzurückhaltung und Empörung ausbleiben.
Kurzfristig mag diese "Greedflation" positiv auf das Margen- und Gewinnbild der Aktiengesellschaften einzahlen. Weitergedacht bieten die Unternehmen damit unnötige und potenziell kostspielige Angriffsfläche. In verschiedenen Veröffentlichungen und Verlautbarungen sind derzeit erste Anzeichen erkennbar, dass Regierungen und Notenbanken die Preispolitik der Firmen genauer unter die Lupe nehmen. Die "Greedflation" ist dabei für Politik und Zentralbanken eine dankbare Steilvorlage, mit der sich von der eigenen Verantwortung für die "organisierte Inflation" (aus der Gleichung Lockdown + Extremstimulus = Inflation) ablenken lässt. Die politischen Kosten der Inflation sind hoch. Die Sorgen der Menschen richten sich aktuell stark auf die zwar rückläufigen, aber noch immer hohen Preissteigerungen. Politisch ist es daher opportun, wenn ein Sündenbock präsentiert werden kann. Gerade wenn von Arbeitnehmern Lohnzurückhaltung gefordert wird, andererseits aber übermäßige Preiserhöhungen salonfähig sind, resultiert daraus offenkundig das Potential für einen öffentlichen Stimmungsumschwung, der sich gegen die Unternehmen richten kann.
Der Unternehmenssektor geht dabei stark ins Risiko. Er lädt förmlich zu populistischen Forderungen nach höherer Besteuerung, Preiskontrollen und anderen schädlichen Markteingriffen ein. Dort wo maßlose "Greedflation" betrieben wird, könnte sie sich als Eigentor erweisen.
Die auch für Anleger zentralen Erfolgsvoraussetzungen Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Marktwirtschaft werden immer stärker zur disponiblen Verhandlungsmasse
Das Risiko ist gerade deshalb hoch, weil ein solcher Populismus in westlichen Demokratien fatalerweise zunehmend fruchtbaren Boden findet. Der Respekt für marktwirtschaftliche Spielregeln erodiert zusehends. Die Hemmschwelle für anlass- und bedarfsbezogene, situative Auslegung von Recht und Gesetz sinkt. Einst nicht verhandelbare rechtsstaatliche und marktwirtschaftliche Grundprinzipien als Voraussetzungen für langfristige Prosperität und Freiheit werden heute vielfach nur noch bedingt als Garanten fortgesetzt günstiger Standort- und Wettbewerbsbedingungen gewürdigt.
In Deutschland scheint das aktive Vergessen oder Verdrängen der Erfolgsvoraussetzungen der Vergangenheit besonders ausgeprägt. Zu "bloßen" Versäumnissen in der Herstellung eines attraktiven Wettbewerbsrahmens (Stichworte Fachkräfte, Bildung, Bürokratieabbau, Infrastruktur, Digitalisierung) kommen zunehmend billigend in Kauf genommene oder gar aktiv betriebene Beschädigungen (Steuer- und Abgabenlast; Regulierungswut, Energiewende, Technologie- und Innovationsfeindlichkeit, Rückbau der Automobilindustrie) und Beschneidungen der Vorbedingungen für Wachstum und Wohlstand hinzu. Eine schleichende Abwanderung von Produktion und Industrie setzt bereits ein. Mahnende Stimmen, die eindringlich vor Verlust der Wettbewerbsfähigkeit und Verschlechterung der Standortbedingungen warnen, mehren sich. So bemängelte der scheidende CEO des genossenschaftlichen Agrarkonzerns BayWa, Klaus Josef Lutz, die "vorsätzliche Schrumpfung der deutschen Wirtschaft" und kritisierte die Verbote, die Energiewende, die Ideologie, den "Öko-Sozialismus" und die "Planwirtschaft" der amtierenden Bundesregierung.
Tatsächlich unterliegen immer mehr Branchen ideologisch motivierten Eingriffen in Eigentumsrechte, Über- und Angriffen in marktwirtschaftliche Grundprinzipien und auf Grundrechte. Die Regulierungsdichte in der Finanzwirtschaft, im Energiebereich, der Landwirtschaft, zunehmend auch in der Bau- und Immobilienbranche lähmt die Produktivität. Die Vorstellung, ein Industrieland mit netto weniger Energiedichte genauso leistungs- und wettbewerbsfähig betreiben zu können, wie vor diesem Umbau der Energieversorgung, scheint vernunftwidrig. Die schleichende Erosion der Prinzipien von Rechtsstaatlichkeit, Ordnungsrahmen und Eigentumsgarantie stellt nicht nur in Deutschland, sondern in der Mehrzahl westlicher Demokratien allzu leichtfertig das einstige Erfolgsrezept des Westens zur Disposition.
