Volkswirtschaftlich leistet sich Deutschland ein schlechtes Risikomanagement

Kranke Männer, reiche Männer, sieben Revolvermänner


Volkswirtschaftlich leistet sich Deutschland ein schlechtes Risikomanagement: Kranke Männer, reiche Männer, sieben Revolvermänner Kolumne

Die Kapitalmärkte überraschen im Jahr 2023 mit fortgesetzt ungewöhnlichen Bewegungen, welche sowohl der intuitiven Logik als auch vielen über lange Zeitreihen hinweg gültigen Mustern entgegenstehen: 

  • Die Renditen von Bundesanleihen steigen, obwohl sich Deutschland in der Rezession befindet
  • Die vermeintlich zinssensitiven Technologieaktien setzen ihre Rallye unbeeindruckt vom höheren Zinsniveau fort
  • Generell belasteten weiter steigende Zinsen die Aktienmärkte zuletzt weit weniger als zu erwarten wäre, während höhere Anleiherenditen erwartungsgemäß deutliche Preiskorrekturen in anderen Anlageklassen, etwa bei Immobilien, auslösen
  • Meist als konjunkturpositiv interpretierte Zinsanstiege finden sich nicht bestätigt in unter dieser Prämisse zu erwartender Stärke in Industriemetallen – besonders Kupfer und Silber waren zuletzt schwach  
  • Der Goldpreis ist fest, obwohl die Realzinsen deutlich gestiegen sind
  • Die Risikoaufschläge für Hochzinsanleihen und die Aktienvolatilität bleiben gedämpft – beide als zuverlässige Risikomaßstäbe anerkannte Indikatoren scheinen weitgehend sorglos gegenüber Konjunkturrisiken
  • Schrumpfende Geldmengen in den beiden größten Währungsräumen belasten die Risikofreude an den Märkten bislang kaum, ebenso wenig wie die stark invertierte Zinsstruktur und auf eine bevorstehende Rezession deutende Frühindikatoren
  • Der US-Dollar wertet parallel zu freundlichen Entwicklungen in risikonahen Anlageklassen auf
  • Kein Markteffekt, gleichwohl ungewöhnlich: Das Fiskaldefizit der Vereinigten Staaten erreicht kriegswirtschaftsähnliches Ausmaß – trotz Vollbeschäftigung und robuster Konjunktur

All diese verblüffenden und widersprüchlichen Dynamiken hinterlassen den rational abwägenden Anleger verwundert in einem Spiegelsaal der Preisillusionen. Die Signalfunktion einstmalig Orientierung bietender Bewertungsmaßstäbe bleibt weiterhin abgestellt. Selbst die für die Marktrichtung lange Zeit als dominierend vermutete Liquidität wird 2023 zur Quelle der Täuschungen im Irrgarten der Divergenzen.

So erinnert das aktuelle Marktumfeld stark an die 2007 und über die erste Jahreshälfte 2008 hinweg vorherrschenden Bedingungen: Auch damals verweigerten sich die Märkte, immer deutlicher zu Tage tretende Risse in den Grundpfeilern überoptimistischer Markterwartungen wahrnehmen zu wollen. Im Zeitablauf bauten sich die Risiken immer weiter auf; Kredit-, Makro- und Marktdaten verschlechterten sich stetig weiter. Das Marktsentiment ließ sich davon – wie heute – aber nicht beeindrucken. Eine Konstante im Verhalten von Märkten scheint zu sein, dass der Optimismus in spätzyklischen, und den damit eigentlich risikoreichsten Phasen, den Höhepunkt zu erreichen scheint. 

Abb. 01: Realzinsen ziehen weiter an und sind nun auch in der Eurozone deutlich positiv [Quelle: Bloomberg]Abb. 01: Realzinsen ziehen weiter an und sind nun auch in der Eurozone deutlich positiv [Quelle: Bloomberg]

Auch heute wollen sich die meisten Marktteilnehmer die gute Laune nicht von Fakten verderben lassen. Die zuletzt weiter gestiegenen Zinsen üben kaum Druck auf die Aktienbewertungen aus. Über weite Strecken des 3. Quartals 2023 standen die Aktienmärkte fest im spekulationsfreudigen Modus. Ein Symptom der Risikoneigung ist dabei die erstaunliche Popularität einer neuen Tombola-ähnlichen Jahrmarktattraktion, den "Zero-Day-to-Expiration" Optionen. Diese 0DTE-Optionen sind, wie der Name vermuten lässt, Kontrakte mit Verfall am Handelstag und damit binäre Wetten auf Marktentwicklungen über wenige Stunden hinweg. Zeitweise erreichten diese Art Optionen mehr als die Hälfte des Handelsvolumens an den Optionsbörsen. Ein solches Spekulationsfieber erinnert weiterhin auch an die in den Casinojahren der Überliquidität 2020 und 2021 vorherrschende Marktdynamik. Sehr wahrscheinlich wirkt die in den beiden Jahren der Corona-Überreaktionen geschaffene Liquidität an den Märkten noch fort und erklärt fortgesetzt niedrige Volatilität, niedrige Risikoprämien bei Aktien und Hochzinsanleihen und anhaltend hohe Bewertungen in vielen Aktiensegmenten. 

Obgleich die Veränderungsraten der Geldmengen in den USA und Europa aktuell deutlich negativ geworden sind, die Liquidität (besonders real betrachtet) also schrumpft, ist der zuvor aufgebaute Geldüberhang in absoluter Betrachtung vermutlich noch immer stimulierend für die Kapitalmärkte. 

Abb. 02: Geldmenge rückläufig, aber noch immer nahe des Allzeithochs: Rückabwicklung noch lange nicht abgeschlossen [Quelle: Bloomberg]Abb. 02: Geldmenge rückläufig, aber noch immer nahe des Allzeithochs: Rückabwicklung noch lange nicht abgeschlossen [Quelle: Bloomberg]

Noch immer ist zu viel Geld im Umlauf, welches zusätzliche Nachfrage nach Vermögenswerten auslöst. Die nur zaghafte Rückführung der Notenbankbilanzen ("Quantitative Tightening") bremst die an sich nötige Liquidierung zuvor aufgebauter Ungleichgewichte. Ferner ist die japanische Notenbank fortgesetzt Anbieter globaler Liquidität. Ihre Verteidigung der Zinskurvenkontrolle und die dafür nötige Geldmengenausweitung spült über den Kapitalexport japanischer Anleger ebenfalls viel Geld in liquide westliche Anlagemärkte. 

Gestützt auf die verbleibende Überliquidität, gelingt es den Märkten aktuell noch, die kognitive Dissonanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit aufrechtzuerhalten. Den bullischen Narrativen entgegenstehende Nachrichten und Daten werden ausgeblendet. Die problematische Marktbreite (marktenge, auf die "glorreichen Sieben"* beschränkte Führerschaft der Kursgewinne und hohe Konzentrationsrisiken in den Aktienindizes) sorgt die Anleger kaum, auch der starke Ölpreisanstieg über die Sommermonate wird weitgehend ignoriert. Die Risiken aus stark verteuerten Rohölpreisen für Konjunktur, Unternehmensgewinne und Inflationsentwicklung sind indes offenkundig.  

