Im zweiten Halbjahr 2010 gaben die Prämien für Industrieversicherungen europaweit wieder leicht nach. Die Gründe dafür sind, wie bereits in den vergangenen Jahren, ein harter Wettbewerb der Versicherer sowie ausreichende Zeichnungskapazitäten im Versicherungsmarkt. Während der deutsche Markt dem Europa-Trend zu tendenziell fallenden Prämien über alle Sparten hinweg folgte, sorgten in Österreich Gesetzesänderungen und die Folgen der Finanzkrise für steigende Preise für Berufs- und Umwelthaftpflichtpolicen sowie für Managerhaftpflicht (D&O) und Versicherungen für Finanzinstitute. Dies zeigt die Auswertung der Erneuerungsrunde für 2011 des Industrieversicherungsmaklers Marsh im halbjährlich erscheinenden Versicherungsmarkt-Report Approach Your Risk with Clear Direction: Marsh’s 2011 Europe, Middle East and Africa Insurance Market Report. Für das Jahr 2011 erwartet Marsh auch weiterhin tendenziell fallende Preise, sofern die Schadenhistorie günstig und das Risikomanagement glaubwürdig sind.
Sach- und Haftpflichtprämien weiter unter Druck
In Deutschland zeigte die Unternehmenshaftpflicht im zweiten Halbjahr 2010 mehrheitlich kleinere Prämiensenkungen. Für gutes Risikomanagement und niedrige Schadenquoten waren auch größere Nachlässe möglich. Mit Stabilisierung der Konjunktur zeigten sich die Underwriter jedoch immer weniger bereit, die Prämien zu senken. Allgemein wird erwartet, dass sich der Haftpflichtmarkt im Laufe des Jahres 2011 stabilisiert. Obwohl vielfach in der Fachöffentlichkeit diskutiert, sind verteuernde Auswirkungen von Solvency II bisher nicht zu bemerken.
Auch in der Sachversicherung konnten in der zweiten Hälfte 2010 überwiegend Prämiensenkungen oder eine Verbesserung der Versicherungsbedingungen erreicht werden. Die Festschreibung der Bedingungen auf zwei Jahre war noch immer möglich und wurde von rund der Hälfte der Kunden genutzt. Erste Anzeichen für eine Verhärtung des Markts zeigen sich in einzelnen Branchen wie beispielsweise bei Recycling-Unternehmen. Ob die Prämiensenkungen auch 2011 andauern, ist zweifelhaft, doch Preiserhöhungen sind wegen der vorhandenen Zeichnungskapazitäten und der geringen Schadenquote eher unwahrscheinlich.
Angesichts steigender Schäden in der Kfz-Flottenversicherung hoben die Versicherer die Prämien um bis zu 10 Prozent an. Die Versicherer versuchten, nicht mehr aggressiv Neugeschäft zu zeichnen, sondern die vorhandenen Bestände zu halten. Marsh erwartet, dass sich dieser Trend auch im laufenden Jahr fortsetzen wird.
Der europäische Wettbewerb bleibt intensiv, so die Marsh-Experten. Und solange der Schadentrend nicht deutlich nach oben geht, wird sich der Markt nach Einschätzung des Versicherungsmaklers überwiegend seitwärts bewegen.
Entspannung in der Kreditversicherung
2009 hatten sich Kreditversicherungen angesichts der Krise deutlich verteuert. Doch im Folgejahr hatten die deutschen Kreditversicherer geringe Schadenquoten, und die wirtschaftlichen Perspektiven verbesserten sich im Laufe des Jahres zusehends. Dies ermöglichte Prämiensenkungen, die im Durchschnitt zwischen 10 und 20 Prozent lagen. Angesichts einer geringen Insolvenzquote steigt die Zeichnungskapazität wieder. Auch die Risikoinformationen der Kunden haben sich deutlich verbessert, was zu mehr Vertrauen im Markt geführt hat. Marsh erwartet daher einen anhaltend weichen Markt, von dem die Versicherungskunden profitieren. Obwohl die Kreditversicherung wegen bestehender Vorschriften nur wenig Innovation erlaubt, könnten neue Marktteilnehmer neue Produkte einführen.
