In den nächsten 55 Jahren könnten 100 Millionen Menschen klimabedingt ihre Heimat verlieren – das entspricht beinahe der heutigen Bevölkerung von Mexiko. Bewohner von Küstenregionen, immerhin ein Viertel der Weltbevölkerung, werden besonders hart vom Klimawandel betroffen sein. Der wirtschaftliche Schaden wird sich alle zwölf Jahre verdoppeln. Das sind einige der Erkenntnisse in dem neuen Bericht „Adaptation and Vulnerability to Climate Change: The Role of the Finance Sector“ (Anpassung und Verwundbarkeit durch Klimawandel: Die Rolle der Finanzwirtschaft), den das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) gemeinsam mit 15 führenden Finanzunternehmen vorgestellt hat.
Zwölf der 16 größten Städte der Erde liegen am Meer
Die Mitglieder der UNEP Finanzinitiative (UNEP FI) treten für ein gemeinsames Handeln von Politik und Privatwirtschaft ein, um sich auf die Folgen des Klimawandels vorzubereiten. Ihre drei Kernthemen sind Anpassung an die Klimaveränderung, Katastrophenmanagement und nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung. „Selbst wenn die Treibhausgase heute noch deutlich reduziert würden, könnte man den Unterschied erst 2040 spüren“, erklärt Olaf Novak, der das Referat „Naturkatastrophen“ bei der Allianz Rückversicherung leitet. „Die Erdtemperatur wird auf jeden Fall um mindestens 0,6 Grad Celsius ansteigen. Wenn wir nichts unternehmen, könnte es noch viel mehr sein.“ Neue Untersuchungen lassen vermuten, dass die Erde um 50 Prozent stärker auf die Emissionen reagiert als bisher angenommen. Küstenstädte werden auf jeden Fall betroffen sein – und zwölf der 16 größten Städte der Erde liegen am Meer und wachsen noch. „Bei manchen Küstenstädten muss man sich ernsthaft fragen: Lohnt es sich, gegen den ansteigenden Meeresspiegel zu kämpfen, oder wäre es nicht sinnvoller, sich zurückzuziehen?“, fragt Novak. „New Orleans, das heute weit weniger Einwohner hat als vor dem Wirbelsturm 'Katrina', könnte da ein erster Vorläufer sein.“
Belastung durch klimabedingte Großschäden nimmt jährlich um sechs Prozent zu
Im wesentlichen dürfte der Klimawandel in den wohlhabenden Ländern vor allem ein wirtschaftliches Problem sein - und beileibe kein kleines. Mit der Temperatur steigt auch das Risiko für Naturkatastrophen - um fünf Prozent pro Jahr, so schätzen die Autoren des Berichts. Demzufolge nimmt die Belastung durch klimabedingte Großschäden jährlich um sechs Prozent zu, was eine Verdoppelung in zwölf Jahren bedeutet. Um 2040 könnten das in einem Rekordjahr mehr als eine Billion US-Dollar sein.
Wenn die UNO ihre Millenniums-Ziele erreichen will – beispielsweise, Armut und Hunger weltweit bis 2015 zu halbieren – dann muss sie sich auf das Thema „Klima“ einstellen. „Der Tsunami vor fast zwei Jahren war nur ein Vorgeschmack darauf, was die Natur dort anrichten kann, wo niemand auf eine Katastrophe vorbereitet ist“, sagt Novak. „Selbst in entwickelten Ländern ist die staatliche Katastrophenhilfe zu langsam und reagiert erst im Nachhinein - das hat 'Katrina' anschaulich gezeigt.“ Daher sollten Infrastruktur und Wirtschaft in gefährdeten Regionen jetzt schon an die Zukunft angepasst werden. Beispiele dafür sind Mikroversicherungen sowie Wetterderivate in Asien oder Afrika, um auch die Bevölkerung ärmerer Regionen finanziell vor Katastrophen abzusichern. In vielen Fällen kann ein „Alternative Risk Transfer“ Risiken abdecken, die sich traditionell nicht versichern lassen.