* Apple, Microsoft, Alphabet, Amazon, Nvidia, Meta Platforms, Tesla

Investmentimplikationen: Viele Marktsegmente – speziell Aktien – sind derzeit mit einer zu geringen Risikoprämie und zu viel Optimismus versehen. Sich aufbauende Risiken für Konjunktur, Ertragslage der Unternehmen und aus den Folgewirkungen der globalen Zinsstraffung sind kaum angemessen gepreist. Die viel beschworene "Alternativlosigkeit" von Aktien in den vergangenen Jahren der Null- und Negativzinswelt ist eindeutig beendet. Vielmehr drängt sich taktisch die Frage auf, warum Anleger bei mit T-Bills risikofrei erzielbaren 5,50% im Dollarraum und mit in der Eurozone vereinnahmbaren Renditen um die 4% in bonitätsstarken Kurzläufern stark ins Risiko gehen sollten. Offensivere Kapitalmarktsegmente (viele Aktien, Hochzinsanleihen, niedrigere Investment Grade Bonitäten) bieten vielfach aktuell (noch) nicht die Sicherheitsmarge, die ein wertorientierter Anleger grundsätzlich einfordern würde. 

Abb. 03: Der zu erwartende Renditevorteil von Aktien ist vorläufig passé [Quelle: Bloomberg]Abb. 03: Der zu erwartende Renditevorteil von Aktien ist vorläufig passé [Quelle: Bloomberg]

Eine plausible Erklärung der weithin robusten Märkte ruht gewiss in der erstaunlichen und unerwarteten Resilienz der US-amerikanischen Wirtschaft. Vor einem Jahr war eine für 2023 bevorstehende Rezession weithin Konsens. Zusätzlich belastet von steigenden Zinsen, schrumpfender Liquidität und anhaltend hoher Inflation wirkten die Aussichten für eine risikofreudig ausgerichtete Anlagestrategie zu diesem Zeitpunkt nicht erfolgsversprechend. Ende Oktober geht die Echtzeitmessung der Atlanta Fed jedoch von einem US-Wirtschaftswachstum von auf das Jahr hochgerechnet 5,4% für das 3. Quartal 2023 aus. Die US-Aktienmärkte liegen – gemessen an S&P 500 und Nasdaq – seit Jahresbeginn deutlich zweistellig im Plus.  

Die US- Wirtschaftsleistung profitiert noch immer von einer gewaltigen Investitionsdynamik in Folge der Serie von Konjunkturpaketen und wird befeuert von anhaltend abenteuerlichen Fiskaldefiziten. Noch immer stützen aus den Jahren 2020 und 2021 nachwirkende Direktzahlungen an Konsumenten und Unternehmen, wie auch strukturelle Effekte aus den großen Deregulierungsinitiativen der Trump-Regierung.

Abb. 04: US-Frühindikatoren setzen Negativtrend fort, gleichlaufende Indikatoren aber weiter stabil [Quelle: Bloomberg]Abb. 04: US-Frühindikatoren setzen Negativtrend fort, gleichlaufende Indikatoren aber weiter stabil [Quelle: Bloomberg]

Jedoch laufen viele der bislang stützenden Effekte aus. In der Vorausschau warnen Zinskurveninversion und rückläufige Frühindikatoren für die USA bereits seit geraumer Zeit vor konjunkturellen Abwärtsrisiken. Dieser Negativausblick wird u.a. bestätigt durch schwache Auftragseingänge, schwindende Ersparnisse und die anstehende Wiedereinsetzung der Rückzahlungspflicht für Studienkredite. In zahlreichen Quartalsberichten konsumorientierter US-Unternehmen zeigt sich eine Erschöpfung der Verbraucher. Viele Ergebnisverfehlungen und Gewinnenttäuschungen mischen sich mit zurückhaltenden Ausblicken. Berichte über vermehrtes "trading down", ein also zunehmend frugales Kaufverhalten, zeichnen dabei ein ebenso wenig optimistisches Bild wie vermehrte Ergebnisbelastungen der Einzelhändler durch gestiegene Ladendiebstähle. 

Im globalen Vergleich deutet dennoch Vieles darauf hin, dass sich die USA – trotz Abwärtsdynamik – relativ gesehen robuster werden halten können als andere Regionen. Speziell in Europa präsentiert sich das konjunkturelle Bild wieder besonders desolat. 

Abb. 05: Talfahrt der deutschen Industrie hält an [Quelle: Bloomberg]Abb. 05: Talfahrt der deutschen Industrie hält an [Quelle: Bloomberg]

Sämtliche europäische Frühindikatoren deuten derzeit auf eine weitere, beschleunigte Abschwächung der bereits stark angeschlagenen Wirtschaftsleistung hin. Gerade in Deutschland hat der Einbruch dabei zunehmend strukturellen Charakter. In Folge der zahlreichen (in vergangenen Marktkommentaren häufig diskutierten) Fehlsteuerungen der letzten 20 Jahre ist Deutschland nun nicht nur wieder der "kranke Mann Europas", sondern, wie CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann korrekt diagnostizierte, "der kranke Mann der Welt".

Abb. 06: Konjunkturindikatoren in Deutschland vielfach unter mittel- bis langfristigem Durchschnitt [Quelle: Bloomberg, Investing.com (PMI)]Abb. 06: Konjunkturindikatoren in Deutschland vielfach unter mittel- bis langfristigem Durchschnitt [Quelle: Bloomberg, Investing.com (PMI)]

Die Liste der für den Standort Deutschland über die vergangenen zwanzig Jahre aufgebauten Verschlechterungen der Wettbewerbsfaktoren ist lang: 

  • Die vernunftswidrige Beschädigung des industriellen Kerns, durch
    • Die Energiekosten und die gescheiterte "Energiewende" 
    • Demontage der deutschen Automobilindustrie in Folge des Entzugs ihrer Wettbewerbsvorteile (Verbrennungsmotor, Energiekosten)
  • Hohe Lohnkosten 
  • Hohe Steuern und Abgaben 
  • Verfallende nichtdigitale Infrastruktur und fehlende digitale Infrastruktur 
  • Zunehmende Außerkraftsetzung marktwirtschaftlicher Grundprinzipien
  • Überbordende Regulierung und Bürokratie in allen Lebens- und Wirtschaftsbereichen 
  • Fachkräftemangel (auch durch Abwanderung qualifizierter Fachkräfte) einerseits, ungeregelter Zuzug in die (damit zunehmend überforderten) Solidarsysteme andererseits 
  • Aus billigem Geld und billiger Währung resultierende Fehlsignale für die globale Wettbewerbsposition und resultierende Bequemlichkeit 
  • Erosion des Vertrauens in Institutionen und Rechtsstaatlichkeit 
  • Wiederholung der Fehler der Vergangenheit: falsche Leistungsanreize (u.a. "Bürgergeld" als Erwerbshemmnis und Druck auf Löhne von unten) und leistungsfeindliche Steuer- und Abgabenarchitektur 

Es wäre erstaunlich, würde ein solch umfassender (und vermutlich noch nicht einmal vollständiger) Katalog an erodierenden Standortbedingungen nicht über kurz oder lang zu einer nachfolgend sichtbaren Schadensbilanz führen. So vergeht auch kaum eine Woche, in der nicht über relative Verschlechterungen der deutschen Wettbewerbsfähigkeit im globalen Vergleich berichtet wird. Zugleich sind kontinuierlich nachlassende Leistungen in internationalen Rankings etwa bei Bildung, Digitalisierung, digitaler Kompetenz, Infrastruktur, Wohlstand oder in der Attraktivität für qualifizierte Fachkräfte und Unternehmensgründer schon zur Gewohnheit geworden, die auch kaum noch kritische oder selbstreflektierende Debatten auslösen. An der Spitze befindet sich das Land im internationalen Vergleich nur bei Steuerbelastung, Energiepreisen und Bürokratie. 

