Die rasante Entwicklung der Künstlichen Intelligenz verändert viele Bereiche unseres Lebens grundlegend. Im Kontext der Arbeitswelt wird diese Technologie oftmals als janusköpfig betrachtet: Einerseits bietet sie das Potenzial, Effizienz und Produktivität zu steigern, Innovationen zu schaffen und menschliche Arbeit durch die Automatisierung repetitiver Aufgaben zu verbessern. Andererseits werden aber Bedenken hinsichtlich der Arbeitsplatzsicherheit, des Datenschutzes und der ethischen Implikationen laut. Eine bislang wenig beantwortete Frage ist, ob KI generell die Art verändern wird, wie Menschen zusammenarbeiten. Diese Frage hat uns besonders interessiert, weil InKonstellation Menschen, Unternehmen sowie Organisationen entwickelt und sie in Veränderungsprozessen begleitet. Wie sehen also Beschäftigte in Deutschland künftige Veränderungen der Arbeitskultur durch KI?
Dazu hat das Marktforschungsinstitut Bilendi im Auftrag von InKonstellation im Mai 1.051 Beschäftigte befragt. Grundsätzlich sehen die Teilnehmenden in der Künstlichen Intelligenz eher Chancen (55%) als Risiken (45%). Das größte KI-Risiko verorten die Befragten in der Politik. Den "Einsatz von gefakten Statements oder Bildern in der politischen Auseinandersetzung" halten 70% für ein KI-Risiko, die Sicherheit (etwa beim autonomen Fahren oder in militärischen Anwendungen) sehen 64% und den Datenschutz 58% als Risiko. Den medial stark diskutierten möglichen Verlust von Arbeitsplätzen sehen nur 50% als KI-Risiko. Den eigenen Job durch KI bedroht sehen sogar nur 10%.
Massive Veränderungen der Arbeitswelt
54% glauben, dass sich die Arbeitswelt in den kommenden Jahren unter dem Einfluss von KI deutlich verändern wird. Die drei Faktoren mit den höchsten Zustimmungsanteilen sind hier Automatisierung, Effizienz und Produktivitätssteigerung (69%), Veränderungen in Arbeitsrollen und Fähigkeiten: Automatisierung von Routineaufgaben (63%) und Stärkere Überwachung und Steuerung von Mitarbeitenden (61%). Eine Mehrheit rechnet ebenfalls damit, dass die virtuelle Zusammenarbeit über Sprachgrenzen hinweg stark zunimmt (57%), sich Arbeitsrollen und Kompetenzen verändern (54%) sowie die Notwendigkeit lebenslangen Lernens zunimmt (52%).
Menschliche Zusammenarbeit und KI
Durch die "Kollegin KI" kommt für Menschen ein zusätzlicher Faktor der Zusammenarbeit ins Spiel. Inwiefern rechnen die Beschäftigten damit, dass dieser Faktor die menschliche Zusammenarbeit insgesamt verändern wird? 42% rechnen mit einer sehr starken oder starken Veränderung. Auffallend ist der große Anteil derjenigen, die einer unentschiedenen Position in dieser Hinsicht zuneigen (46%). Nur eine kleine Minderheit von 12% ist sich mehr oder weniger sicher, dass KI die menschliche Zusammenarbeit nicht oder kaum verändern wird.
Schrumpfende Kommunikationsfähigkeiten
Wie wird KI einzelne Aspekte der Zusammenarbeit verändern? Dazu haben wir den Befragten eine Reihe von Gegensatzpaaren zu bestimmten Themen der menschlichen Zusammenarbeit präsentiert. Die Teilnehmenden mussten sich dann für eines der jeweils negativen oder positiven Szenarien entscheiden. Es zeigt sich, dass die Mehrheit der Beschäftigten bei der menschlichen Zusammenarbeit eher KI-Risiken als Chancen sieht. Dazu einige Beispiele:
- Kommunikation: 62% stimmen dem Statement zu "Kommunikation verschlechtert sich – zunehmende Einsatz von KI gestützter Kommunikation führt zu Verlust von persönlichem Kontakt." Das positivere Szenario "Kommunikation wird verbessert, weil die KI die Menschen von Routineaufgaben entlastet" kommt auf 38% Zustimmung.
- Kommunikationsfähigkeiten: 56% gehen davon aus, dass KI "die Kommunikationsfähigkeiten schrumpfen" lässt. 44% meinen, KI ermöglicht besseres Lernen – auch bei den kommunikativen Fähigkeiten.
- Menschliche Zusammenarbeit: 63% rechnen damit, dass die "zwischenmenschliche Zusammenarbeit" insgesamt schwerer wird. 37%, dass sie leichter wird.
Transformation in der Führungspraxis
Beim Thema Führung erwartet die Mehrheit der Beschäftigten einschneidende Veränderungen. So gehen 55% davon aus, dass virtuelle Führung zunehmen wird, 52% rechnen damit, dass Entscheidungen zum moralisch verantwortbaren Einsatz von KI zur Führungsaufgabe werden. Immerhin 45% glauben, dass sich Führung stärker "in Richtung Coaching, Kulturarbeit und Strategie" verändern wird. Die eigene Führungskraft auf die KI-Veränderungen "gut" oder "sehr gut" vorbereitet sehen nur 21%.
Mensch-Maschine-Vorsprung
Die Studie zeigt: Die Durchdringung der Arbeitswelt mit Künstlicher Intelligenz wird zu einem gewaltigen Transformationsprozess, den Menschen aktiv gestalten müssen und können. Noch haben Menschen einen großen Vorsprung im Vergleich zur KI, weil sie nicht maschinenhaft fehlerfrei, sondern menschlich denken und handeln. Bedingungen und Möglichkeiten menschlichen Handelns in sozialen Systemen wahrzunehmen, zu verstehen und in gemeinsames Handeln zu überführen, gehört zu diesem Vorsprung. Es ist aus meiner Sicht des systemischen Coaches und Coachingausbilders eine gute Idee, diesen Vorsprung jetzt auszubauen.
Autor:
Timo Schlage ist Gründer und Geschäftsführer von InKonstellation. Das Unternehmen hat bislang 3.000 systemische Coaches ausgebildet. InKonstellation ist damit die Nr. 1 für systemische Coachingausbildungen in Deutschland. Das Unternehmen entwickelt Menschen sowie Organisationen und begleitet sie bei Wachstum und Veränderung. InKonstellation entwickelt das eigene Programm kontinuierlich weiter – durch systematische Evaluation nach jedem Ausbildungsmodul, aber auch durch Studien wie diejenige zu den Auswirkungen der Künstlichen Intelligenz auf die Arbeitskultur.