Interview mit TI: Fehlende Tranparenz führt zu höherem Korruptionsrisiko


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Die neue Präsidentin von Transparency International, Sylvia Schenk, hat sich für klare Grenzen und Aufklärung über denkbare Interessenkonflikte beim Sponsoring von Regierungs- und Sportveranstaltungen ausgesprochen. Im Interview nennt die Frankfurter Rechtsanwältin und ehemalige Leichtathletin auch Geldwäsche beim Einkauf reicher Investoren in Fußballklubs als Thema für ihre Arbeit.

Wir Deutsche haben uns immer über andere Länder lustig gemacht, weil dort mit Geld alles zu kaufen war. Nun haben wir selber Skandale: Siemens, VW, Korruptionsfälle in Kommunen wie Köln, München, Frankfurt oder Berlin. Sind wir nun tatsächlich eine Bananenrepublik?

Schenk: Nein, das ganz sicher nicht. Da sieht es in vielen Ländern der Welt viel schlimmer aus. Wir haben eine funktionierende Demokratie, einen Rechtsstaat und freie Presse, um nur die wesentlichen Unterschiede zu einer Bananenrepublik zu nennen. Es war aber eine Illusion zu glauben, Korruption in Deutschland käme nur im Einzelfall vor. Es gibt auch hier, wie die aufgezählten Fälle zeigen, strukturell bedingt Korruption in größerem Umfang.

In welchen Bereichen ist Korruption in den letzten Jahren angestiegen? Wo setzen Sie Schwerpunkte Ihrer Arbeit?

Schenk: Es ist die Frage, ob Korruption die letzten Jahre wirklich angestiegen ist oder nicht vielmehr das öffentliche Bewusstsein und die Aufmerksamkeit für die Problematik gewachsen sind. Schließlich ist es ein Verdienst der Pioniere von Transparency International, dass national und international die Korruptionsbekämpfung auf die Tagesordnung kam, Gesetze verschärft oder neu geschaffen sowie die Ermittlungsbehörden zu verstärktem Vorgehen gegen Korruption angehalten wurden. Das, was Siemens heute insbesondere vorgeworfen wird, nämlich Bestechung im Ausland, war vor rund zehn Jahren in Deutschland noch als «Nützliche Aufwendungen» von der Steuer absetzbar.
Nachdem insofern also bereits viel erreicht wurde, geht es jetzt vor allem um die Arbeit im Detail: Konventionen und Gesetze müssen umgesetzt, mehr Menschen in den Kampf gegen Korruption einbezogen werden. Im Mittelstand zum Beispiel besteht vielfach noch die Vorstellung, das Problem käme nur bei den großen Unternehmen vor. Hier müssen wir weiter Aufklärung betreiben, Möglichkeiten der Prävention aufzeigen. Dabei geht es auch darum, ob Deutschland international ein positives Beispiel setzt und seinen Beitrag zu einer Verbesserung der Situation gerade auch in den armen Ländern leistet. Zudem benötigen wir eine gesellschaftliche Debatte über Werte, Good Governance in Politik, Wirtschaft und anderen Bereichen, aber auch über Zivilcourage.

Sie waren und sind im Sport engagiert. Welche Rolle spielt Korruption in diesem Bereich?

Schenk: Das Thema Sport und Korruption gerät immer mehr in den Blickpunkt. Das hat zum einen mit der Entwicklung von Internet-Wetten zu tun. Manipulationen bei Sportwetten im Fußball, aber wie man gerade hört, auch im Tennis und möglicherweise Handball, werden aus einer Vielzahl von Ländern gemeldet. Geldwäsche ist möglicherweise ein Thema beim Einkauf reicher Investoren unter anderem in große Fußballclubs. Die oftmals fehlende Transparenz bei den Internationalen Sportorganisationen in Verbindung mit immer größeren Geldflüssen aus Fernseh- und Sponsoreneinnahmen führt ebenfalls zu einem erhöhten Risiko der Korruption. Nicht zuletzt der Skandal um die Vergabe der Olympischen Winterspiele 2002 nach Salt Lake City hat dies drastisch vor Augen geführt. Der Sport ist also keineswegs das positive Beispiel, sondern muss sehen, bei der Diskussion um Good Governance nicht immer mehr ins Hintertreffen zu geraten. Dazu gehört dann auch die Frage, ob der Sport die Dopingproblematik in den Griff bekommt. Oft sind mafiöse Strukturen im Hintergrund und durchaus auch Delikte wie Korruption, Geldwäsche und Steuerhinterziehung Begleiterscheinungen, beziehungsweise machen Doping erst möglich.

Für alle gesellschaftlichen Bereiche gilt: Ohne Sponsoring sind heute Parteitage, Kulturevents und Sportereignisse offensichtlich kaum noch machbar. Wie weit darf Sponsoring gehen, wann fängt Korruption an?

Schenk: Das Wesentliche ist immer die Transparenz. Sponsoring sollte offen gelegt werden, damit Interessenkonflikte sichtbar werden. Das gilt für Maßnahmen der Regierung gleichermaßen wie für Sportveranstaltungen und anderes. Bei Transparency Deutschland haben wir gerade eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die dieses Thema von verschiedenen Seiten beleuchtet und Empfehlungen erarbeiten soll. Korruption ist im Übrigen nach der Definition von Transparency «der Missbrauch anvertrauter Macht zum persönlichen Vorteil». Das geht relativ weit. Nicht nur, was strafrechtlich relevant ist, sollte unterbleiben. Interessenkonflikte, die Zweifel an unabhängiger, objektiver Entscheidung auftauchen lassen, fangen oft schon früher an. Die Öffentlichkeit ist hierfür sehr sensibel geworden, es ist im Interesse aller, möglichst klare Grenzen zu ziehen. Nur so lassen sich auch Verhaltensunsicherheiten abbauen. Es darf auch nicht sein, dass aus lauter Angst gar nichts mehr läuft und wir Sponsoring, Kommunikation usw. völlig reduzieren.

Die Fragen stellte Bianka Schreiber-Rietig.

Zur Person: Sylvia Schenk

ylvia Schenk wurde 1952 in Rotenburg (Wümme) geboren und lebt in Frankfurt am Main. Als Leichtathletin nahm sie an den Olympischen Spielen 1972 in München im 800m-Lauf teil. Nach einer Richterinnenlaufbahn war sie von 1989 bis 2001 hauptamtliche Stadträtin in Frankfurt am Main mit den Ressorts Recht, Sport, Frauen und Wohnen. Seit über 30 Jahren hat sie sich ehrenamtlich im Sport engagiert und war u.a. von 2001 bis 2004 Präsidentin des Bundes Deutscher Radfahrer e.V. Im vergangenen Jahr wurde sie zur stellvertretenden Vorsitzenden von Transparency Deutschland gewählt. Sylvia Schenk ist verheiratet und hat eine Tochter.

[Quelle: AP/PR-inside.com/RISIKO MANAGER]


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