Generell muss überraschen, wie lange die allermeisten der offenkundigen Fehlsteuerungen unwidersprochen geblieben sind. Zwar äußert sich zuletzt vermehrt Protest aus Industrie-, Branchen- und Arbeitgeberverbänden gegen die weitere Beschädigung der Existenzgrundlagen, doch erfolgt der Widerspruch der Wirtschaft gegen die eigene Abschaffung spät. Besonders erstaunt die lange Zeit hohe Toleranz der Wirtschaft gegenüber gefährlichen Transformationsutopien und Elementen einer Kontroll- und Kommandowirtschaft, die eine Herabsetzung der Wirtschaftsleistung ("Degrowth") vorsätzlich anstrebt, zumindest aber billigend in Kauf nimmt. 

Ein zuletzt besonders alarmierender Datenpunkt ist die Statistik des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zu globalen Kapitalflüssen, nach der Deutschland im Jahr 2022 mehr als 131 Mrd. US-Dollar Kapitalabfluss zu verkraften hatte. Dies ist der stärkste je verzeichnete Investitionsverlust in Deutschland. Kein anderer von 46 untersuchten Staaten auf der Welt musste einen solch hohen Abfluss hinnehmen. Es handelt sich dabei wohlgemerkt nicht um volatile Finanzflüsse, sondern um realwirtschaftliche Kapitalbewegungen, die einen Nettoverlust an Unternehmenskapital zeigen und klare Folge schwindender Wettbewerbsfähigkeit sind. Die Zahlen deuten auf eine einsetzende Deindustrialisierung im Zuge von Betriebsstättenverlagerungen und Abwanderung von Produktion ins Ausland hin. Überraschen kann diese Entwicklung nicht. Gerade energieintensive Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes sind auf verfügbare und bezahlbare Energie angewiesen. 

Abb. 07: Direktinvestitionen: Die größten Gewinner und Verlierer [Quelle: OECD, Institut der deutschen Wirtschaft]Abb. 07: Direktinvestitionen: Die größten Gewinner und Verlierer [Quelle: OECD, Institut der deutschen Wirtschaft]

Nach einer Erhebung des DIHK-Energiewendebarometers sehen 32% aller Industrieunternehmen eine Produktionsverlagerung aus Deutschland heraus als nötig an. Etwa die Hälfte dieser Unternehmen plant entsprechende Schritte, eine weitere Hälfte hat die Abwanderung bereits realisiert oder eingeleitet. Gerade einmal 13% der befragten Unternehmen bewerten die Energiewende als positiv für ihre Wettbewerbsfähigkeit. 

Interessant ist ein Blick auf die relativen Gewinner im globalen Wettbewerb um Unternehmen und Investitionen: Einerseits profitieren erwartungsgemäß Länder mit intakter, hoher institutioneller Qualität sowie hoher Innovationskraft (z.B. Schweiz, Israel), andererseits ziehen klassische Gewinner der globalen Neuausrichtung von Produktions- und Lieferketten ("Reshoring" / "Onshoring") Investitionen an (z.B. Polen, Mexiko). Die Kapitalflussdynamik zugunsten nordamerikanischer Standorte dürfte sich zuungunsten Europas künftig weiter akzentuieren, denn Europa findet bislang keinerlei Antwort auf die Ansiedlungsanreize für europäische Unternehmen in Nordamerika, die sich mit den Programmen des Inflation Reduction Acts (IRA) in den USA noch verstärken.  

Hinzu kommt eine "kulturelle" Komponente: In anderen, weniger industriefeindlichen Regionen der Welt werden innovative Spezialisten und Weltmarktführer aus Deutschland mit offenen Armen empfangen, während sie (wie etwa auch landwirtschaftliche Unternehmer) in Deutschland oft weder die Wertschätzung erfahren, die ihnen gebühren würde, noch die Bedingungen vorfinden, die zum Verbleib oder zur Weiterführung des Geschäftsbetriebs durch nachfolgende Generationen motivieren würden. Auf gesellschaftlich-kultureller Ebene wirkt zusätzlich fatal, dass das Streben nach Innovation und Lösungs- und Technologieoffenheit zunehmend kleinkarierten, vorgestanzten Denkschablonen weichen muss. Die "alte Bundesrepublik" war auch deswegen wirtschaftlich erfolgreich, weil sie eine hohe Bereitschaft zum ergebnisoffenen, unvoreingenommenen Diskurs hatte. Das gesamte Spektrum möglicher Lösungen zu sehen - auch entgegen eigener Ideologien - war in den 1970er und 1980er Jahren, anders als heute, eine Selbstverständlichkeit. Fortschritt gedeiht, wo Wissenschaft und Forschung frei und unabhängig agieren. Heute stehen Finanzierung und Forschungsgelder meist überhaupt nur für zuvor als wünschenswert deklarierte Ergebnisse zur Verfügung. Diese Art Selbstentmündigung und fortschrittsfeindliche Evolutionsverweigerung, die Denkverbote an Stelle von Zugewinn an Wissen und Erkenntnis setzt, blockiert die Grundlagen für Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstandserhalt. 

"Fehler erscheinen immer dann als vermeidbar, wenn man sie gemacht hat."

Kurt Biedenkopf

Gesamtvolkswirtschaftlich leistet sich Deutschland als "kranker Mann der Welt" ein schlechtes Risikomanagement. Eine nur unter Substanzverzehr mögliche Wohlstandsillusion wird aufrechterhalten. Die Überschätzung von Risiken mit geringer Eintrittswahrscheinlichkeit und ein Maßnahmenaktionismus mit geringer Wirkung verbrauchen darauf gelenkte Aufmerksamkeit und Ressourcen, während konkrete, unmittelbare Risiken mit hohen Folgekosten in ihrer Bedeutung unterschätzt bleiben. Eine geringe Bereitschaft für Innovationsrisiken stößt auf hohe Risikofreude in wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Experimenten mit offenkundig ungünstigen Risiko-Nutzen-Profilen.  

Gesamtvolkswirtschaftlich leistet sich Deutschland als "kranker Mann der Welt" ein schlechtes Risikomanagement.

Für eine Kurskorrektur wäre zunächst die Erkenntnis nötig, dass man sich auf dem Irrweg befindet. Die Bereitschaft, die diversen Irrwege dann zu verlassen, erfordert wiederum eine Kurskorrektur, die mit einer großen und grundsätzlichen Reformagenda einhergehen müsste. Ohne eine solche Kurskorrektur droht ein derart desolater Zustand, der grundhafte Sanierungen erzwingt, welche an die im Berliner Pergamonmuseum nötige Grunderneuerung erinnern – einzelne Gebäudeteile werden dort nach aktueller Planung erst 2037 (!) wieder öffnen können. 

Mit dem geplanten Verbot von Verbrennungsmotoren ab dem Jahr 2035 ist die Automobilindustrie als Deutschlands Schlüsselbranche aktuell (bestenfalls) auf dem Pfad in Richtung Grunderneuerung. Unser geschätzter Branchenkollege Peter Huber warnte kürzlich, das VW-Stammwerk in Wolfsburg könnte nach dem Jahr 2035 vielleicht nur noch als "Industriemuseum für chinesische Touristen" zu gebrauchen sein. 