Dabei gibt es für Anleger relevante Abstufungen zu berücksichtigen. Die USA haben – trotz des jüngsten Überbordwerfens der Spielregeln im Zuge der Banken- und Einlagenrettungen – in den vergangenen Jahren doch wiederholt die hohe Qualität und Robustheit des institutionellen Rahmens unter Beweis stellen können. Die Schweiz hat sich mit ihrer per Notverordnung dekretierten Bankenrettung unter Missachtung der Eigentümerrechte einen Bärendienst erwiesen. Dieser "Sündenfall" dürfte dem Finanzplatz Zürich nachhaltigen Schaden zugefügt haben. Der Zusammenhang ist einfach: Je höher die Bereitschaft zur Anwendung von Notverordnungen (egal ob bei Bankenrettungen, Pandemien oder anderen zum Notstand erklärten Ereignissen) unter Umgehung von teils über Jahrzehnte oder Jahrhunderte hinweg gewachsenen Rechtsordnungen, desto schlechter sind tendenziell auch die Interessen von Investoren geschützt. Für die Risikoübernahme in Jurisdiktionen mit schwächerer Qualität forderten Investoren – etwa in den Schwellenländern – in der Vergangenheit üblicherweise höhere Risikoprämien ein. Im Fall der Schweiz wiegt besonders die wahrgenommene Beschädigung der Unabhängigkeit der Zentralbank schwer, welche durch die Notstandsgesetzte zur Übernahme unlimitierter Risikogarantieren für die neue UBS-CS verpflichtet wurde. Für sich kann die Schweiz aber noch immer verbuchen, dass ihre direkte Demokratie sich regelmäßig als zuverlässig wehrhaftes Korrektiv gegen Bestrebungen erweist, welche offenkundig den Eigeninteressen des Landes entgegenstehen. Dubletten von in der EU verordneten Regularien etwa zu CO2-Verordnungen oder Lieferkettengesetzten wurden in der Schweiz per Volksentscheid zurückgewiesen.
Investmentimplikation:
Für Investoren ist es heute ungleich schwerer als in der Vergangenheit, die Vor- und Nachteile in den Investitionsbedingungen unterschiedlicher Regionen gegeneinander abzuwägen. Die korrekte Analyse der Qualität von Rechts- und Investitionssicherheit ist aber ein notwendiger Berechnungsinput in die zu fordernde Länderrisikoprämie.
Direktional tendieren notwendige Länderrisikoprämien in vielen westlichen Volkswirtschaften heute eher nach oben. Umgekehrt haben sich die Investitionsbedingungen in vielen Schwellenländern der "ersten Reihe" in den vergangenen Jahren deutlich verbessert. Eigentümer und Gläubiger genießen folglich den Rückenwind von Bewertungsgewinnen aus reduzierten Risikoaufschlägen.
Günstige übergeordnete Bedingungen lassen sich vielfach im asiatischen Raum finden. Japan leidet zwar unter einer ebenfalls hohen Bereitschaft zu Interventionen in den Wirtschaftskreislauf und geringen Bereitschaft markträumende Preise zuzulassen, weist aber eine hohe Innovationskraft auf. Das Freihandelsabkommen im asiatisch-pazifischen Raum ist ein Wachstumsturbo für die beteiligten Volkswirtschaften, von denen viele mit geringer Verschuldung, positiven Leistungsbilanzen und einer jungen Bevölkerung glänzen. Viele asiatische Staaten sind pragmatisch in Fragen der Energieversorgung. Ihre Wachstumsraten werden künftig stärker als im Westen durch sinnvolle Investitionen in Bildung und Infrastruktur gestützt. Ihre Währungen scheinen weniger verwundbar als jene von Staaten mit schwachen Bilanzen und hoher Verschuldung.
