Ergebnisse des Korruptionsbarometers von Transparency International

Korruption ist wichtigstes Reputationsrisiko


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Unternehmen zahlen Bestechungsgelder, um Gesetzgebung und Regulierung zu beeinflussen. Diese Auffassung teilt mehr als die Hälfte der Befragten, die an der weltweiten Meinungsumfrage für das Korruptionsbarometer 2009 (Global Corruption Barometer) teilgenommen haben. Das Korruptionsbarometer von Transparency International zeigt auch, dass ebenso viele Menschen bereit wären, für Produkte von korruptionsfreien Firmen mehr zu zahlen. "Jetzt ist es Aufgabe der Unternehmen, ihre Antikorruptionspolitik zu stärken und transparenter über ihre Beziehungen, auch finanziell, zu berichten", sagt Huguette Labelle (Foto), Vorsitzende von Transparency International.

Das Umfrage-Ergebnis korrespondiert mit der Einschätzung in Deutschland angesichts der jüngsten Korruptionsskandale, dass auch deutsche Unternehmen in der Pflicht stehen, ihre Hausaufgaben in Sachen Integrität zu machen. Sylvia Schenk, Vorsitzende von Transparency Deutschland: "Eine gute und verantwortungsvolle Antikorruptionspolitik wird zunehmend zu einem Markenzeichen für angesehene Unternehmen." Aber auch die Politik muss entscheidende Impulse setzen. Die UN-Konvention gegen Korruption wurde in Deutschland noch immer nicht ratifiziert – die Bundesregierung hinkt hier seit Jahren hinterher und konterkariert den weltweiten Kampf gegen Korruption.

Das Korruptionsbarometer, für das über 73.000 Menschen aus 69 Ländern befragt wurden, macht deutlich, dass die Auswirkungen von Korruption auf die Armen unverhältnismäßig hoch sind. Im Allgemeinen werden die Bemühungen von Regierungen zur Korruptionsbekämpfung als ineffektiv, und Parteien, Parlamente und die Verwaltung als besonders korrupt angesehen. Für Deutschland liegen in diesem Jahr keine Zahlen vor, da der Großteil der nationalen Erhebungen für das Korruptionsbarometer von Gallup International  für Transparency International als Teil der Gallup "Voice of the People"-Umfrage durchgeführt wurde. In diesem Jahr war Deutschland nicht Teil dieser Umfrage.

Korruption beeinflusst die Entscheidungen von Konsumenten

Die Ergebnisse des Korruptionsbarometers senden ein wichtiges Signal an Unternehmen. Neben rechtlichen und finanziellen Risiken sowie der Gefahr der Rufschädigung erhalten sie einen weiteren Anreiz, der Öffentlichkeit glaubhaft zu vermitteln, dass sie sauber arbeiten. In Hongkong, Kambodscha, Liberia und Sierra Leone haben vier von fünf Befragten angegeben, dass sie für Produkte und Dienstleistungen von sauberen Unternehmen mehr zahlen würden. Die Hälfte der Befragten hält Unternehmen für korrupt – das sind acht Prozentpunkte mehr als fünf Jahre zuvor. Im Vergleich zu anderen Institutionen gilt die Privatwirtschaft in zwanzig Prozent der befragten Länder sogar als der korrupteste Sektor – so auch in einigen der weltweit größten Finanzplätze wie Hongkong, Luxemburg und der Schweiz. "Unternehmen müssen sich intensiver mit bestehenden Richtlinien zur Berichterstattung und Antikorruptionskodizes auseinandersetzen. Wichtig ist eine ernsthafte Umsetzung, ein klares Berichtswesen und die Etablierung von Benchmarks" erklärte Robin Hodess, Abteilungsleiterin "Policy and Research" bei Transparency International.

Korruption und Wirtschaftskrise: Die Armen sind doppelt bestraft

Es wird deutlich, dass die Ärmsten der Welt weiter unter Korruption leiden. Befragte mit niedrigem Einkommen sind durchweg häufiger mit Schmiergeldforderungen konfrontiert, als jene mit hohem Einkommen. Zudem gibt es einen Anstieg von Schmiergeldzahlungen in Bolivien, Ghana, Indonesien, Kambodscha, Kenia, Russland, Senegal und Venezuela. Haushalte mit niedrigem Einkommen kämpfen in der Wirtschaftskrise mit steigender Arbeitslosigkeit und sinkendem Einkommen – diese ohnehin schwierige Lage wird durch Korruption noch verschärft. "In der Wirtschaftskrise geraten Haushalte mit geringem Einkommen immer häufiger in unmögliche Dilemmasituationen bei ihren Entscheidungen über knappe Ausgaben" sagte Huguette Labelle, Vorsitzende von Transparency International. "Schmieren Eltern den Arzt, um ihr krankes Kind behandeln zu lassen oder kaufen sie Essen für die Familie? Es ist schlichtweg inakzeptabel, dass Familien weiterhin vor diesen Entscheidungen stehen." Im Kamerun, in Liberia, Sierra Leone und Uganda gaben mehr als 50 Prozent der Befragten an, dass sie in den letzten zwölf Monaten gezwungen waren, Schmiergelder zu zahlen. Im regionalen Vergleich schneiden der Mittlere Osten und Nordafrika am schlechtesten ab. Hier gaben vier von zehn Befragten an, im vergangenen Jahr Schmiergelder gezahlt zu haben. Die Polizei hat sich dabei als korrupteste Institution herausgestellt: Weltweit hat ein Viertel der Personen, die im vergangenen Jahr Kontakt mit der Polizei hatte, Schmiergelder gezahlt.

