Corporate Governance rückt immer dann in die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit und der Medien, wenn sie nicht funktioniert. Der Hypo-Alpe-Adria-Skandal, die Finanzkrise oder der VW-Dieselskandal lassen den Ruf nach mehr Regeln für ein funktionierendes Überwachungssystem im Unternehmen schnell laut werden. Aber sind immer mehr Regeln und Gesetze – wie zum Beispiel eine zusätzliche Berichtslinie der Internen Revision an den Aufsichtsrat – die Lösung? Nicht unbedingt, sagt Anne d’Arcy, Leiterin des Instituts für Corporate Governance an der Wirtschaftsuniversität Wien. Wenn diese Regeln ungewollt neue Möglichkeiten der Einflussnahme hervorrufen, können sie dem angestrebten Ziel der Objektivitätssteigerung der Internen Revision entgegenwirken. Die Wissenschaftlerin untersuchte gemeinsam mit ihrem Team, wie sich mehrere Berichtslinien auf die Bewertungen der Internen Revision auswirken. "Im internen Überwachungs- und Kontrollsystem eines Unternehmens nehmen die Internen RevisorInnen eine wichtige Rolle ein", erklärt d’Arcy. "Die Interne Revision unterstützt die Geschäftsführung in ihrer Kontroll-, Steuerungs- und Lenkungsfunktion, indem sie unternehmensinterne Prozesse auf Effektivität und Effizienz überprüft. Umso wichtiger ist dabei die Objektivität."
Kommunikation entscheidend
Für die Studie ging d’Arcy in ein Deutsches sowie ein Schweizer börsennotiertes Unternehmen. Über 70 RevisorInnen nahmen an den zwei Experimenten teil. In zwei Gruppen geteilt hatten die TeilnehmerInnen für den Konzern realistische Kontrollprozesse zu beurteilen und vermeintlich überflüssige Kontrollen zu streichen. Eine Gruppe wurde vorab von der Leitung an das Ziel des Managements erinnert, Kosten zu sparen. Die zweite Gruppe wurde darauf hingewiesen, dass der Aufsichts- beziehungsweise Verwaltungsrat besonderen Wert auf ein effektives Kontrollsystem lege. Die Ergebnisse zeigten: Tatsächlich strichen die Internen RevisorInnen mehr Kontrollen, wenn ihr/e Vorgesetzte/r sie kurz vorher an das Kostensparprogramm des Managements erinnerte. Dabei spielte es keine Rolle, ob dies verbal oder per E-Mail kommuniziert wurde. "Dieser Effekt ist dann besonders ausgeprägt, wenn die zu beurteilenden Prozesse besonders umfangreich und komplex waren. Die Diskussionen im Anschluss des Experiments wiesen darauf hin, dass das Entscheidungsverhalten unbewusst angepasst wurde", so die Studienautorin.
Mehr Regeln keine Lösung
Im Rahmen der Unternehmensüberwachung und Corporate Governance wird an vielen Stellen Unabhängigkeit und Objektivität gefordert. Dennoch: Die Experimente machen deutlich, dass bei Zielkonflikten eine solche Objektivität nicht immer sichergestellt werden kann. "Unsere Ergebnisse illustrieren eindrücklich, wie ausschlaggebend der ‚tone from the top‘, also die gezielte Kommunikation der gewünschten Strategie Entscheidungsverhalten beeinflussen kann", so d’Arcy,
"Standardsetzer und Gesetzgeber sollten sich bewusst sein, dass eine neue zusätzliche Berichtslinie, also beispielsweise die von Internen RevisorInnen zum Aufsichtsrat, Zielkonflikte hervorruft. Damit können neben den erwünschten Wirkungen auch unerwünschte Nebeneffekte entstehen.
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