Eine intelligente geographische Diversifizierung nutzt die Chancen anderer Wirtschafts- und Währungsräume, kann aber die Risiken der neuen geopolitischen Realitäten nicht ignorieren. Die zunehmend sichtbaren Unterschiede in den Interessenslagen der westlichen (Nordamerika, Europa, Australien) und östlichen Welt (Ostasien, Russland, Golfstaaten, Zentralasien, Brasilien, Südafrika, Indien) haben möglicherweise weitreichende Investmentimplikation. Vermeintlich attraktivere Risikoprämien in anderen Regionen können sich als trügerisch erweisen, wenn der Zugang zu ihnen erschwert oder verteuert wird. Im Extremfall - die Sanktionen gegen russische Wertpapiere sind dabei mahnendes Beispiel - führen Disruptionen, Kapitalverkehrskontrollen, Einschränkungen der Konvertierbarkeit, Strafsteuern oder Handelsverbote zur teilweisen oder vollständigen Beschädigung der Werthaltigkeit von außerhalb der Heimatjurisdiktion eines Anlegers domizilierten Wertpapieren.
Gerade die aktuell unverkennbare Loslösung vieler Staaten, die traditionell der westlichen Einfluss- und Interessensphäre zugerechnet werden konnten (Saudi-Arabien, Brasilien, Indien, usw.), vom US-amerikanischen Führungsanspruch hat das Potenzial zu weitreichenden Verschiebungen auf der Investmentlandkarte. Entsprechende Volatilität in der Findung eines neuen globalen, geopolitischen Preisgleichgewichts ist zu erwarten. Die in den letzten Jahren rustikale und immer weniger auf Kooperation gerichtete US-Außenpolitik befördert Zweckgemeinschaften in der östlichen Hemisphäre. Die Rückbesinnung auf gemeinsame Interessen und der Wunsch nach Emanzipation von US-amerikanischer Führung eint plötzlich stärker als kulturelle und historisch verankerte Gegensätze. Überraschende Allianzen und wiederaufgenommene Gesprächsfäden (unter teils so entfremdeten Staaten wie Iran und Saudi-Arabien) bestätigen das Zusammenrücken selbstbewussterer Schwellenländer als ein frühes Zeichen einer globalen Neuordnung, die das Ende der "Pax Americana" einläutet.
Investmentstrategien auf "Autopilot" werden in den kommenden Jahren den Herausforderungen wohl nicht mehr gewachsen sein
Diese Verschiebungen tragen über die kommenden Jahre hinweg wahrscheinlich zu einem sehr viel komplexeren Investitionsumfeld bei verglichen mit den Bedingungen, die über die letzten Jahrzehnte vorgeherrscht haben und in Summe als kapitalmarktfreundlich beschrieben werden konnten. Trotz aller Krisen waren die Erträge breit diversifizierter Multi-Asset Portfolien in Summe auskömmlich. Im Vergleich zu den von Stabilität und Berechenbarkeit geprägten letzten Jahrzehnten scheint nach vorne blickend in vielen Investmentstrategien ein selektiveres Vorgehen nötig.
letzte Jahrzehnte | nach 2022 | |
Geopolitik | Kooperation, Friedensdividende | Konfrontation, Bellizismus |
Geopolitik | unipolar, Pax Americana | multipolar, Blockbildung West / Ost |
Globalisierung | Freihandel, disinflationär | Onshoring, inflationär |
Weltwährungsordnung | Dominanz des US-Dollars | vermutlich mehr Währungswettbewerb aus Asien, BRICs |
Verschuldung (im Westen) | hoch, steigend | sehr hoch, Spielraum für weitere Steigerungen scheint limitiert |
Demographie | disinflationär für Arbeitsmärkte | inflationär für Arbeitsmärkte |
übergeordnetes Makroregime | "nice" (non inflationary constant expansion) | Stagflation |
Inflation | niedrig | strukturell erhöht |
Zinsen | fallend = kapitalmarktpositiv | strukturell höher oder Yield Curve Control = kapitalmarktnegativ |
Potentialwachstum | fallend | weiter fallend |
Bewertungen | Märkte haben üppige Prämien aufgebaut | vermutlich Bewertungskontraktion |
Leadership (im Westen) | schwächer | schwach |
Leadership (im Osten) | autokratisch | autokratisch |
institutioneller Rahmen, Respekt für Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit, Qualität öffentlicher Güter (im Westen), Eigentumsrechte | noch hoch, fallend | fragil, niedrig |
Tab. 01: Entwicklungen letzte Jahrzehnte und nach 2022
Mit der gebotenen Differenzierung spricht über die kommenden Jahre sicherlich viel für erhöhte Emerging Markets-Quoten im Portfolio. Sinnvoll ist eine komplementäre Strategie, die einerseits höheres Wachstum und Aufwärtsdynamik in den Schwellenländern aufgreifen kann und diese andererseits kombiniert mit Vermögenswerten hoher Qualität aus westlichen Jurisdiktionen, die in stärkerem Maße Eigeninteressen verfolgen und noch einen höherwertigen institutionellen Rahmen (USA, Großbritannien, Schweiz) bieten.