Korruptionsbekämpfung wird als ineffektiv angesehen

Nur drei von zehn Befragten glauben, dass die Bemühungen ihrer Regierung zur Korruptionsbekämpfung effektiv sind – wenngleich die Einschätzung in den Ländern Afrikas südlich der Sahara deutlich positiver ausfällt. Die meisten der Befragten meinen auch, dass die bestehenden Anlaufstellen für Korruptionsbeschwerden ineffektiv sind. Weniger als ein Viertel derer, die Schmiergelder gezahlt haben, hat im letzten Jahr Anzeige erstattet oder eine Beschwerde eingereicht. Daraus lässt sich schließen, dass die Legitimität und Effektivität der Anlaufstellen in den Augen der Bevölkerung sehr gering ist. "Wenn Politikerinnen und Politiker den von Korruption betroffenen Menschen nicht zuhören, müssen sie damit rechnen, dass das Misstrauen und die Entfremdung der Bürgerinnen und Bürger gegenüber der Politik steigt", so Labelle. Wie auch in den vergangenen Erhebungswellen des Korruptionsbarometers halten 68 Prozent der Befragten Parteien für korrupt – im Vergleich zu anderen Institutionen gelten sie bei 29 Prozent der Befragten als am meisten korrupt. Gefolgt werden die Parteien von der Verwaltung mit 63 Prozent und dem Parlament mit 60 Prozent. Die Medien gelten zwar nicht als "sauber", erzielen aber das beste Ergebnis: Lediglich 40 Prozent der Befragten halten sie für korrupt und nur sechs Prozent betrachten sie als die korrupteste Institution.

Forderung der Öffentlichkeit nach mehr Integrität in Politik und Wirtschaft

Das Korruptionsbarometer zeichnet ein bereits gewohntes Bild: Das Ansehen staatlicher Institutionen sowie deren Bemühungen zur Korruptionsbekämpfung sind gering. Haushalte mit geringem Einkommen leiden darunter, dass sie für öffentliche Dienstleistungen, die ihnen eigentlich frei zur Verfügung stehen sollten, Schmiergelder zahlen müssen. Neu ist die zunehmend kritische Haltung gegenüber der Privatwirtschaft und die Bereitschaft der Konsumenten, für saubere Produkte und Dienstleistungen mehr zu bezahlen. Das diesjährige Korruptionsbarometer unterstreicht, dass sowohl im privatwirtschaftlichen als auch im öffentlichen Bereich enorme Anstrengungen notwendig sind, um das Vertrauen der Öffentlichkeit zurück zu gewinnen.


[Bildquelle oben: iStockPhoto, Bildquelle Huguette Labelle: Transparency International
]

Kommentare zu diesem Beitrag

Jo /05.06.2009 17:53
Ist das nicht ein jämmerliches Ergebnis? "Das Ansehen staatlicher Institutionen sowie deren Bemühungen zur Korruptionsbekämpfung sind gering." Wenn der Staat das Thema nicht verstanden hat ... was erwartet man dann von den Bürgern?
Henner /15.06.2009 10:54
Er handelt sich um ein klassisches Dilemma. Auf der einen Seite liegt es im vitalen Interesse der Unternehmen, Korruption zu unterbinden, da sie diese ab einem gewissen Punkt in den ökonomischen Ruin treiben würde (und eben auch die Reputation beschädigen würde). Auf der anderen Seite sind integre Unternehmen jederzeit durch jene anderen Marktakteure ausbeutbar, die durch Bestechungen die lukrativen Aufträge und damit ökonomische Vorteile generieren.
Das was wir in den westlichen Ländern als verwerflich betrachten, ist in anderen Ländern, etwa in Osteuropa, üblich und auch kein Reputationsproblem.
Hans /15.06.2009 16:28
In der Praxis ist und bleibt eine korruptionsfreie Welt ein Wunschtraum. Wer Korruption betreibt hat wirtschaftliche Vorteile. In der Politik sogar als Parteispenden legalisiert. Und Unternehmen die guten Beispieles vorangehen
sind (solange sie keine Monopolisten sind) zwar edelmütig aber bald weg vom Fenster des globalen Marktes.
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