Der Niedergang der deutschen Wirtschaft, getrieben von der Schwäche der Automobilindustrie, wurde bereits 2018 eingeleitet. Die Automobilproduktion erreichte vor 2018 ihren Höhepunkt, schrumpft seither beschleunigt und wurde inzwischen von chinesischer Fertigung überholt.

Abb. 08: Niedergang der deutschen Autoindustrie? [Quelle: Bloomberg]Abb. 08: Niedergang der deutschen Autoindustrie? [Quelle: Bloomberg]

Mit der Aufgabe ihrer Wettbewerbsvorteile (Motoren, Fertigungskosten) droht der deutschen Autoindustrie der sinnbildliche Niedergang, den die US Autometropole Detroit einige Jahrzehnte zuvor erfahren musste. Vom Verlust der Wettbewerbsfähigkeit haben sich Detroit und die meisten dort beheimateten Hersteller bis heute nicht erholen können. 

Erste Zeichen eines vergleichbaren Niedergangs sind unverkennbar. Volkswagen vollzieht inzwischen an verschiedenen Standorten Produktionskürzungen und Mitarbeiterabbau. Mit Nichtfunktionieren planwirtschaftlicher, subventionsgestützter Forcierung der Elektromobilität in Kombination mit einer Energiepolitik, die Prof. Hans-Werner Sinn als "Extremismus" und der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Gunter Weißgerber als "Krieg gegen die eigene Bevölkerung" bezeichnen, kann gegenüber Weltmarktkonkurrenten bei Autos, als dem für Deutschland zentralen Produkt, keine Wettbewerbsfähigkeit mehr gegeben sein. 

Abb. 09: Niedergang der Volkswagen-Aktie [Quelle: Bloomberg]Abb. 09: Niedergang der Volkswagen-Aktie [Quelle: Bloomberg]

Die chinesische Konkurrenz ist bestens aufgestellt, um bei der Elektromobilität weitere Weltmarktanteile hinzuzugewinnen. Chinesische Unternehmen haben Zugang zu günstiger Energie und das Land kontrolliert die Wertschöpfungskette bei Batterien durch seine dominante Stellung in der Verarbeitung von seltenen Erden und Metallen. Die EU möchte der drohenden Gefahr für die selbstbeschädigte Wettbewerbsfähigkeit nun mit protektionistischen Maßnahmen beikommen. Der europäische Automarkt soll mit Zöllen gegen chinesische Produktion stärker abgeschirmt werden, agiere diese doch mit "Subventionen" und "unfairen Methoden". Es entbehrt dabei nicht einer unfreiwilligen Komik, dass derartige Maßnahmen von Protagonisten gefordert werden, die noch kürzlich einen "Industriestrompreis" als gute Idee befürworteten und selbst dazu beitragen, dass der Absatz von E-Autos im Inland auch nur durch Förderung und Subventionen möglich ist. Am freien Markt hätte sich die Elektromobilität (die in Deutschland faktisch aktuell eine Kohle- bzw. Fracking-Gas-Mobilität ist) bis heute eigenständig vermutlich nicht durchgesetzt. 

Es steht zu befürchten, dass konsistentes (falsches) Handeln dazu führen wird, dass sich der globale Protektionismus weiter verschärft und Freihandelseinschränkungen zur gegenseitigen Schadensmaximierung beitragen werden. Wie an dieser Stelle schon häufig beklagt, scheint Lern- und Erkenntnispotential aus historischen Fehlern leider begrenzt. Die Wirtschaftsgeschichte ist in ihrem Urteil eindeutig. Eingriffe in Marktpreise und in Freihandel leisten nie, was damit erreicht werden soll, führen aber zu hohen Kosten und Folgeinterventionen, die Wohlstand, Freiheit und Frieden gefährden. Mit Blick auf den internationalen Handel ist auf die Verschlechterung der westlich-chinesischen Beziehungen der letzten Jahre zu verweisen und auf die Erfahrung der Großen Depression im letzten Jahrhundert, die wesentlich durch die extremen Handelshemmnisse des Hawley-Smoot Tariff Acts in den USA im Jahr 1930 verstärkt wurde. Die folgenden Schäden bewirkten unter der Regierung Hoover eine Serie weiterer schadensmaximierender Nachsteuerungen und Interventionen aus Steuererhöhungen, Markteingriffen und Regulierungen. Der damalige Chefökonom der US-Bank Chase bemerkte, dass das Scheitern der Regierung im Versuch "Gott zu spielen" nicht etwa dazu führte, den Versuch einzustellen, sondern dazu, "noch energischer als zuvor Gott zu spielen". 

Auch heute greift immer wieder der Reflex um sich, vermeintliches "Versagen" oder "Fehlfunktionen" des Marktes als Resultat zuvor selbst geschaffener Schäden mit weiteren Eingriffen zu kurieren. Zu solchen als heilsbringend erhofften Reparaturen zählen derzeit beispielhaft der jüngst in Österreich installierte Mietdeckel von 5% p.a. für einige Wohnungsmarktsektoren, der viel diskutierte "Industriestrompreis" in Deutschland oder diverse weitere Preismaßnahmen in den Energiemärkten. Auch mit Blick auf Preisdeckel ist die historische Erfahrung eindeutig. Eine hervorragende Dokumentation von mehr als vierzig Jahrhunderten solcher Versuche der Außerkraftsetzung unangenehmer Feedbackschleifen (in Form von unerwünschten Preissignalen) auf eigene Policy-Fehler bietet die Untersuchung im Buch "Forty Centuries of Wage and Price Controls – How Not to Fight Inflation" von Robert L. Schuettinger und Eamonn F. Butler. Angefangen bei frühen gescheiterten Preisdiktaten in Ägypten und Babylon, über die katastrophalen Folgen der Preisplanung im Römischen Reich unter Kaiser Diokletian bis hin zum folgenreichen "loi du maximium" während der französischen Revolution und Beispielen der neueren Zeit, zieht sich die wiederkehrende Erkenntnis: Den Versuch, die Wirklichkeit dem Wunsch anzupassen, gab es schon immer. Das dazu gewählte Instrument der Preis- und Lohnkontrollen weist über mehr als einhundert untersuchte Fälle in dreißig verschiedenen Nationen von 2000 v.Chr. bis einschließlich 1978 kein einziges Erfolgsbeispiel auf. Zur erhofften Beseitigung von Inflation oder Mangel am Preis zu manipulieren, gleicht der Behandlung des Symptoms statt der Ursache. Die oft eigentliche Ursache von Inflation – zuvor erfolgte monetäre Expansion – blieb in den historischen Beispielen meist unbehandelt. Kaiser Diokletian und anderen frühen Bekämpfern des Überbringers der (Preis-)Botschaft kann noch zugutegehalten werden, dass sie über keine historischen Beispiele verfügten und es nicht besser wissen konnten. Heutige Verantwortliche haben eine reiche Historie mit eindeutiger Botschaft von 100% Trefferquote verfehlter Preiseingriffe zur Verfügung. Dennoch – wohl als eine Konstante menschlichen Handels – besteht immer wieder aufs Neue die Versuchung, "etwas tun zu müssen" ("Action Bias") und die Illusion von überlegenem Wissen, welches zum Eingriff ermächtigt. Die Gegenprobe der Überlegenheit freier Preise ist genauso gut dokumentiert: Das "deutsche Wirtschaftswunder" in den Nachkriegsjahren wurde wesentlich erst ermöglicht durch Ludwig Erhards beherzte und mutige Entscheidung, sämtliche Preisvorgaben und Preiskontrollen zu streichen. 

