Reputations-Risikomanagement

Irrtümer der Krisenkommunikation


Irrtümer der Krisenkommunikation Kolumne

Krisen kommen in der Regel unerwartet und können jedes Unternehmen von heute auf morgen treffen. Dann ist Krisenkommunikation gefragt und es kommt auf die adäquate Reaktion an, auf das richtige Wort und die passende Symbolik an – sonst kann die ohnehin angeschlagene Reputation schnell stark unter Druck geraten und das Unternehmen und die Marke dauerhaft Schaden nehmen, in schweren Fällen sogar der Fortbestand durch eine Markenkrise bedroht sein. Krisenkommunikation hilft dabei, zerstörtes Vertrauen wieder aufzubauen, falsche Informationen und Gerüchte richtigzustellen, weiteren Schaden abzuwenden und das wertvolle Unternehmensimage gerade in Zeiten einer hypersen­si­blen öffentlichen Aufmerksamkeit zu schützen.

Nachfolgend sind die 10 Irrtümer der Krisenkommunikation kompakt zusammengefasst:

1. Irrtum: In jeder Krise ist Dialogbereitschaft das wichtigste

Ein klares Jein. Es geht eher um den richtigen Zeitpunkt. Ein Beispiel: Pressekonferenzen unmittelbar nach einem Krisenfall. Wenn ich auf wesentliche Fragen der Öffentlichkeit noch keine Antworten geben kann – wie es zumeist unmittelbar nach dem Krisenereignis der Fall ist –, dann ist eine rasch zusammengestrickte "transparente" Pressekonferenz häufig der falsche Schritt. Die rasche Klärung der Faktenlage, die Erläuterung der ergriffenen Maßnahmen zur Eindämmung der Krise und die adäquaten Reaktionen gegenüber Betroffenen der Krise sind maßgeblich.

2. Irrtum: Kommunizieren Sie so schnell wie möglich

Hoher Zeitdruck und eine unklare Faktenlage kennzeichnen die meisten Unternehmenskrisen. In dieser Situation wollen nicht nur Medien, sondern auch Mitarbeiter, Kapitalgeber, Geschäftspartner, Lieferanten etc. so rasch wie möglich informiert werden. Diese Situation führt oft zur "Salamitaktik", also zur scheibchenweisen Distribution von Informationen. Das Ergebnis: kommunikatives Durcheinander. Wenn die Öffentlichkeit wie beim verheerenden Großbrand in einem Betrieb des Geflügelfleischproduzenten PHW-Gruppe (bekannt durch die Marke Wiesenhof) am Ostermontag drei Stunden nach Ausbruch des Brandes Bilder vom Flammeninferno in den Medien und auf Youtube registriert und umgehend Anfragen an das Unternehmen stellt, dann sind Aussagen über Lieferfähigkeit, Schadenshöhe, Ursache etc. zu diesem Zeitpunkt schlichtweg nicht möglich. In dieser Situation hilft keine vage Prognose oder ein Schnellschuss. Hier muss vielmehr eine Priorisierung der Kommunikation erfolgen. Heißt: Was kann ich wann zu wem tatsächlich sagen.

3. Irrtum: Soll die Krise doch kommen. Wir haben uns auf alles vorbereitet.

Der Trugschluss schlechthin. Nichts ist so dramatisch wie das Leben. Viele Fälle sind nicht vorgedacht. Krisenhandbücher und die scheinbare Existenz eines Krisenstabes geben eine trügerische Sicherheit. Häufig erlebt: Das Krisenhandbuch ist völlig veraltet. Die Ansprechpartner stimmen nicht mehr. Die kommunikative Infrastruktur stammt aus Zeiten, in denen Social Media noch gar nicht geboren war.

4. Irrtum: Im Social Web kannst du nichts kontrollieren

Auch Social Media folgen klaren Kommunikationsspielregeln. Das, was ich sage, muss auch in der Krise plausibel, klar und präzise sein. Dann werden Social Media in gewisser Weise auch beherrschbar. Beispiel Warenrückrufe in der Lebensmittelwirtschaft: Wenn mangelhafte Produkte im Umlauf sind und zurückgerufen werden müssen, dann raten wir unseren Kunden mit Erfolg dieses auch aktiv in Social Media zu kommunizieren. Die zumeist positiven Reaktionen auf ehrliche Facebook-Posts oder Tweets bei Twitter und die stattfindende Selbstregulierung sind Beleg für die "Steuerbarkeit" von Social Media in Zeiten eines permanenten Erregungszustandes – gerade im Hinblick auf bekannte Marken. Aber auch hier gilt: Finger weg von unüberlegten PR-Schnellschüssen.