In jedem Fall ebbt an den Kapitalmärkten der Rückenwind von über vierzig Jahre hinweg fallenden Zinsen ab. Global verbleiben noch weitere Anpassungsnotwendigkeiten der Zinssuppression, sei aus noch immer zu viel umlaufender Liquidität oder noch immer bestehenden, direkten Markteingriffen in die Preisbildung der Zinsmärkte, wie in Japan. Ein mögliches Ende der Zinskurvenkontrolle in Japan dürfte deutliche Schockwellen durch die globalen Zinsmärkte senden und zu einer Höherverankerung der Renditen langlaufender Anleihen auch in anderen Währungsräumen führen.
Die 2020 im Westen im Ansatz praktizierte "Modern Monetary Theory", der Glaube, wonach unbeschränkte, notenbankfinanzierte Defizite keine negativen Konsequenzen hätten, ist durch die Realität der nachfolgend galoppierenden Inflation widerlegt. Die Spielräume für eine Fortsetzung der ungehemmten Verschuldungspolitik in der westlichen Welt sind enger. Die Schuldenstände stoßen an Grenzen. Dennoch fehlt in Europa und Nordamerika noch ein erkennbarer Alternativentwurf zur Defizitpolitik der letzten Jahrzehnte.
Viele Schwellenländer haben im Bedarfsfall noch komfortablere fiskalische Spielräume. Sie scheinen mit diesen Instrumenten vielfach auch verantwortungsbewusster umzugehen. Im Zuge der Coronakrise war der vielfach an Schwellenländer formulierte Vorwurf – und zugleich Argument für deren vermeintliche Nichtinvestierbarkeit –, dass sie nicht im gleichen Maße, nicht mit gleicher "Firepower", wie der Westen in der Lage seien, die Folgen der Pandemie mit gigantischen Fiskalpaketen abzufedern. Dieses Argument erweist sich in der Rückschau als großer Trugschluss. Genau der Verzicht auf die Extremmaßnahmen westlicher Staaten hat im Ergebnis zu teils deutlich niedrigeren Inflationsraten und damit sehr viel niedrigeren Folgekosten der Pandemie in den Emerging Markets geführt.
Investmentimplikation:
Aus ihren eigenen historischen Krisenerfahrungen heraus haben viele Schwellenländer (wie Brasilien, Mexiko oder Indonesien) eine geringere Bereitschaft zum "Flirt mit der Inflation" und waghalsigen Geldexperimenten. Gegenbeispiele wie die Türkei oder Argentinien illustrieren die enorme Spreizung und daraus nötige Differenzierung, mit der Schwellenländer zu analysieren sind. Viele Staaten haben aber ihre Abhängigkeiten von Fremdwährungsverbindlichkeiten reduziert und die Verschuldung generell auf ein nachhaltigeres Niveau gebracht.
In Folge der Covid-Pandemie haben viel Notenbanken in den Emerging Markets sehr viel früher und konsequenter mit Zinsanhebungen begonnen, als es im Fall der westlichen Geldpolitik geschehen ist. Die Wertentwicklung von EM-Anleihen und Lokalwährungen der letzten Monate honoriert die vielfach bessere Fundamentalsituation. Auch um politische Risiken adjustiert scheinen die vereinnahmbaren Prämien für EM-Bonds aktuell noch immer ansprechend. Der auch in vielen Schwellenländern nach vorne klar erkennbare disinflationäre Trend in Kombination mit einem schwächeren US-Dollar bietet ein günstiges Investitionsumfeld, in dem die Chancen gut stehen, dass ausgewählte Schwellenländeranleihen fundamental stärkerer Länder (z.B. Peru, Tschechien, Mexiko) weiter outperformen könnten.
