In China bewegt sich derzeit etwas, was viele nicht für möglich gehalten hatten. Jeder weiß, dass Marktwirtschaften und Zentralverwaltungswirtschaften zwei Ordnungen sind, die sich gegenseitig ausschließen. Man kann entweder eine Marktwirtschaft haben oder eine Planwirtschaft, aber nicht beides.
Mit Interesse haben viele daher die Versuche der chinesischen Regierung beobachtet, in den letzten Jahren zunehmend marktwirtschaftliche Elemente in ihre Planwirtschaft einzuführen. Eigentlich konnte das nicht gut gehen. Andererseits erzielte das Land extrem hohe Wachstumsraten und war erfolgreich auf den Weltmärkten. Manch ein Ordnungstheoretiker begann an seiner grundsätzlichen Skepsis zu zweifeln.
Jetzt zeigt sich, dass die Bedenken doch nicht so falsch waren. Erstmals treten in größerem Stil Risse im chinesischen Modell auf. Es passiert nicht zufällig gerade bei der Währung. Sie wird nicht nur von Inländern, sondern auch von Ausländern benutzt. Die Devisenmärkte sind wegen der vielen Teilnehmer und dem hohen Umsatz eine der am besten funktionierenden Märkte überhaupt. Es ist hier daher besonders schwer, das Prinzip Befehl und Gehorsam durchzusetzen und Kapitalströme durch Kontrollen zu steuern.
Erfolg wird nur der haben, der die richtigen marktwirtschaftlichen Anreize setzt, Transparenz über die wirtschafts- und währungspolitischen Ziele schafft und – ganz wichtig – das Vertrauen der in- und ausländischen Anleger gewinnt. Für planwirtschaftlich denkende Politiker ist das schwer. Das sieht der Markt und ist nervös.
Schauen wir uns das beim Renminbi an. Er gehörte über viele Jahre zu den stärksten Währungen der Welt. Jetzt dreht sich das Blatt. Der Wechselkurs hat sich nach einer langen Phase der Aufwertung in den letzten zwei Jahren gegenüber dem US-Dollar um fast 10 Prozent verringert. Der Hauptteil der Abwertung entfiel dabei auf die letzten sechs Monate.
Manche vermuten, die Abwertung signalisiere Probleme der Wettbewerbsfähigkeit. Dank steigender Löhne seien viele Unternehmen nicht mehr in der Lage, auf den globalen Märkten mitzuhalten. Das ist aber nicht richtig. Denn China hat einen Leistungsbilanzüberschuss, der zuletzt sogar noch gestiegen ist. Das Land verdient durch seine Exporte mehr Devisen, als es für die Einfuhren aus dem Ausland zahlen muss. Im Gesamtjahr 2016 belief sich der Saldo auf USD 350 Mrd. beziehungsweise drei Prozent des Sozialprodukts.
Andere unterstellen, die Abwertung des Renminbis sei ein Währungskrieg. China wolle seine Position zugunsten seiner Handelspartner, vor allem der USA verbessern. Das wäre die berühmte "Beggarthy-Neighbour-Policy" (= Politik auf Kosten der anderen). Auch das ist nicht korrekt. Denn dann dürften Währungsreserven der Zentralbank nicht fallen. Sie müssten vielmehr steigen, weil die Notenbank dann ihre eigene Währung auf den Devisenmärkten anbieten und dafür Dollar kaufen müsste. Tatsächlich haben sich Pekings Währungsreserven im Januar noch einmal um über USD 100 Mrd. verringert. Im gesamten vorigen Jahr gingen sie um mehr als USD 600 Mrd. zurück.
Vertrauen tief im Keller [Kapitalbewegungen in China des BIP, Quelle: IWF, eigene Schätzung]
Wenn ich mir die Zahlen der chinesischen Zahlungsbilanz anschaue, dann gibt es nur eine Erklärung für den schwachen Renminbi: Das sind die Kapitalbewegungen. Wie bei allen schwachen Währungen dieser Welt haben in- und ausländische Anleger das Vertrauen in die chinesische Währung verloren. Inländer versuchen, ihr Geld ins Ausland zu bringen. Ausländer gehen Short und setzen darauf, dass sie sich später billiger mit Renminbi eindecken können. Das ist Marktwirtschaft pur und für Vertreter einer Planwirtschaft schwer zu verstehen (und noch schwerer zu steuern).
Es ist symptomatisch, dass China im Januar seine Importe aus Hongkong um fast 120 Prozent (das ist kein Schreibfehler) gesteigert hat, obwohl die gesamten Einfuhren des Landes zurückgegangen sind. Hier haben Importeure offenbar durch überhöhte Rechnungen Geld ins Ausland geschafft und damit die bestehenden Kapitalverkehrskontrollen umgangen.
Leider gibt es in China keine offiziellen Statistiken zum Kapitalverkehr. Um trotzdem eine Vorstellung von der Entwicklung zu bekommen, habe ich sie aufgrund der Leistungsbilanz und der Währungsreserven geschätzt. Das Ergebnis finden Sie in der Grafik. Sie zeigt, wie sich der Kapitalverkehr in den letzten Jahren verändert hat. Lange Zeit war der Saldo positiv. Es strömte mehr Geld ins Land, als durch die Leistungsbilanz verdient wurde. Das war die Zeit des großen China-Booms. Das chinesische Modell schien zu funktionieren. Seit zwei Jahren ist der Lack ab. Investoren sind zunehmend skeptisch. Es fließt mehr Geld ab.
Die Unsicherheit, die von der chinesischen Währung ausgeht, ist ein grundsätzliches Problem. Sie wird noch eine Weile erhalten bleiben und die Börsen in China und weltweit belasten. Die beste Methode, die Kapitalflucht zu bremsen und Vertrauen wieder herzustellen ist eine Aufwertung des Wechselkurses. Niemand verlässt eine Währung, die im Zeitablauf an Wert gewinnt. Ich vermute daher, dass die Zentralbank in Peking noch stärker intervenieren wird als in der Vergangenheit. Geld dazu hat sie angesichts der enormen Währungsreserven genug. Im Übrigen wird die Regierung Reformen auch in der Realwirtschaft durchführen, damit die Menschen an das Modell glauben und ihr Geld im Inland lassen. Davon können auch Sie profitieren. Schreiben sie China also nicht ab. Die dortigen Märkte sind im Übrigen zu groß, als dass sie in einem globalen Portfolio fehlen dürften.
Autor:
Dr. Martin W. Hüfner, Chief Economist, Assenagon Asset Management S.A.