5. Irrtum: Die Krisenpäpste verhindern Negativ-Berichte durch ihre guten Kontakte

Krisenpäpste erkennt man zumeist daran, dass die schriftlichen Rettungsanker, die sie einem betroffenen Unternehmen im (medialen) Krisenfall zuwerfen, mindestens 10 Ich-Sätze enthalten. Beispiel: "Ich kenne den Chefredakteur von Medium A persönlich" oder "Ich halte Sie dort aus den Schlagzeilen raus". Das ist absoluter Kokolores. Viel wichtiger wäre es, an externe Berater die Frage zu stellen: Welche Krisen haben sie zuletzt gelöst? Wen können wir dazu kontaktieren? Welche konkrete Expertise bringt Ihr Team mit?

6. Irrtum: Eine Krise kann man nie vorhersehen

Wer sein Markt- und Unternehmensumfeld sehr gut kennt, der kann manche Krisen antizipieren. Es gibt häufig schwache Signale, die auf Krisensituationen hindeuten – gerade bei produktbezogenen Krisen. Branchenkrisen werden häufig an Markführern festgemacht. Insofern kann man sich vorbereiten. Krisen-Check ups, wie sie Engel & Zimmermann bei Unternehmen umsetzt, fördern die sogenannten "Pain Points" zu Tage. Daraus ergeben sich Quellen von Krisen und notwendige Reaktionsmuster. Ergo: Nicht alles Kritische kommt unerwartet.

7. Irrtum: Die Krise ist vorbei – Dann kann es ja weitergehen wie bisher

Nicht immer. Wenn die letzten Rauchschwaden verzogen sind, kehrt häufig Schritt für Schritt der Alltag wieder ein. Allerdings sorgt manchmal "menschliches Versagen" für die Rückkehr der Krise. Beispiel: Nachdem die Produktkrise bei einem unserer Kunden erfolgreich gemanagt wurde, passierte der Redakteurin einer Nachrichtenagentur der Fehler, dass sie eine veraltete Pressemitteilung versehentlich erneut auf den Ticker gab. Die Meldung verbreitete sich umgehend, die Arbeit der Krisenkommunikatoren begann von vorne. Die Falschmeldung musste wieder eingefangen werden. Grundsätzlich bleiben nach einer Krise oft Schock, Verunsicherung, Frustration zurück. Erpressungsfälle, Brandkatastrophen, der überraschende Tod des Firmenchefs hinterlassen oft Wunden, die nachwirken. Danach kommt die Aufgabe der Kommunikation, neue eigene Themen zu setzen.

8. Irrtum: Wer die ersten Stunden gut managst, der ist über den Berg

Das ist definitiv falsch. Nach den ersten Stunden zeichnet sich oftmals erst die Größe der Katastrophe ab und die medialen Tsunamiwellen schwappen am ersten Tag (Online-Berichterstattung), am zweiten (Print, TV, Hörfunk) und manchmal auch am dritten und vierten Tag über die Firma. Wenn es nicht gelingt, die Berichterstattung "einzufangen" und sich die Kommunikation verselbstständigt, dann herrscht in der Regel ein tagelanger Daueralarmzustand.

9. Irrtum: Wichtig sind Medien und Öffentlichkeit. Was interessieren mich jetzt die Mitarbeiter?

Es ist ein Zeichen von Souveränität, Wertschätzung und Klugheit, wenn Mitarbeiter wichtige Informationen zur Krisensituation nicht aus den Medien erfahren. Aber gerade bei öffentlich registrierbaren Krisen wie kilometerweit sichtbaren Großbränden, Durchsuchungsmaßnahmen von Behörden und Polizei auf dem Werksgelände oder unerwarteten Medienberichten zu möglichen Verfehlungen des Unternehmens lässt sich der Kommunikationsgrundsatz "Intern vor Extern" nicht immer durchhalte

10. Irrtum: Krise ist Chefsache: Jedes Statement muss von der Geschäftsführung kommen

Ein echter Mythos. Live-Situationen in Pressekonferenzen sind für viele Unternehmenschefs im Mittelstand häufig Neuland. In diesem Moment zeigt sich oft, wer über das notwendige Talent, über Empathie und über Routine verfügt, um glaubwürdig zu kommunizieren. In der Krise dürfen Egos keine Rolle spielen. Im Zweifelsfall ist deshalb der PR-Chef der bessere Kommunikator.

Autor:

Frank Schroedter, Vorstand der Engel & Zimmermann AG, Gauting bei München

Frank Schroedter, Vorstand der Engel & Zimmermann AG, Gauting bei München

[ Bildquelle Titelbild: Adobe Stock ]
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