So wird auch heute politischer Markteingriffsaktionismus kaum in der Lage sein, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Automobilindustrie wiederherzustellen. Die Überschätzung der Leistungs- und Anpassungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft führte zur fatalen Fehleinschätzung, es sei folgenlos möglich, die Axt an fundamentale Erfolgsvoraussetzungen der Industrie anzulegen. Dabei bleibt bislang auch vollständig undefiniert, was an Stelle des in Abschaffung befindlichen Geschäftsmodells treten soll. Die Auftragseingänge deutscher Fabriken sanken zuletzt im Vergleich zum Vorjahr um -11,7%. Die Produktion im verarbeiteten Gewerbe insgesamt schrumpft seit 2018, während sie in anderen europäischen Ländern mit intakteren Standortbedingungen (etwa der Schweiz) weiter angestiegen ist. 

Auch im Vergleich zu den USA verlieren die deutsche und europäische Wirtschaft kontinuierlich an Boden. War die Wirtschaftsleistung zum Zeitpunkt der Finanzkrise 2008 noch etwa vergleichbar, ist seitdem eine klare Auseinanderentwicklung zu verzeichnen. Deutliches Wachstum in den USA steht im Kontrast zu einer weitgehenden Stagnation in Europa, sodass die Wertschöpfung in den Vereinigten Staaten heute fast doppelt so hoch ist wie in Europa. 

Abb. 10: Die Eurozone hinkt beim Wirtschaftswachstum schon seit der Finanzkrise deutlich hinterher [Quelle: Bloomberg]Abb. 10: Die Eurozone hinkt beim Wirtschaftswachstum schon seit der Finanzkrise deutlich hinterher [Quelle: Bloomberg]

Mit der aktuellen Ausrichtung der Policy-Schwerpunktsetzungen dürfte sich die Lücke weiter auseinanderentwickeln. Beide Wirtschaftsräume sind aktuell fiskalisch großzügig. Doch die USA investieren strategisch klug in ihre Standortbedingungen und haben ihre Eigeninteressen fest im Blick. Europa – und speziell Deutschland - hingegen wendet Mittel primär für fragwürdigen Konsum und in einer wohl historischen Fehlallokation von Ressourcen auf. 

Eine realistische Bestandsaufnahme muss erkennen, dass Deutschland nicht mehr über die Substanz und Leistungsfähigkeit verfügt, um Schönwetterthemen über die Erbringung von Wertschöpfung zu priorisieren. Eine zu späte Rückkehr zu rationalen, ideologiefreien und auf Eigeninteressen gerichtete Entscheidungsprämissen riskiert, dass es dann eines kolossalen Kraftakts bedürfen wird, um den "kranken Mann der Welt" zu heilen und im Wettbewerb wieder bestehen lassen zu können.

Investmentimplikationen: Investoren meiden Branchen in Deutschland und Europa, deren Erfolgsvoraussetzungen strukturell beschädigt sind. Neben vielen Chemie- und Automobilunternehmen und deren Zulieferern zählen zu absehbaren Underperformern auch regulierungsintensive Sektoren. Eine generelle Vermeidung europäischer Unternehmen bei Aktieninvestments kann sich aber als vorschneller Trugschluss erweisen: Viele global aufgestellte Unternehmen mit oftmals geringen innereuropäischen Umsatzanteilen sind auf ihrem Feld unverändert wettbewerbsführend, margenstark und gut geführt. In vielen solchen Fällen unterscheidet der Markt in den zugestandenen Bewertungen nicht differenziert genug nach Herkunftsland und tatsächlichen Umsatz- und Gewinnexposures. Aus solchen Konstellationen ergeben sich seit letztem Jahr immer wieder günstige Kaufgelegenheiten auch in europäischen Werten. Im Bereich von Investment Grade Unternehmensanleihen sind europäische Credits inzwischen im Regelfall mit einer nennenswerten Prämie gegenüber branchengleichen US- oder Emerging Markets Peers versehen. Wie bei Aktien, können Anleger auch diese überpauschale Prämie mit eigener Analysearbeit hinterfragen und sowohl Fälle identifizieren, in denen ein solcher Aufschlag gerechtfertigt ist, aber auch Instanzen finden, in denen die aus tatsächlichen Kreditqualitäten und Geschäftsmodell- sowie unternehmensspezifischen resultierenden Risiken ansprechend vergütet sind.

Mit Blick auf den Wechselkurs Euro-US Dollar dürften die Kapitalströme die Gemeinschaftswährung anhaltend belasten. Der Trend zu langfristiger, weiterer Abwanderung aus der Eurozone bleibt vermutlich so lange intakt, wie nicht die Bereitschaft zu einer tektonischen Umsteuerung seitens der politisch Verantwortlichen erkennbar wird. Der Exodus von Industrie, Kapital und Talent in Richtung Nordamerika lastet schwer auf den künftigen Erfolgsmöglichkeiten der inländischen Wirtschaft. Wer aus seiner Tätigkeit ein generell hohes operatives Deutschland-Risiko hat (etwa als Stiftung, als von inländischen Kirchensteuern abhängige Einrichtung, oder schlicht als Unternehmer, Arbeitnehmer, Privatperson), diversifiziert dieses Länderrisiko als Anleger. 

Inflationsausblick: Ausgabenfreudige Staaten bremsen monetäre Stabilisierungsbemühungen

Fünfzig Jahre nach Beginn der Hochinflation der 1970er Jahre und genau einhundert Jahre nach der folgenschweren Weimarer Hyperinflation, die im Oktober 1923 vollends außer Kontrolle geraten war, gilt dem Inflationsausblick nach dem Teuerungsschock der Jahre 2021/22 weiterhin erhöhte Aufmerksamkeit. Die Inflationsraten waren in der ersten Jahreshälfte weiter auf dem Rückzug. In Deutschland und Europa sprechen die klaren Rezessionssignale auch für fortgesetzt disinflationäre Impulse. Viele den Verbraucherpreisen vorlaufende Preisdaten werden aktuell im klar deflationären Bereich gemessen: So fielen die Erzeugerpreise in Deutschland zuletzt um -14,7% im Jahresvergleich – das war der niedrigste Wert seit Beginn der Datenaufzeichnung 1949. Auch die Importpreise waren mit -13,2% stark deflationär und markierten den tiefsten Wert seit 1987. 

Die Notenbanken betonen in ihrer Kommunikation weiterhin Entschlossenheit, die Inflationsraten auf 2% zurückführen zu wollen. Das ist nach dem Inflationsschock 2021/22 verständlich, keineswegs aber selbstverständlich, waren doch vor nicht allzu langer Zeit noch abenteuerliche Ideen einer "Durchschnittsinflation" nicht nur salonfähig, sondern fast schon Konsens unter Zentralbankräten. Die weitreichenden Folgekosten der Hochinflation haben offenkundig ein Umdenken bewirkt. Dem US-Notenbankchef Jay Powell gebührt zudem Respekt, ist es ihm doch auf der jährlichen Sommerklausurtagung in Jackson Hole dem Vernehmen nach gelungen, Begehrlichkeiten nach einer Höhersetzung des Inflationsziels auf 3% abzuwenden. Solange Konjunktur und Arbeitsmärkte robust bleiben, wird die Fed im restriktiven Modus verbleiben, möglicherweise gar über ein oder zwei weitere Zinsanhebungen nachdenken. Gemäß Jay Powells Vorgabe bei der Jackson Hole Tagung im Jahr 2022 könnte die Notenbank aber auch aktuell schon "mission accomplished" feststellen, liegt doch die Renditekurve der US-Staatsanleihen nunmehr vollständig oberhalb der Kerninflationsrate. Das Eintreten dieser Relation war vom Notenbankchef letztes Jahr als Vorbedingung definiert worden, um der Teuerung nicht länger mit Zinserhöhungen entgegenwirken zu müssen. 

