Zukunftsorientierte Steuerung

Kann denn Simulieren Sünde sein ...?


Forum Zukunftsorientierte Steuerung: Kann denn Simulieren Sünde sein ...? News

Spitz gesagt: Ja – wenn man es denn lässt. Denn im Grunde ist jede Art von Denken eine Simulation der Welt, in welche der Mensch geworfen wird. Je besser es gelingt, alle Sinneseindrücke zu einem (guten!) Modell der umgebenden Welt zu verdichten, um so nützlicher wird es sich für den erweisen, dem es zu entwerfen gelungen ist. Das Kind entdeckt seine Welt maßgeblich im Spiel. Die Quelle alles Guten, war Fröbel überzeugt, liege im Spiel und gründete 1840 den ersten Kindergarten.

Wie lässt sich hier das für den 4. April 2024, zufällig genau 75 Jahre nach der Gründung der NATO, wieder an der Führungsakademie der Bundeswehr anberaumte 13. Forum Zukunftsorientierte Steuerung gewählte Thema

Strategien durch Preußisches Kriegsspiel und Serious Gaming verbessern

einordnen? 

Die Organisatoren des sektorübergreifenden Forums waren sich, ebenso wie schon die Erfinder von Kriegsspielen vor über 200 Jahren, der Problematik des Begriffs "Kriegsspiel" durchaus bewusst: Obwohl die Erfinder der Regelwerke wussten, dass diese besser nicht mit dem Wort "Spiel" bezeichnet werden sollten, hielten sie an der Benamung früherer Vorläufer fest. Die Innovationskraft einer Neuerung manifestiert sich interessanterweise sprachlich oft darin, dass diese Begriffe nicht in andere Sprachen übersetzt, sondern beibehalten werden. In vielen Sprachen werden die Worte "Kindergarten" noch heute und "Kriegsspiel" für lange Zeit übernommen. Letzteres wird heutzutage allerdings vorzugsweise mit "Wargaming" oder "Serious Gaming" bezeichnet.

Mit Blick auf die vor dem Manfred-Wörner-Zentrum aufgezogenen 32 Flaggen aller NATO-Mitgliedsstaaten rangen Fachleute aus der Wirtschaft, der Wissenschaft und dem Militär in Spiel und Disput um Antworten. Die größten AHA-Effekte stellten sich an den Schnittstellen zwischen diesen Bereichen ein. Alle Teilnehmer lobten am Ende die Umkehrung des etablierten Ablaufs ähnlicher Veranstaltungen. Mit frischen Kräften waren alle Teilnehmer bereits vormittags gefordert, in einem von fünf angebotenen Workshops aktiv zu werden, während die theoretische und praktische Einordnung durch die federführenden Referenten erst am Nachmittag erfolgte. Die Teilnehmer konnten so das Gehörte mit den am Vormittag gemachten Erfahrungen in Beziehung setzen. Die Breite der Vorträge – vom militärhistorischen Kontext und der Mathematik hinter den Spielen bis hin zu praktischen Erfahrungen aus Wirtschaft und Militär – gab einen umfassenden Einblick in die Thematik.

Am Vormittag wurden Workshops aus allen drei Sektoren angeboten: Ob militärhistorisch (Prof. Dr. Wintjes und Frau Henning – Der Krieg von 1866 im Preußischen Kriegsspiel), praxisnah (Prof. Dr. Stoffels und Herr Rudolf – Breitbandausbau; Oberstleutnant i.G. Thiele – Black-out) oder im eher spielerisch-abstrakten Ansatz (Dipl. oec. Zürn – Von Pferden und Quellen), es mussten in allen Szenarien unter Zeitdruck iterativ Problemsituationen erkannt, fehlende Informationen beschafft, Lagen trotz teils klaffender Informationslücken ständig neu bewertet sowie ressourcenschonende Lösungsstrategien erarbeitet und umgesetzt werden. Für den Erfolg der Workshops war weniger entscheidend, ob ein Szenario in der kurzen verfügbaren Zeit bis zu einem Ende durchgespielt und ein Sieger ermittelt werden konnte. Vielmehr erfuhren die Teilnehmer bereits während der Simulation hautnah, wie wichtig klare Entscheidungen, präzise Handlungsanweisungen (Befehle) oder selbst eine gute Handschrift (Zitat eines Teilnehmers: "Das spart Blut!") auch dann sind, wenn Rückschläge oder auch Niederlagen zu verarbeiten sind. Die sektor-übergreifende Zusammensetzung der Workshops führte zu einem regen Austausch, unterschiedliche Erfahrungen und berufliche Sozialisierung bereicherten die Diskussion. Die Teilnehmer erfahren aber ebenso, wie bedeutend für sie ein "safe-to-fail environment" während ihres Simulationslaufs ist: man darf verlieren! – und zwar ohne Nachteile (im Beruf) befürchten zu müssen. Schaut hin und lernt!

Dieses Anliegen verfocht auch Kapitän zur See Wetters vom NATO Centre of Excellence for Operations in Confined and Shallow Waters (CoE CSW) vehement, wenn er in seinem Praxisbeitrag folgende Eckpunkte für Szenarien zum Beüben von Stäben benennt:

  • Verlieren ist Lernen;
  • Reduktion der Komplexität im gewählten Szenario;
  • Keine Bewertung durch das CoE CSW (als Spielleiter und Moderator);
  • Voneinander lernen.

Dass man Erfolg sowohl im Spiel als auch im wahren Leben nicht gänzlich dem Zufall überlassen sollte, wurde auch in weiteren Vorträgen am Nachmittag hervorgehoben. Schließlich gilt es, zielorientiert zu handeln. Dafür braucht es u.a. eine gute Vorstellung des Möglichkeitenraums (Dr. Bewersdorff), aber auch eine Ableitung zielgerichteter Maßnahmen sowie Zeitziele (Dr. Maas), ganz zu schweigen von einer präzisen Kommunikation der Absichten (Prof. Wintjes).

Das Forum Zukunftsorientierte Steuerung bestätigte Schillers Pointe "Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt." Sowohl die Workshops als auch die Vorträge zeigten eindrucksvoll das dem Spiel innewohnende Potenzial auf, unsere Kreativität zu entfesseln und uns gleichzeitig unsere Menschlichkeit bewahren zu lassen.

Auch wenn es dem Kommandeur der Führungsakademie der Bundeswehr, Konteradmiral Kuchler, in diesem Jahr wegen der kurzfristigen Teilnahme an der Bundespressekonferenz, auf der von nichts Geringerem als die dringend notwendige Strukturreform der Bundeswehr zu berichten war, versagt blieb, wie geplant, die Begrüßungsrede zu halten, so bleibt zu hoffen und zu wünschen, dass es ihm 2025 möglich sein wird, das 14. Forum Zukunftsorientierte Steuerung eröffnen zu können. Die künftigen Teilnehmer dürfen schon jetzt gespannt sein, welches packende Thema das engagierte Team um die Veranstalter des Forums Prof. Dr. Größler (Universität Stuttgart), Oberst i.G. Klenz (German Institute for Defence and Strategic Studies – GIDS) und Dr. Spitzner (Spitzner Consulting GmbH) auf die Agenda heben wird.

Autor:

Dr. Rüdiger Eckert

[ Bildquelle Titelbild: Generiert mit AI ]
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