IKB: Aufsicht, Wirtschaftsprüfer und Ratingagenturen im Tal des Nebels


Eigentlich hätte es den Beinahe-Zusammenbruch der IKB nicht geben dürfen. Warum? Hilfreich ist ein Blick in den aktuellen Risikobericht der IKB: „Die Risikokultur der IKB ist geprägt durch einen konservativen Umgang mit den Risiken des Bankgeschäftes. [..] Sie steht auf dem Fundament der Risikotragfähigkeit und spiegelt sich in der Geschäfts- und Risikostrategie, in den daraus abgeleiteten Risikoobergrenzen und Limiten und in der Risikoorganisation hinsichtlich Verantwortlichkeiten und interner Prozesse wider.“

Die Risikotragfähigkeit wird letztendlich von zwei Größen bestimmt, nämlich zum einen vom Eigenkapital und zum anderen von den Liquiditätsreserven. Gerät die Balance von Risikotragfähigkeit und tatsächlichem Risikoumfang aus den Fugen, werden zusätzliche Maßnahmen erforderlich, um Risiken loszuwerden oder die Risikotragfähigkeit zu erhöhen. So einfach funktioniert das Gesetz des Risikomanagements. Die Brisanz liegt jedoch bei der möglicht exakten Berechnung der übernommenen Risiken. In den vergangenen Jahren sind Risiken immer raffinierter verpackt worden, weitergereicht worden, zurückgenommen und wieder transferiert worden, so dass viele Finanzmarktteilnehmer gar nicht mehr so richtig wissen, wie brisant ihr „Risikopäckchen“ eigentlich ist. So dürfe wohl demnächst noch so manches Risikopäckchen explodieren – und wieder einmal wird die Überraschung groß sein.

Eigentlich alles richtig gemacht

Die IKB hat die in- und ausländischen Kreditengagements synthetisch am Kapitalmarkt platziert, d.h. die IKB hat sich risikomäßig gegen die Adressrisiken aus diesen Engagements abgesichert, obwohl sie nach wie vor in der IKB-Bilanz ausgewiesen werden. Wieso wurde die IKB dann mit einem geschätzten Verlust von 3,5 Milliarden Euro konfrontiert?

Der Grund: Die Geschäfte des von der IKB verwalteten US-amerikanische Fonds "Rhineland Funding" tauchen nicht in der IKB-Bilanz auf. Damit finden wir auch im Risikobericht keine Angaben zu den hochbrisanten Milliardenrisiken. Über Strohmänner wurde das Investmentvehikel (Conduits) "Rhineland Funding" (Rhineland Funding Capital Corporation, RFCC) gegründet, die selbst nur ein Eigenkapital von 500 Dollar hat. Die Rhineland hat in Kredite und verbriefte Kredite (Collateralized Debt Obligations, CDO) über 13 Milliarden Euro investiert und diese durch Ausgabe von "Commercial Papers" (Wertpapiere mit einer Laufzeit von 30 bis 60 Tagen) refinanziert. Vorteil für die Bank: Eine Unterlegung mit Risikokapital ist nicht notwendig (siehe oben unter Risikotragfähigkeit). Vorteil für das Finanzsystem: Risiken werden auf mehreren Schultern getragen - dies stabilisiert tendenziell das Finanzsystem.

Die Erträge der Stiftung flossen über Beratungsgenbühren - im vergangenen Jahr immerhin 60 Mio. Euro - an die IKB zurück. Im Gegenzug hat die IKB eine Liquiditätsgarantie übernommen. Und damit war die Waage - siehe oben - aus der Balance. Die Risikotragfähigkeit (sichtbar in der IKB-Bilanz) stimmte nicht mit den tatsächlichen Risiken (teilweise nicht sichtbar in der IKB-Bilanz und auch nicht im IKB-Risikobericht) überein.

Mit Hilfe von statistischer Simulationen und Stressszenarioanalysen ermittelte die IKB das ökonomische Kapital zur Abdeckung extremer, unerwarteter Risiken. Dabei wurde mit einem Sicherheitsniveau von 99,96 Prozent gerechnet. Es verbleiben 0,04 Prozentpunkte, die die IKB mit so genannten „Extrem-Stressszenarien“ auf Basis von Worst-Case-Parameterkonstellationen abzudecken versucht. Und exakt diese Extremereignisse – im Tail der Verteilung - werden regelmäßig unterschätzt. Dies beginnt bei vielen Risikoexperten bereits mit einer schiefen Definition des in allen Banken etablierten Risikomaßes Value at Risk. Nein, nein, nein, der Value at Risk (VaR) spiegelt nicht den „maximal erwarteter Verlust“ wider. Der VaR gibt den Verlust an, der mit einer vorgegebene Wahrscheinlichkeit (Konfidenzintervall) nicht überschritten wird, durchaus aber überschritten werden kann! (siehe auch aktuelle Buchbesprechung im RiskNET Bookshop).

Regulatoren, Wirtschaftsprüfer und Ratingagenturen haben keine rote Flagge gehisst

Eckpfeiler der Risikokontrolle bei der IKB – so der aktuelle Risikobericht - ist eine zeitnahe, umfassende und objektive Offenlegung der Risiken gegenüber dem Vorstand, dem Aufsichtsrat, den Aktionären, den Aufsichtsbehörden sowie den Ratingagenturen. Der IKB-Fall zeigt ein weiteres Mal, dass Moody’s, Standard & Poor’s und Fitch systematisch Risiken ausgeblendet haben und zu spät vor den Risiken gewarnt haben. Keiner der drei internationalen Ratingagenturen hat rechtzeitig die rote Flagge gehisst. Noch im Mai hatte etwa Moody’s an IKB die „umsichtigen Kreditvergabepraktiken, das effiziente Risikomanagement und die damit einhergehende relative Immunität gegen Marktrisiken“ gelobt. Auch die Wirtschaftsprüfer haben keine rote Flagge gehisst. Und die BaFin hat erst in letzter Sekunde die Flagge gehisst. Jochen Sanio, Präsident des Bundesamts für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin), hatte vor einer "systemischen Krise" gewarnt, sollte die Rettungsaktion ausbleiben. "In Deutschland droht die schlimmste Finanzkrise seit 1931", habe Sanio nach Informationen aus Teilnehmerkreisen während der Telefonkonferenz gesagt. Er warnte offenbar ausdrücklich vor fürchterlichen volkswirtschaftlichen Effekten durch die Ansteckungsgefahren einer IKB-Pleite.




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