Deutschland kann nach Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) dieses Jahr unverändert mit einem Wachstum von rund 1,5 Prozent rechnen, doch diese gute Konjunktur ist nach der Überzeugung der Kölner Ökonomen "nur oberflächlich robust". Kommendes Jahr würden dann angesichts schlechterer Wirtschaftsaussichten nur noch gut 1,25 Prozent erwartet.
Ihre entsprechende Warnung gaben die arbeitgebernahen Volkswirte in ihrer jüngsten Konjunkturprognose ab, der eine Umfrage bei Unternehmen zugrunde liegt. "Die konjunkturellen Probleme in den Schwellenländern und steigende Energiepreise drohen das Wachstum abzubremsen", mahnten die Wissenschaftler darin.
Auf den ersten Blick gehe es der deutschen Wirtschaft zwar "ganz gut". Die Deutschen könnten derzeit viel Geld ausgeben, sehr zur Freude der Wirtschaft. Der starke Arbeitsmarkt, niedrige Energiepreise und Zinsen steigerten den Konsum. Zudem wird der Staat nach den Berechnungen des IW vor allem für die Unterbringung und Integration der Flüchtlinge bis 2017 rund 50 Milliarden Euro ausgeben. Die Zahl der Erwerbstätigen steige in dieser Zeit auf einen neuen Rekordwert von 43,8 Millionen.
Das positive Bild zeigt sich auch in der Umfrage, für die das IW gut 3.000 Unternehmen befragt hat. Annähernd 40 Prozent der Firmen erwarten demnach für das laufende Jahr einen Produktionsanstieg und rund 15 Prozent einen Rückgang. Damit habe sich das Bild seit dem vergangenen Herbst kaum verändert.
Exportmotor in Deutschland springt nicht an
"Dennoch verdüstern sich die wirtschaftlichen Aussichten", warnten die Ökonomen. So schwächele der traditionell starke deutsche Export, auch aufgrund der unsicheren Lage in vielen Schwellenländern. Zudem stiegen die Lohnstückkosten in der Industrie, und die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen nehme deshalb ab.
Insgesamt würden die deutschen Exporte 2016 nur um rund 2,25 Prozent zulegen, deutlich weniger als in den Vorjahren. 2017 wird dann eine Steigerung um rund 3,0 Prozent erwartet. Für die Importe rechnet das IW aber mit einem Plus von rund 3,25 Prozent dieses und 4,0 Prozent nächstes Jahr.
Laut seiner Konjunkturumfrage erwarteten lediglich 27 Prozent der befragten Firmen steigende Ausfuhren in diesem Jahr, 15 Prozent rechneten mit einem Rückgang, erklärte das IW. "Vor allem der Anteil der Pessimisten ist seit dem Herbst 2015 gestiegen", erklärte das Institut. Auch im kommenden Jahr springe der Exportmotor nicht richtig an. Zudem dürften sich positive Effekte wie der niedrige Ölpreis abschwächen. Dadurch sinkt das Wirtschaftswachstum 2017.
Um die Wirtschaft zu stärken, rieten die IW-Konjunkturforscher der Politik zur "Vorsicht". Industrie und Bürger dürfen nicht noch weiter finanziell belastet werden, für aus ihrer Sicht "teure Wahlgeschenke" wie die Lebensleistungsrente sahen die Ökonomen keinen Spielraum. Die öffentlichen Haushalte dürften zudem keine neuen Schulden machen. "Die komfortable Budgetsituation könnte schneller vorbei sein als viele denken, sollten sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verschlechtern", warnte IW-Direktor Michael Hüther.
BDI pessimistischer für die deutsche Wirtschaft
Parallel hat auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) seine Wachstumserwartung für dieses Jahr "angesichts wachsender Unsicherheit und wegen des weltweit zögerlichen Wirtschaftswachstums" nach unten korrigiert. Wie BDI-Präsident Ulrich Grillo nach Angaben des Verbandes auf der Hannover Messe erklärte, rechnet der BDI damit, dass die Wirtschaft in diesem Jahr "um 1,5 bis knapp zwei Prozent" wachsen wird.
"Die deutsche Industrie spürt das Mehr von Konflikten, Risiken und Wachstumsschwächen heftiger als andere Wirtschaften", sagte Grillo demnach. Bisher habe der BDI ein Wachstum von knapp zwei Prozent erwartet.
Immer noch günstige Ölpreise, historisch niedrige Zinsen und ein unterm Strich zu schwacher Euro seien die Ursache des derzeitigen Wachstumstrends. "Aktuell wird unser Aufschwung vor allem vom starken Konsum angetrieben", erklärte Grillo. "Wenn diese externen Faktoren nicht mehr wirken, kann unser Konjunktur-Kartenhaus in sich zusammenfallen."
Der BDI-Präsident forderte die Bundesregierung dazu auf, die Wirtschaftspolitik trotz großer Herausforderungen durch die Flüchtlingssituation wieder stärker in den Fokus zu nehmen. Sie habe es in den vergangenen Jahren versäumt, Deutschland "wetterfest" zu machen, etwa durch "unsinnige Entscheidungen" in der Renten- und Sozialpolitik, eine in den Augen des BDI ineffiziente Energie- und Klimapolitik und das Fehlen einer "fairen, klaren und praxisnahen Lösung" bei der Erbschaftsteuer. Der Investitionsbedarf in den Infrastrukturen sei "gewaltig", warnte Grillo zudem.
Ifo-Geschäftsklima trübt sich überraschend ein
Außerdem forderte er, der politische Rahmen für ein unterschriftsreifes TTIP-Freihandelsabkommen der EU mit den USA solle bis Ende des Jahres stehen.
Auch die Stimmung in den Chefetagen der deutschen Wirtschaft hat sich im April überraschend eingetrübt. Der ifo-Geschäftsklimaindex sank auf 106,6 von 106,7 Punkten im Vormonat, obwohl ein Anstieg erwartet worden war. Die Unternehmen waren laut dem Münchener Institut etwas weniger zufrieden mit ihrer aktuellen Geschäftslage. Allerdings hellten sich laut der Umfrage ihre Erwartungen weiter auf.