Mit Marcel Fratzscher und Peter Bofinger haben zwei prominente deutsche Ökonomen die Vorschläge des Sachverständigenrats zur Stabilisierung des Euroraums kritisiert, die unter anderem eine Insolvenzregelung für Euro-Staaten und die Möglichkeit des Austritts von Ländern aus dem Euro vorsehen.
Marcel Fratzscher, der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), wertete die in einem Sondergutachten gemachten Vorschläge als Abkehr von der früher vertretenen Linie einer tieferen europäischen Integration. Der Sachverständigenrat lehne die meisten Maßnahmen zur Vertiefung der europäischen Integration ab, auch den eigenen von vor wenigen Jahren für einen Schuldentilgungsfonds und einen europäischen Währungskommissar. Der Glaube, man könne die gemeinsame europäische Haftung reduzieren und wieder stärker nationalisieren, ist unrealistisch", heißt es in einer Stellungnahme Fratzschers.
Die Wirtschaftsweisen fordern in ihrem Sondergutachten die Einrichtung eines Insolvenzmechanismus für Staaten, da nur so die Glaubwürdigkeit der in den EU-Verträgen festgeschriebenen Nicht-Beistandsklausel zu gewährleisten sei. Bei Überschuldung oder grobem Verstoß gegen die Fiskalregeln sollte ein ESM-Anpassungsprogramm demnach nur nach einem Schuldenschnitt für private Gläubiger genehmigt werden.
"Die dauerhaft fehlende Kooperationsbereitschaft eines Mitgliedstaats kann die Stabilität der Währungsunion existenziell bedrohen. Daher muss der Austritt eines Mitgliedstaats aus der Währungsunion als Ultima Ratio möglich sein", heißt es in dem Gutachten.
Die Wirtschaftsweisen reagierten mit ihrem Gutachten auf den vorangegangenen monatelangen Streit zwischen Griechenland und seinen Kreditgebern, der vorläufig mit der Einigung auf Verhandlungen über ein neues Hilfsprogramm endete.
Dass der Sachverständigenrat einen Austrittsmechanismus aus dem Euro fordert, ist laut Fratzscher "höchst gefährlich und kontraproduktiv". "Dieser Vorschlag würde den Euro in nicht viel mehr als ein System fixer Wechselkurse verwandeln. Die spekulativen Attacken auf Länder wie Italien und Spanien im Sommer 2012 haben gezeigt, wie kostspielig und schädlich es ist, wenn Finanzmärkte auf einen möglichen Austritt einzelner Länder spekulieren", warnt der DIW-Präsident.
Kritik kommt auch von Peter Bofinger, der selbst Mitglied des Sachverständigenrats ist und seine abweichende Position am Ende des Gutachtens darlegte. Bofinger befürchtet, das ein Insolvenzmechanismus das Gegenteil des Erwünschten erreicht.
Er argumentiert: "Die Marktteilnehmer müssten davon ausgehen, dass es grundsätzlich zu einer Umstrukturierung von Staatsanleihen kommt, sobald ein Land auf den Kapitalmärkten unter Druck gerät. Somit könnte es schon bei kleineren Störungen zu einem Bond-run kommen, der dann nicht mehr zu stoppen ist. Natürlich könnte wiederum die EZB eingreifen, aber genau das wird von der Mehrheit vehement abgelehnt."