Der Schutzschirm für den Euro widerspricht aus Sicht des Münchener Instituts für Wirtschaftsforschung (ifo) deutschen Interessen. Ein Rettungsschirm hätte nach ifo-Einschätzung zudem gar nicht aufgespannt werden müssen, da eine Gefährdung des Euro überhaupt nicht vorgelegen habe, wie aus einer am Donnerstag vom ifo-Institut vorgelegten Analyse hervorgeht.
Das Institut kommt in seiner Analyse zu dem Schluss, "dass entgegen anders lautender Behauptungen keine Systemkrise des Euro vorliegt". Gemessen an der Kaufkraft sei der Euro im Gegenteil immer noch überbewertet. Der faire Kurs läge demnach bei etwas 1,14 USD. Auch die Inflationsrate gebe keinen Anhaltspunkt für die Gefährdung der Währung. Sie liege mit aktuell 1,5 Prozent deutlich unter der durchschnittlichen Inflationsrate der Deutschen Mark.
"Gefährdet war in dieser Krise offenbar nicht der Euro; gefährdet waren vielmehr die Gläubiger der Staatsschuldpapiere der unsoliden Länder sowie die Fähigkeit dieser Länder, sich weiterhin so günstig auf den Kapitalmärkten zu finanzieren, wie es in den ersten Jahren des Euro möglich gewesen war", sagte ifo-Präsident Hans-Werner Sinn. Was die meisten Ländervertreter als Krise empfunden hätten, sei eine notwendige Ausdifferenzierung der Zinsen nach der Bonität der Kreditnehmer gewesen.
Außerdem hatten viele Bankhäuser, insbesondere in Frankreich, massive Probleme, weil der Marktwert der Wertpapierforderungen gegenüber den Schuldenländern weiter zu fallen drohte. Französische Banken hielten um zwei Drittel mehr griechische Wertpapiere als deutsche Banken und besaßen zudem noch griechisches Bankeneigentum. Deshalb hätten besonders die Franzosen Deutschland zu dem Rettungspaket gedrängt, sagte Sinn.
Sollte der Rettungsschirm Gesetz werden, übernehme Deutschland de facto die Gewährleistung für die Schulden der anderen Eurostaaten. "Deutschland, welches die Hauptlast der Gewährleistung zu tragen hat, hilft seinen Konkurrenten auf dem Kapitalmarkt, sich wieder billiger zu verschulden", erklärte der ifo-Präsident. Deutschland erbringe eine Versicherungsleistung von geldwertem Vorteil, für die es nicht bezahlt werde. Neben den direkten Haushaltsrisiken habe diese Gewährleistung zudem weitere problematische Folgen für die deutsche Wirtschaft.
Deutsche Ersparnisse seien jahrelang nach Südeuropa und in die USA geflossen. Im Inland sei kaum noch investiert worden. Deutschland sei auf einen der letzten Plätze beim Wirtschaftswachstum gerutscht. Dann habe die Griechenlandkrise den Glauben an die Bonität der Schuldenländer erschüttert. Das habe zu einer Korrektur der Zinsstrukturen geführt, was sich für Deutschland vorteilhaft ausgewirkt habe.
Dem ifo Institut zufolge war zu erwarten gewesen, dass ein Großteil der deutschen Kapitalexporte von zuletzt 166 Mrd EUR im Jahr in Zukunft im Inland verblieben wäre und wieder für mehr Wachstum gesorgt hätte. "Das Gewährleistungsgesetz verhindert jedoch diese notwendige Korrektur, lenkt das Kapital weiter ins Ausland und verhindert so dringend notwendige Investitionen in Deutschland", kritisierte Sinn. Selbst mit massiven Steuererleichterungen für Investoren werde es nicht möglich sein, dagegen anzuhalten. "Der Rettungsschirm ist für Deutschland ein unkalkulierbares Abenteuer und eine sichere Wachstumsbremse", sagte der ifo-Präsident.
Nach Auffassung von Sinn hätte es eindeutig im deutschen und vermutlich auch gesamteuropäischen Interesse gelegen, die Ausspreizung der Zinsen nach der Bonität der Schuldenländer nicht zu verhindern. Zum einen hätte die Ausspreizung die Schuldenländer diszipliniert und vor einer weiteren Kreditaufnahme zurückschrecken lassen. Zum anderen wäre mehr Kapital nach Deutschland geflossen und hätte Deutschland mehr Wachstumsdynamik verschafft, folgerte der ifo-Präsident.
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