Der Jahresauftakt 2023 war an den Kapitalmärkten geprägt von überwiegender positiver Stimmung. Ausgehend von den herben Verlusten im Jahr 2022 zeigten sich die meisten Anlageklassen deutlich erholt. Der Gegenwind steigender Zinsen ließ zuletzt etwas nach.
Abb. 08: Entwicklung verschiedener Assetklassen
Die aktuell gute Stimmung erklärt sich aus verschiedenen Faktoren: Ein tendenziell schwächerer Dollar lockert die Finanzbedingungen. Die Konjunkturaussichten haben sich stabilisiert, für das Jahresende rechnen einige Vorhersagen bereits wieder mit leicht steigenden Wachstumsraten. Die globale Liquidität stieg zuletzt wieder an. Die Notmaßnahmen der Fed tragen dazu bei. In der Vergangenheit bestand ein auffallend enger Zusammenhang zwischen addierter globaler Liquidität und dem Verhalten von Risikoassets (fast schon ein "Peg" oder "Managed Float")
Abb. 09: Enger Zusammenhang zwischen Zentralbankbilanzen und Aktien
Vor allem aber hoffen viele Marktteilnehmer auf den "Pivot" der US-Notenbank, die Kehrtwende in der Zinspolitik. Wie im letzten Quartalsbericht bereits ausgeführt, stützt sich dieser Optimismus allerdings nicht auf historisch belegte Erfahrungen: Traditionell folgten die schwierigsten Kapitalmarktbedingungen auf die Phase beginnender Zinssenkungen der Notenbank, sind doch zu diesem Zeitpunkt die Folgen der Konjunkturabschwächung voll sichtbar und Unternehmensgewinne unter Druck.
Defensive Portfoliopositionierung bleibt weiterhin begründet
Der lange und schmerzhafte Bärenmarkt der Jahre 2000-2003 lehrt, dass es noch nicht einmal einer ungewöhnlich tiefen oder schweren realwirtschaftlichen Rezession bedarf, um entsprechend heftige Marktkorrekturen auszulösen. Gerade für Aktienmärkte ist eine bestehende Überbewertung hinreichende Vorbedingung für eine nachfolgend nötige Bewertungskorrektur. Auch heute lassen die Bewertungen keinerlei Spielraum für Verfehlungen zu. Auch die in Aktien eingepreiste Hoffnungsprämie des Fed-Pivots lässt die Anlageklasse verwundbar erscheinen. Senkt die Fed 2023 keine Zinsen, müssen entsprechende Hoffnungen ausgepreist werden. Gehen die Notenbanken aber zügig in den Zinssenkungsmodus über, ist dies eben keineswegs Garantie für ein risikopositives Umfeld an den Märkten. Im Gegenteil war in der Vergangenheit die Versteilerung der Zinskurve bei Wachstumsverlangsamung und von (wie aktuell auch) invertiertem Niveau aus meist ein eindeutiger Begleiter eines Bärenmarktes in Aktien und eines Bullenmarktes in Zinsduration.
Investmentimplikation:
Eine Anlageklasse scheint für das skizzierte Umfeld (anhaltend hohe Unsicherheiten, bevorstehende Rezession, sich weiter aufbauender Finanzmarktstress, verbleibende Inflationsrisiken) weiterhin geradezu prädestiniert. Gold vereint gleich mehrere günstige Eigenschaften in sich und adressiert als Portfoliobaustein die diskutierten Herausforderungen wie kaum eine andere Option. Als Vermögenswert ohne Gegenparteirisiko ist der Nutzen im Zuge weiterhin denkbarer Finanzmarktinstabilität wie auch im diskutierten Kontext von auf dem Rückzug befindlicher Respektierung von Eigentumsrechten und Vertragsfreiheit untermauert. Gold findet aktuell mit hoher Notenbanknachfrage aus Asien strukturell neue stabile Nachfrager, die versuchen ihre Anlagen aus dem US-Dollar-Risiko heraus zu diversifizieren.
