Nach Erkenntnissen der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) stehen deutsche Familienunternehmen vor einem gravierenden Wandel. Denn nur jedes dritte Unternehmen soll nach dem Rückzug der gegenwärtigen Eigentümergeneration im Familienbesitz bleiben, wie aus einer von PwC vorgestellten Studie „Familienunternehmen Deutschland 2006“ hervor geht. „Dieser Wandel wird für den gesamten Wirtschaftsstandort Deutschland weit reichende Folgen haben. Denn Familienunternehmen stellen derzeit über zwei Drittel aller Arbeitsplätze und steuern mehr als die Hälfte zur deutschen Bruttowerschöpfung bei“, betont Professor Norbert Winkeljohann, Mitglied des PwC-Vorstands und Leiter des Bereichs Mittelstand.
Die Studie zeigt eine Reihe von Problemfeldern auf, die Familienunternehmen meistern müssen, um ihre Bedeutung auch weiterhin beibehalten zu können. Besonders ungelöste familiäre Auseinandersetzungen über Unternehmensstrategie, Managementbeteiligung und Gewinnverwendung bedrohen die Unternehmensnachfolge. Zudem sehen sich deutsche Unternehmen im europäischen Vergleich besonders häufig mit Finanzierungsproblemen konfrontiert.
Konfliktmanagement zu schwach ausgeprägt
Die besonderen Führungs- und Gesellschafterkonstellationen in Familienunternehmen führen häufig zu Diskussionsbedarf, den es in dieser Form in anderen Unternehmen nicht gibt. Streitpunkte sind die Unternehmensstrategie, die Gewinnverwendung und Ansprüche der Familienmitglieder auf eine aktive Beteiligung an der Unternehmensgestaltung. Jeder dieser Aspekte wurde von 29 Prozent der Befragten als Konfliktgrund genannt. Über die Rolle angeheirateter Familienmitglieder gibt es immerhin in 15 Prozent der Unternehmen Auseinandersetzungen. „Viele Familienunternehmen sind hinsichtlich ihrer Corporate-Governance-Strukturen komplex. Der Grund dafür ist, dass einfach zu viele Gruppen in die Verantwortung für das Unternehmen einbezogen werden müssen. Zur dauerhaften Lösung solcher Konflikte werden zum Teil einzelne Unternehmens-Stämme herausgekauft, um die Entscheidungsfähigkeit zu optimieren“, betont Winkeljohann.
Gefordert ist eine Family Governance, die ein gemeinsames Werte- und Zielsystem mit Regeln zur Konfliktbearbeitung umfasst. Ein wertvolles Umsetzungsinstrument ist der Familienrat, der die beteiligten Familienmitglieder regelmäßig in einem formellen Rahmen zusammen bringt. Bislang hat immerhin jedes dritte befragte Unternehmen einen Familienrat, sei es als Gesellschafterversammlung, Gesellschafterausschuss, Beirat oder Aufsichtsrat etabliert. „Besorgnis erregend ist allerdings, dass über 80 Prozent aller Familienunternehmen keine Konfliktlösungsverfahren haben. Denn Streit im Gesellschafterkreis kann zum größten Wertvernichter werden“, warnt Winkeljohann.
Nur jedes dritte Unternehmen soll in Familienbesitz bleiben
Die Lösung von Konflikten ist in der Phase der Unternehmensnachfolge von besonderer Bedeutung. Knapp die Hälfte der deutschen Familienunternehmen steht in den kommenden fünf Jahren vor einem Eigentümerwechsel. Über 50 Prozent der gegenwärtigen Familienunternehmer planen einen Verkauf, weitere 15 Prozent schwanken noch zwischen dieser Option und einer Weiterführung des Unternehmens im Familienbesitz. „Dies bedeutet jedoch nicht das Ende von Familienunternehmen. Innovationskraft und Entwicklungsfreudigkeit sind und bleiben die Stärken von Familienunternehmen, die über zeitgemäße Führungsstrukturen verfügen. Im Übrigen entstehen beständig neue Familienunternehmen“, so Winkeljohann. Zudem ist offen, inwieweit sich die Verkaufspläne umsetzen lassen. Denn bislang hat fast die Hälfte (44 Prozent) der befragten potenziellen Verkäufer noch kein Kaufangebot erhalten.
