Laut einer Studie der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg verursachen wirtschaftskriminelle Handlungen in deutschen Unternehmen einen durchschnittlichen Schaden von rund 8,4 Mio. Euro. Im Jahr 2009 hatte die der entsprechende Vergleichswert noch 5, 6 Mio. Euro betragen. Insgesamt meldete gut die Hälfte der rund 830 befragten Unternehmen, in den vergangenen zwei Jahren mindestens einmal Opfer von Unterschlagung, Korruption, Industriespionage oder anderen Wirtschaftsdelikten geworden zu sein. In der vorangegangen Studie aus dem Jahr 2009 traf dies noch auf 61 Prozent der Befragten zu. 32 Prozent der Unternehmen berichten dabei über mindestens einen Fall von Betrug, Unterschlagung oder ähnlichen Delikten. Bei der Befragung im Jahr 2009 lag der Wert noch bei 42 Prozent. Auch der Diebstahl vertraulicher Kunden- oder Unternehmensdaten wird im Jahr 2011 mit 12 Prozent deutlich seltener genannt. Zwei Jahre zuvor hatten noch 21 Prozent der Befragten einen derartigen Fall zu vermelden.
Nicht bezifferbar, aber mutmaßlich meist bedeutend höher als die direkten Schäden, sind mittlerweile die indirekten Folgekosten der Straftaten: So berichteten 50 Prozent der befragten Unternehmen über eine spürbare Beeinträchtigung ihrer Geschäftsbeziehungen. 41 Prozent nennen einen "gravierenden" oder zumindest "mittelschweren" Ansehensverlust als Folge wirtschaftskrimineller Handlungen, im Jahr 2007 waren dies nur 27 Prozent. Zu Beginn der Studienreihe im Jahr 2001 berichteten sogar nur zehn Prozent über derartige Reputationsschäden. Des Weiteren registrierten zwölf Prozent der börsennotierten Unternehmen nach Bekanntwerden einer Straftat einen merklichen Rückgang ihres Aktienkurses.
Erstmals wurden für die Studie nicht nur eindeutige Fälle von Wirtschaftskriminalität erhoben, sondern auch konkrete Verdachtsfälle. "Wenn man über die entdeckten Straftaten hinaus auch das Dunkelfeld der Delikte zu erhellen versucht, die von Unternehmen lediglich vermutet wurden, steigt der Anteil der von Kriminalität betroffenen Unternehmen deutlich: Statt der 52 Prozent, die über entdeckte Fälle berichten, sind bei einer Berücksichtigung der Verdachtsfälle in den Jahren von 2009 bis 2011 dann 73 Prozent betroffen", so Prof. Dr. Kai Bussmann von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.
Abb. 1: Entwicklung der Wirtschaftskriminalität [Quelle: PwC]
52 % der befragten Unternehmen haben Compliance-Programm eingerichtet
Als Reaktion auf die steigende Bedeutung der Wirtschaftskriminalität haben 52 Prozent der Unternehmen mittlerweile ein Compliance-Programm eingerichtet, das wirtschaftskriminellen Handlungen vorbeugen soll. Vor zwei Jahren hatte dieser Anteil erst 44 Prozent gelegen. "In deutschen Unternehmen setzt sich allmählich die Erkenntnis durch, dass sich Straftaten nur mit einer Kombination aus Prävention und Kontrollen verhindern lassen. Auch bei den Befragten, die noch kein Compliance-Programm haben, schwinden die Vorbehalte gegenüber einer Einführung", erläutert Claudia Nestler, Partnerin im Bereich Forensic Services von PwC. Noch vor zwei Jahren ging über die Hälfte der Befragten, die kein Compliance-Programm installiert hatten, davon aus, dass der Aufwand den Nutzen nicht rechtfertige. Inzwischen sehen das nur noch 43 Prozent von ihnen so. Noch breiter akzeptiert sind Antikorruptionsprogramme, die mittlerweile in 59 Prozent der Unternehmen implementiert sind.