D&O wird wieder kompetitiver
Nach einer Seitwärtsbewegung im Markt für Managerhaftpflicht (D&O) 2009 sanken die Prämien im letzten Jahr wieder, dank einiger neuer Anbieter, die zusätzliche Kapazitäten geschaffen haben. Für das laufende Jahr erwartet Marsh zwar eine Erweiterung der Versicherungsbedingungen, aber keine wesentlichen Prämiensenkungen mehr. Multinationale Unternehmen suchen verstärkt internationale Versicherungsprogramme, die den jeweiligen nationalen Regelungen gerecht werden.
Die Berufshaftpflicht blieb, wie bereits in den Vorjahren, stabil. Fallweise waren Prämiensenkungen möglich, vor allem dort, wo neue Berufsfelder wie Beratungsberufe betroffen waren und wo es innovative Produkte gab, etwa für Immobilienkaufleute. Dieser Trend wird sich voraussichtlich zumindest in der ersten Hälfte des Jahres fortsetzen.
Österreichischer Markt geht eigenen Weg
In den letzten Jahren zeigte der österreichische Markt weitgehend dieselben Tendenzen wie der deutsche. 2010 führten jedoch einige Besonderheiten zu abweichenden Trends: Während Versicherungen für die Finanzwirtschaft in Deutschland in der zweiten Jahreshälfte 2010 wieder weicher tendierten, zogen in Österreich die Prämien an. Grund hierfür ist, dass die Branche dort von der Finanzkrise härter getroffen wurde als in Deutschland. In der Folge stiegen auch die Preise für die Managerhaftpflicht (D&O) signifikant. Neue Bestimmungen zur Ärzteversicherung und zu einem stärker lokal geregelten Umweltschutz sorgten ebenfalls für steigende Prämien in diesen Bereichen.
Europaweit weiche Versicherungsmärkte
Intensiver Wettbewerb und hohe Zeichnungskapazitäten verhindern derzeit Preiserhöhungen im europäischen Versicherungsmarkt. Steigende Prämien gibt es derzeit nur dort, wo lokale Schadenverläufe schlecht sind oder wo die Risiken klar steigen. Auch Kfz-Versicherungen blieben im allgemeinen stabil, obwohl einige Regionen die Haftpflichtsummen erhöht haben. Auch für das laufende Jahr 2010 erwartet Marsh stabile Industrieversicherungsprämien in Europa.
Im Zuge der Finanzkrise und der damit zusammenhängenden Schäden zeigten sich immer weniger Versicherer bereit, Kreditversicherungen und Versicherungen für die Finanzwirtschaft anzubieten. Dies führte ab etwa Anfang 2008 zu einer Verknappung und Verteuerung des Versicherungsschutzes in diesen Sparten. Im letzten Halbjahr sind die Prämien europaweit nicht weiter gestiegen, da das Wachstum wiederkommt und die Versicherungsmärkte wieder mehr Kapazitäten erhalten.
Viele europäische Länder ändern ihre Steuerpraxis, um das öffentliche Defizit zu verringern. In Großbritannien und den Niederlanden wird die Versicherungssteuer erhöht, in Bulgarien ist sie erstmalig eingeführt worden. Es wird erwartet, dass die Versicherer diese Erhöhungen an die Kunden weitergeben. Die 2013 kommenden Veränderungen des Versicherungsaufsichtsrechts, die unter dem Begriff Solvency II zusammengefasst werden, sind ein weiterer Grund für eine künftige Verteuerung des Versicherungsschutzes. Die erweiterten Pflichten der Versicherer zu Dokumentation und Transparenz werden zu erhöhten Kosten bei den Versicherern führen und müssen früher oder später von den Märkten getragen werden.
Ausführliche Ergebnisse des Marsh Versicherungsmarkt-Reports EMEA können in englischer Sprache unter www.marsh.de heruntergeladen werden.
[Bildquelle: iStockPhoto]
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