Auch ein Fed-Pivot-Szenario wäre Gold-positiv: Niedrigere Zinsen im Dollarraum würden die Währung schwächen und so den Goldpreis unterstützen. Die Eignung von Gold als Schutz vor systemimmanenten Unfällen im Papiergeldsystem stand mit den Bankenpleiten von SVB und CS neuerlich gut unter Beweis. Gold zeigt sich in solch regelmäßig wiederkehrenden Krisen als sinnvolleres Investment im Vergleich zu z.B. CoCo-Bonds der Credit Suisse. Als genereller Schutz vor Geldmengenausweitung und Kaufkraftverlust hat das Metall über die letzten Jahrzehnte hinweg ohnehin überzeugen können. Über verschiedene rollierende Anlagezeiträume konnte in den letzten Jahren beobachtet werden, dass die Risikoprämien innerhalb einer Währung (z.B. die erzielbaren Renditen in Anleihen) wie US-Dollar oder Euro nicht ausreichen, um den Kaufkraftverlust der Währung selbst zu kompensieren. Auch nach vorn betrachtet bleibt das Risiko der Finanzrepression erhöht, sodass Gold für den Werterhalt im Portfolio weiterhin eine zentrale Rolle zukommt.
Ganz grundsätzlich fällt es aktuell noch schwer, bereits ein insgesamt konstruktives Investmentumfeld auszurufen. Gerade Aktien fehlt schon aus Bewertungsgründen jene Sicherheitsmarge, die nötig wäre, um von ansprechenden Investitionsbedingungen ausgehen zu können. Typischerweise enden Bärenmärkte auf anderen Bewertungsniveaus als aktuell präsent.
Tab. 02: US-Bärenmärkte und korrespondierende Bewertungskorrekturen (1957 – 2020)
Tab. 03: Aktueller Bärenmarkt (seit Januar 2022) [Quelle: Bloomberg; Zeitraum: 15.07.1957 – 31.03.2023; KGV = bereinigtes Kurs-Gewinn-Verhältnis]
Auch steht die Rezession nach zuverlässigen Frühwarnindikatoren wie Zinskurveninversion und "Leading Indicators" erst noch bevor. Diese Signale gilt es zu respektieren. In der Vergangenheit tobte sich beispielsweise der Bärenmarkt nicht während der Zinskurveninversion, sondern erst mit Zeitverzug über die darauffolgende Versteilerung aus. Die kritische Phase für Unternehmensgewinne steht in jedem Fall erst noch bevor. Erst dann kann beurteilt werden, wie starkes Abwärtspotential für die Gewinne möglicherweise noch besteht.
Aus gleichem Grund ist auch weiterhin Zurückhaltung in offensiveren Segmenten der Anleihemärkte ratsam. Wir bevorzugen unverändert Vermögenswerte hoher Qualität und kürzerer Duration. Erhöhte und steigende Verschuldung, die inflationären Effekte des Ukraine-Kriegs, der Wiederaufbauerfordernissen und generell der Wegfall der Friedensdividende, der Trend zum Onshoring, die Demographie und strukturell vermutlich teurere Rohstoffe präsentieren Tail-Risiken für Renten, die ebenfalls keiner besonders ansprechenden Kompensation unterliegen.
Investmentimplikation:
Innerhalb des Rentenportfolios bevorzugen wir weiter inflationsindexierte Anleihen und Unternehmensanleihen hoher Bonität am kurzen Laufzeitende. Renten bieten in längeren Laufzeiten weiterhin nur wenig Portfolioschutz, geringes Gesamtertragspotential und kaum Puffer für nachteilige Inflationsüberraschungen.
In einem Umfeld, in dem fortgesetzte Finanzrepression und negative Realzinsen wahrscheinlich eine der wenigen weiterhin verlässlichen Konstanten sein werden, sind Instrumente, die wirksamen Inflationsschutz und Kaufkrafterhalt bieten können, gefragte Portfoliobestandteile. Rohstoffe, rohstoffnahe Aktien und Edelmetalle sind in diesem Zusammenhang unverändert Festzinsinvestitionen vorzuziehen.
Globale Trendverschiebungen in Liefer- und Wertschöpfungsketten legen nahe, dass einige Regionen zu den absehbaren Gewinnern zählen werden. Dazu zählen vor allem Mexiko und Osteuropa. In unterschiedlichen Anlageklassen und den Währungen der Länder können entsprechende Opportunitäten im Portfolio zugänglich gemacht werden. Viele Onshoring-Profiteure zeigten auch in den zurückliegenden Monaten bereits eine entsprechende Tendenz zur Outperformance.