Abb. 11: Fed vermutlich nahe am Zinshöhepunkt – Zinskurve nun vollständig oberhalb der Inflationsrate [Quelle: Bloomberg]Abb. 11: Fed vermutlich nahe am Zinshöhepunkt – Zinskurve nun vollständig oberhalb der Inflationsrate [Quelle: Bloomberg]

Die EZB hat im September den Leitzins noch einmal auf nun 4,50% erhöht. Das Lager der stabilitätsorientierten Ratsmitglieder ("Falken") hat augenblicklich demnach noch die Oberhand. Der Referenzzins in der Währungsunion ist den Markterwartungen nach nun aber auf seinem vorläufigen Hochpunkt angelangt. In vielen Schwellenländern dreht der Zinszyklus bereits: mit deutlich gefallenen Inflationsraten und hohen, positiven Realzinsen konnten u.a. die Zentralbanken in Chile, Uruguay, Brasilien und Peru den Leitzins senken.

Ein fortgesetzter Abwärtspfad der Inflationsraten ist in Europa und den USA aber keineswegs garantiert. Wir erinnern dabei immer wieder an die Inflationsdynamik in den 1970er Jahren, als die Teuerung zunächst auf dem Rückzug war, dann aber in Wellenbewegungen mit noch größerer Dynamik zurückkehrte. Auch damals spielten Preiskontrollen der Nixon-Administration übrigens eine nicht ungewichtige Rolle in der verfehlten Inflationseindämmung. 

Eine konsequente, erfolgreiche Inflationsbekämpfung erfordert stets bestimmte "Zutaten". Die kürzlich veröffentlichte Untersuchung des IWF (IMF Working Paper: "One Hundred Inflation Shocks; Seven Stylized Facts”) liefert als "Rezeptbuch", Aufschluss, welche Maßnahmen in einhundert untersuchten Inflationsepisoden typischerweise geeignet waren, die Teuerung zurückzuführen. Die wesentlichen – wenig überraschenden – Erkenntnisse: Länder, die Erfolg hatten in der Rückführung der Inflation wiesen in der Inflationsperiode gegenüber nichterfolgreichen Ländern eine straffere Geldpolitik auf (die über die Zeit konsistent beibehalten wurde), hatten geringeres Lohnwachstum, weniger Währungsabwertung und vor allem real positive Kurzfristzinsen. Das Geldmengenangebot schrumpfte in den Fallbeispielen erfolgreich eingedämmter Inflation, wuchs hingegen in den nicht erfolgreichen Fällen weiter an. Der Leitzins lag bei erfolgreicher Inflationsbekämpfung oberhalb des nach Taylor-Regel empfohlenen Satzes, in den gescheiterten Fällen deutlich unterhalb des Taylor-Regel-konformen Zinssatzes. Die IWF-Untersuchung beleuchtet zusätzlich eine häufig unterschätzte "Zutat" der Preisstabilität: Auch das Fiskalverhalten ist von hoher Relevanz; staatliche Ausgabendisziplin muss ihren Beitrag zur Inflationsreduzierung leisten. Die fiskalische Primärbilanz war im Mittel der Fälle gelungener Inflationsrückführung positiv, während die nicht erfolgreichen Untersuchungsbeispiele eine negative Primärbilanz, also anhaltenden fiskalischen Ausgabenschlendrian zeigen. Gerade im Kontext der heute verbreiteten Maßlosigkeit in den Staatsdefiziten ist die Erkenntnis zentral: Ein noch so glaubhafter monetärer Straffungskurs kann ins Leere laufen, wenn er durch das fiskalische Füllhorn konterkariert wird. 

In den 100 untersuchten Inflationsperioden aus 56 Ländern gelang es in nur 60% der betrachteten Fälle, die Inflation innerhalb von 5 Jahren erfolgreich auf das Ausgangsniveau zurückzuführen. In den verbleibenden Fällen, so der IWF, waren "verfrühte Feierlichkeiten" über einen vermeintlichen Inflationsrückgang, der sich dann wieder beschleunigte, ursächlich für eine zu frühe Lockerung der Geld- und/oder Fiskalpolitik. Die IWF-Untersuchung bestätigt die notwendigen Voraussetzungen der Inflationseindämmung. Mit diesen identifizierten Kriterien lässt sich so ein "Zwischenzeugnis" über den Fortschritt der Inflationsbekämpfung in den beiden großen Währungsräumen erstellen.

ErfolgsvoraussetzungUSAEurozone
Kurzfristige Zinsen real positivx
Keine Währungsabwertungx
Geldmenge schrumpft
Begrenztes Lohnwachstum(✓)(✓)
Leitzins > Taylor Regelxx
Fiskaldisziplin: Positive Primärbilanzxx

Tab. 01: "Zwischenzeugnis" über den Fortschritt der Inflationsbekämpfung

Die Vereinigten Staaten befinden sich in Summe stärker auf Kurs heraus aus der Hochinflation, während für Europa die Risiken weiter erhöht sind. In beiden Währungsräumen bereitet die fiskalische Verantwortungslosigkeit Sorge. In Europa ist die systematische Verletzung der Maastrichtkriterien chronischer Dauerzustand. In den USA heizt das sehr weite Fiskaldefizit die Nachfrage unvermindert an, ebenso wie unterschiedliche Folgewirkungen des "Inflation Reduction Acts" (der korrekterweise vielmehr als "Inflation Enlargement Act" bezeichnet werden müsste). 

"Inflation – that's the price we pay for those government benefits everybody thought were free." 

Ronald Reagan

 

Abb. 12: Die US-Staatsverschuldung hat sich seit der Finanzkrise mehr als verdreifacht [Bloomberg, eigene Berechnungen]Abb. 12: Die US-Staatsverschuldung hat sich seit der Finanzkrise mehr als verdreifacht [Bloomberg, eigene Berechnungen]

Der Weg in Richtung "2% Inflation" wird nach vorn gerichtet anspruchsvoller, weil hohe Basiseffekte Mitte 2023 ausgelaufen sind, weil der starke Ölpreisanstieg der letzten Monate definitive Quelle neuer Teuerungsschübe sein wird und strukturelle Inflationstreiber bestehen bleiben. Dazu zählen

  • Erhöhter Lohndruck und strukturelle Umwälzungen der Arbeitsmärkte zu Käufermärkten
  • Erhöhte Rohstoffpreise infolge höherer Nachfrage und geringen Investitionen der letzten Jahre
  • Kosten für Umbauten der globalen Lieferketten ("Onshoring")
  • Kosten des westlichen Protektionismus, Freihandelsrückbaus, der Sanktionspolitik
  • Kosten der globalen geopolitischen Konflikte (Aufrüstung, Handelshemmnisse, usw.) 
  • Kosten der "Energiewende"
  • Anhaltend hohe Fiskaldefizite 
  • "Degrowth"-Mentalität in vielen westlichen Volkswirtschaften, die vorsätzliche Angebotsverknappungen herbeiführt (bei konstanter Nachfrage) 

Künstliche Angebotsverknappungen resultieren in einigen westlichen Ländern auch aus staatlicher Intervention und Überregulierung. Das Angebot an Arbeitskräften, an Energie, an Innovation bleibt durch Markteingriffe und Gängelung in Kontroll- und Kommandowirtschaft-ähnlichen Strukturen gedrückt. Steigende staatliche Abgaben und Steuern (in Deutschland etwa neue CO2-Abgaben, höhere Mautgebühren, höhere Emissionsabgaben im Schiffsverkehr ab 2024) heizen so die Teuerung ebenfalls absehbar weiter an. 