Trotz aktiverer Vorbeugung liegt der Anteil der nachweislich von Korruption betroffenen Befragten mit zwölf Prozent auf dem Niveau der Vorjahre. "Die Schädigung durch Schmiergeldzahlungen oder sonstige Bestechung fällt vermutlich noch höher aus. Gut jedes vierte Unternehmen ist davon überzeugt, aufgrund illegaler Einflussnahme von Wettbewerbern mindestens einmal bei einer Ausschreibung in Deutschland nicht zum Zuge gekommen zu sein", kommentiert Steffen Salvenmoser. Der Anteil der Befragten, die sich bei Vergabeverhandlungen mit der Forderung nach Bestechungsgeld oder ähnlichen Gegenleistungen konfrontiert sahen, hat seit der Umfrage von 2007 sogar von 15 Prozent auf 17 Prozent zugenommen.
Allerdings hat die Studie auch gezeigt, dass Wirtschaftsstraftaten noch immer am häufigsten durch Zufälle aufgedeckt werden, etwa durch externe und interne Tippgeber. Das zeigt, dass die Präventionsprogramme noch nicht effizient genug arbeiten.
Abb. 2: Verbreitung von Compliance-Programmen in ausgewählten Branchen
[Bildquelle und Copyright: Frank Romeike/RiskNET GmbH]
Kommentare zu diesem Beitrag
+++ Studie: Finanzielle Risiken durch Compliance-Verstöße nehmen zu +++
Laut einer aktuellen Studie der Kanzlei Hogan Lovells, für die überwiegend in England ansässige Unternehmen befragt wurden, nehmen Compliance- und Bestechungsthemen im Tagesgeschäft zunehmend mehr Raum ein und erfordern oftmals die Einbindung der Geschäftsführung. 53 % der Unternehmensjuristen stellen demzufolge einen erhöhten Bedarf an Rechtsberatung fest. Als Hauptursache dafür wurde u.a. die Einführung des UK Bribery Act genannt. 46 % geben zudem an, dass bei ihnen vor allem internationale Rechtsstreitigkeiten ansteigen. Die größten Herausforderungen für Rechtsabteilungen sind dabei die unterschiedlichen Rechtssysteme, sprachliche Hürden und die Schwierigkeit, den richtigen externen Rechtsberater zu finden.
"Wenn es zu internationalen Rechtsstreitigkeiten kommt, sind diese aufgrund strengerer und häufig strafbewehrter regulatorischer Vorgaben oftmals sehr komplex. Angesichts des gestiegenen Kostendrucks sind Unternehmen an einer schnellen Beilegung interessiert", weiß Dr. Detlef Haß von Hogan Lovells. Auf Nachfrage, mit welchen Ländern ihre Erfahrungen bei Rechtsstreitigkeiten am schwierigsten gewesen seien, nannten die meisten Befragten neben Großbritannien Italien, gefolgt von Frankreich, Indien, China und dem Nahen Osten. Bedarf an Expertise ist insbesondere im Handels- und Vertragsrecht, öffentlichen Wirtschaftsrecht sowie in den Bereichen Betrug und Bestechung zu erkennen. Beinahe ein Fünftel der Unternehmen gibt mehr als 70 % seines Rechtsbudgets für Streitbeilegung aus. 28 % der Befragten meinen, dass die Ausgaben für Rechtsberatung in den letzten 12 Monaten zugenommen haben.
Wenn ein Unternehmen mit Compliance-Verstößen oder Korruptionsthemen in Verbindung gebracht wird, kann dies ein erhebliches finanzielles Risiko sowie einen Verlust des Ansehens bewirken, ganz zu schweigen von der persönlichen Belastung einzelner. Großbritannien hat nun mit dem UK Bribery Act eines der strengsten Antikorruptionsgesetze weltweit, das auch für deutsche Unternehmen leicht praktische Bedeutung hat. Es gibt bereits zu diesem frühen Zeitpunkt ernsthafte Bestrebungen, die Durchsetzungsbilanz zu verbessern.