Mit einem Wechsel des Managements haben sich bereits knapp 70 Prozent der befragten Familienunternehmen auseinander gesetzt. Von diesen suchen 56 Prozent nicht nur innerhalb der Familie, sondern auch außerhalb nach geeigneten Führungskräften. Bei der Auswahl der künftigen Unternehmensführung verlassen sich fast vier von fünf (76 Prozent) der Befragten auf die Meinung der übrigen Familienmitglieder beziehungsweise auf die Expertise ihrer Berater. Headhunter und externe Beratung nutzen lediglich 15 beziehungsweise zwölf Prozent der befragten Familienunternehmen.
Finanzierung fordert Familienunternehmen heraus
Für mehr als die Hälfte (56 Prozent) der befragten Unternehmer in Deutschland ist die Finanzierung die größte wirtschaftliche Herausforderung. Insbesondere kleineren und mittleren Unternehmen fällt es schwer, die für Investitionen notwendigen Mittel bereit zu stellen. Das hat verschiedene Ursachen: Nur 22 Prozent der Unternehmen können den Gewinn vollständig ins eigene Unternehmen investieren. Die hohe Ausschüttungsquote hat nicht nur zur Folge, dass eigene Mittel für Investitionen fehlen. Auch die Eigenkapitalausstattung ist im internationalen Vergleich schwach. Entsprechend halten sich die Banken mit Kreditzusagen zurück: Die Praxis zeigt, dass nur ein Drittel der Verhandlungen über Investitionskredite erfolgreich ist.
Allerdings scheint die Unternehmensfinanzierung in Deutschland deutlich schwieriger zu sein als im europäischen Ausland. So nannten nur 27 Prozent der befragten europäischen Familienunternehmen die Finanzierung als Hauptproblem. „Mit Basel II wurde eine risikoorientierte Kreditvergabe eingeführt, auch um Familienunternehmen die Finanzierung zu erleichtern. Dieser Versuch ist jedoch schon im Ansatz stecken geblieben. Kreative Finanzierungsinstrumente, die speziell auf Familienunternehmen zugeschnitten sind, sind derzeit in Deutschland im Gegensatz zum europäischen Ausland noch selten“, so Winkeljohann.
Aufgrund der schwierigen Finanzierungsbedingungen ist Leasing für mehr als zwei Drittel der befragten Unternehmen eine Alternative. Allerdings vertrauen lediglich fünf Prozent auf unternehmens- und familienfremde Leasinggeber. Dagegen nutzen mehr als 25 Prozent der Familienunternehmen Anlagevermögen, das im persönlichen Besitz der Gesellschafter ist.
Familienunternehmen – ein Auslaufmodell?
Die Familienunternehmen kennen die wichtigsten Herausforderungen. Im europäischen Vergleich haben deutsche Unternehmen zwar bei der Planung der Management-Nachfolge und der Einrichtung von Corporate Governance eine Vorbildfunktion. Die Unternehmensfinanzierung stellt Familienunternehmen in Deutschland jedoch weitaus häufiger vor Probleme als im europäischen Ausland. Dies dürfte ein Hauptgrund dafür sein, dass lediglich 38 Prozent der deutschen Unternehmen, aber 50 Prozent der europäischen fest mit einer Familiennachfolge planen. „Familienunternehmen sind in Deutschland kein Auslaufmodell. Sie haben eine große Zukunft. Doch müssen Familienunternehmer entschlossen auf die in der Studie identifizierten Herausforderungen reagieren, um auch in Zukunft erfolgreich zu sein“, konstatiert Winkeljohann.
Für die Studie befragte PwC über 1.000 europäische und 107 deutsche Unternehmen in Familienbesitz. Gut die Hälfte erwirtschaftet einen Jahresumsatz von über 40 Millionen Euro, 65 Prozent der befragten Unternehmen beschäftigten mehr als 100 Mitarbeiter.
Die Studie „Familienunternehmen Deutschland 2006“ finden Sie als kostenlosen Download unter: www.pwc.com/de/familienunternehmen