Investmentimplikationen: Im ersten Halbjahr 2023 unterlag das Verhalten vieler Marktsegmente einem stark disinflationären Impuls. In diesem Umfeld konnten die Inflationsprofiteure des Jahres 2022 (z.B. Rohstoffe, Aktien mit hohem Inflationsbeta) nicht weiter outperformen. Der disinflationäre Impuls schwächt sich nun ab bzw. läuft aus. Zwar spricht die zu erwartende Konjunkturabkühlung auch weiterhin für fallende Preissteigerungsraten, doch ist der Abwärtspfad mit einer Richtungsänderung der Basiseffekte nun deutlich beschwerlicher geworden. Die Vielzahl struktureller Gefahren für auch wieder erhöhte Inflationsraten sollten Anleger in ihren Abwägungen in den Fokus nehmen. Wir handhaben kurzfristige Inflationsdynamiken nicht allzu taktisch. Beispielsweise tolerieren wir die Underperformance inflationssensitiver Aktien im aktuellen Jahr im Portfolio und entscheiden uns nicht für Reduzierungen. Wir halten weiterhin Inflationsschutz im Portfolio installiert, indem wir neben Aktien mit hoher Preissetzungsmacht etwa auch an inflationsindexierten Anleihen, Gold und Industrierohstoffen festhalten. 

Abb. 13: Globales makroökonomisches Umfeld [Quelle: Eigene Abbildung]Abb. 13: Globales makroökonomisches Umfeld [Quelle: Eigene Abbildung]

Für Anleger bleibt die Erkenntnis zentral, dass Staaten entgegen ihrer offiziellen Rhetorik meist ein Interesse an fortgesetzter Inflation haben. Mit den global erreichten Verschuldungsniveaus ist im Vergleich zu politisch unangenehmen Optionen (Zahlungsausfall, Sparen, Rückkehr zu ordnungsgemäßer Haushaltsführung) die reale Entschuldung durch finanzielle Repression aus staatlicher Sicht die wünschenswerte Variante. Auch die Ausgabenfreude der Staaten als Hauptprofiteure (um Staaten den Inflationsanreiz zu nehmen, sollten alle Staatsschulden grundsätzlich inflationsindexiert ausgestaltet sein) der Teuerung (steigende Steuereinnahmen) wird durch Inflation so lange weiter begünstigt, wie sie nicht durch die gefürchteten "Bond Vigilantes" (z.B. in Großbritannien 2022) eingehegt wird. Komponenten des Inflationsschutzes im Portfolio kommt allein aus dieser Anreiz- und Interessenslage eine hohe Bedeutung zu. 

Sieben glorreiche Revolvermänner spülen (noch) viel Geld in die Kassen der "reichen Männer nördlich von Richmond" 
Über weite Strecken des 3. Quartals 2023 setzte sich am Aktienmarkt die bemerkenswerte Outperformance der "Magnificent Seven" (Apple, Microsoft, Alphabet, Amazon, Nvidia, Meta Platforms, Tesla), die wir bereits im letzten Quartalsbericht ausführlich diskutiert hatten ("What were you thinking?"), fort. Unverändert erachten wir die starke Einseitigkeit der Märkte mit ihrer engen Stilpräferenz für Mega-Cap Wachstumswerte im Technologiebereich als Warnsignal.

Abb. 14: Bewertungsexplosionen bei Mega-Cap Technologieaktien ziehen Gesamtmarkt nach oben [Quelle: Bloomberg]Abb. 14: Bewertungsexplosionen bei Mega-Cap Technologieaktien ziehen Gesamtmarkt nach oben [Quelle: Bloomberg]

Gesunde Bullenmärkte sind geprägt von einer breiten Partizipation der Aufwärtsbewegung. Konzentrieren sich Kursgewinne nur noch auf eine Handvoll hochkapitalisierter Indexschwergewichte, war dieses Verhalten in der Vergangenheit oft Signal für eine spätzyklische Erschöpfung. Derweil bauen sich die Überbewertungen der "glorreichen Sieben" von bereits hohem Niveau weiter aus. Unbestritten weisen die meisten Unternehmen innerhalb der glorreichen "FANG+" Gruppe robuste Geschäftsmodelle und eine hohe Qualität auf. Sie steigern Umsätze und Gewinne und verfügen nicht nur über sehr solide Wettbewerbsvorteile, sondern meist über monopolartige Stellungen. Ob "gute Unternehmen" aber für deren Anleger auch zugleich "gute Aktien" sind, ist keineswegs garantiert, sondern hängt vom (variablen) Preis ab, der für einen entsprechenden (recht fix umrissenen) Wert gezahlt wird. Immer wieder haben sich in der Kapitalmarkthistorie wachstumsstarke Unternehmen, die zum jeweiligen Zeitpunkt als unbezwingbar galten, als im Ergebnis enttäuschende Investitionen gezeigt, weil viele Anleger sie auf viel zu teurem Niveau erwarben. Beispiele sind die Eisenbahn-Aktien, die in den USA 1873 und 1901 in eine Verkaufspanik gerieten, die "Nifty Fifty" Ende der 1960er Jahre oder eben schon einmal, mit hoher Analogie zur heutigen Situation, Technologieaktien zur Jahrtausendwende. 

Ein Beispiel aus jüngerer Vergangenheit ist auch die zuletzt enttäuschende Wertentwicklung in vielen "grünen Aktien". Unter den gleichen unrealistischen Prämissen, die in einigen europäischen Ländern Energiepolitik und Industrieregulierung leiten, wurden viele Geschäftsmodelle in den Bereichen erneuerbare Energien, Recycling, Dämmung, energetische Sanierung oder Elektromobilität mit derartig absurden Phantasie- und Hoffnungswerten ausgestattet, dass es für die resultierenden Aktienbewertungen faktisch keinerlei realistisches ökonomisches Szenario mehr gab, welches die hohen Aktienpreise hätte rechtfertigen können. Seit dem Hochpunkt der grünen Blase im Jahr 2021 mussten viele Unternehmen in diesen Segmenten, die bis vor kurzem noch als "sichere Wetten" galten, herbe Kursverluste hinnehmen. 

Investmentimplikationen: Wir hatten in diesem Kontext wiederholt darauf verwiesen, dass das Beibehalten einer in fundamentaler Bewertungsdisziplin geankerten Aktienselektion über einen vollständigen Investmentzyklus hinweg stets dem Nachjagen vermeintlich "unverzichtbarer" Trends überlegen ist. Die Präferenz für Substanzwerte, für bewährte Geschäftsmodelle zu angemessenen Preisen, das Bestehen auf einer Sicherheitsmarge sind keine Garantie für eine hundertprozentige Vermeidung von Fehlgriffen in der Aktienauswahl, können aber vor größeren Portfolioschäden schützen, wenn klumpenartige Risikoverdichtungen in einzelnen in Mode gekommenen Stilen vermieden werden können. Fallen diese Stile aus der Mode, bzw. kehrt Realismus hinsichtlich tatsächlich möglicher Bandbreiten in künftigen Umsatz- und Gewinnentwicklungen ein, folgen oft dramatische Kursverluste in den zuvor populären Investmentthemen. Wir sehen in der Entwicklung der "glorreichen Sieben" und arrondierenden (oft "KI"-nahen) Technologieaktien klare Anzeichen einer spekulativen Überhitzung und fühlen uns weiterhin wohl, in dem wir die meisten dieser Werte meiden. 

Viele Technologiewerte und FANG+ Aktien sind anhaltend zur Perfektion gepreist. Ihre Bewertungen bieten weder eine Sicherheitsmarge für zyklische Gewinnenttäuschungen, noch für grundsätzlichere Risiken, deren Eintrittswahrscheinlichkeit momentan gering erscheinen mag, aber nicht bei null liegt. Zu diesen nicht-gepreisten Risiken zählen aus unserer Sicht:

  • Wettbewerb: Über kurz oder lang schaffen margenstarke, erfolgreiche Geschäftsmodelle Anreize für das Auftreten besserer, schnellerer, innovativerer Konkurrenz, der die Platzhirsche, je größer, älter, schwerer und unbeweglicher sie werden, immer weniger entgegenzusetzen haben. Auch wenn es heute weitgehend unvorstellbar scheint, könnten über Preis oder Qualität (vgl. z.B. auffällig viele Fehlfunktionen im neuen iPhone 15) oder Substitution das Geschäftsmodell einiger der "glorreichen Sieben" durchaus sukzessive in Bedrängnis geraten 
  • Globaler Protektionismus: Der scharfe Anti-China-Kurs der US-Administration beschädigt aktuell schon Absatzpotenziale vieler Unternehmen im Halbleiterbereich. Deren Produktion ist häufig nach Taiwan ausgelagert und bringt ganz eigene Risiken mit sich. Die politisch forcierte Rückholung der Produktion in heimatnahe, "freundliche" Staaten ("Friendshoring") dürfte zum massiven Kostentreiber werden und könnte Friktionen in der Fertigungsqualität auslösen. Als unbeabsichtigte Nebenwirkung zwingt der rustikale Kurs der Amerikaner chinesische Unternehmen stärker in eigene Innovation, daraus entsteht neue Konkurrenz (vgl. z.B. die jüngste, beeindruckende Eigenentwicklung leistungsfähiger 5G-Chip durch Huawei, allein über diesen Effekt werden chinesische Anbieter Marktanteile gegen Apple gewinnen). Speziell die Nvidia-Aktie lässt keinerlei gepreistes Risiko für die starke Taiwan-Exponierung erkennen. 
  • Gegenprotektionismus: Momentan genießen viele der "glorreichen Sieben" einen weitgehend ungehinderten Zugang zu den wichtigsten globalen Absatzmärkten. Es ist aber durchaus kein Naturgesetz, dass dieser derzeit komfortable Zustand dauerhaft in die Zukunft fortgeschrieben werden kann. Ungemach droht dabei am offensichtlichsten aus China, wo die Nutzung von Apple-Geräten für Staatsbedienstete als "Sicherheitsrisiko" bereits untersagt ist. Relevanz hat China vor allem bei Apple auch als wichtigster Produktionsstandort. Re-Shoring-Notwendigkeiten würden die Kostenseite entsprechend belasten. Produktion und Distribution in den inzwischen hochpolitischen Halbleitermärkten dürften weitere Einschränkungen zulasten der Anbieter erfahren. Generell ist nicht auszuschließen, dass das politische Europa, je stärker die desolate heimische Wirtschaft in Bedrängnis gerät, spät aber doch noch Eigeninteressen wiederentdeckt und reflexartig in Ablenkungsmanövern vom eigenen Versagen nach "Buhmännern" im Äußeren sucht. Der US-"Inflation Reduction Act" mit seinen grenzwertigen Wettbewerbsverzerrungen ist dabei eine dankbare Steilvorlage, nach populistischen Vergeltungsmaßnahmen zu rufen, die dann insbesondere auf die Marktmacht der großen US-Technologieunternehmen abzielen könnten.
  • Margenrisiken: Sie resultieren aus der klar gestiegenen Verhandlungsmacht der Arbeitnehmer bei zunehmender Spezialisierung der Jobprofile und auch aus politischen Begehrlichkeiten in Hinsicht auf die hohe Profitabilität. Eine höhere Besteuerung der großen Technologieunternehmen würde gerade auf deren exorbitante Steuerbasis angewendet beträchtliche Summen in die Staatskassen spülen. Zusätzliche Steuereinnahmen könnten in Anbetracht der hohen Verschuldung bei steigenden Zinsen und anhaltend hohen Staatsausgaben zur Notwendigkeit werden. 
  • Kartellrecht: Die Wirtschaftsgeschichte der Vereinigten Staaten zeigt klar, dass oftmals spät, aber schließlich doch Anti-Trust-Gesetzgebung einsetzte, wenn Marktmacht und Konzentration neuartiger und schnell wachsender Industrien zu dominant wurden. Beispiele sind die wettbewerbsrechtlichen Maßnahmen gegen die Öl- und Eisenbahnkartelle im letzten und vorletzten Jahrhundert oder die in den 1970er Jahren eingeleiteten Maßnahmen gegen die Marktmacht im Telekomsektor (AT&T/Bell). Interessanterweise resultierten Kartellmaßnahmen nicht nur auf Initiative des Gesetzgebers (Sherman Antitrust Act von 1890 und Clayton Antitrust Act von 1914), sondern wurden teils auch vom Obersten Gerichtshof mandatiert, wie im Fall der gegen Standard Oil gerichteten Auflagen im Jahr 1911. Aktuell wird kaum zu bestreiten sein, dass viele der "Glorreichen Sieben" eine marktdominierende Stellung innehaben. 

Bislang stand diese Konzentration noch nicht im sehr engen Fokus der Wettbewerbsbehörden. Die großzügige Haltung der Wettbewerbshüter könnte sich ändern, wenn die 2024 anstehende Präsidentschaftswahl eine neuerliche "politische Zeitenwende" mit sich bringt. Die Mehrzahl der (meist in Kalifornien beheimateten) Technologiekonzerne hat sich sehr einseitig der Agenda und den Interessen jener der Demokratischen Partei nahestehenden "Rich Men North of Richmond” angedient, die als Investoren oder Lobbyisten oder Funktionsträger in staatlichen und staatsnahen Bereichen eine große Nähe zur wenig volksnahen Ausrichtung bestimmter Unternehmensgrundsätze aufweisen. Der Song des zuvor gänzlich unbekannten Oliver Anthony über die reichen Männer nördlich von Richmond avancierte mit mehr als 80 Mio. Youtube-Abrufen binnen zwei Monaten schnell zur Hymne der vernachlässigten Mittelschicht in den USA und traf dabei zielsicher einen Nerv. Die von den großen Technologiekonzernen unter aktiver Beihilfe ermöglichte Verengung des zulässigen Themenspektrums und die einseitige Parteinahme mit zensurähnlichen Methoden, die als "Cancelling", "Deplatforming" oder "Demonetarisierung" beschrieben werden, sind in den Kongressanhörungen von Michael Shellenberger (der die Technologieunternehmen einem "Zensur-industriellen Komplex" zuordnet) und in der Aufarbeitung der "Twitter Files" dokumentiert. Die überaus fragwürdigen Geschäftspraktiken bieten reichlich Angriffsfläche für diesen Methoden gegenüber weniger toleranten Regulierungsbehörden, die nach 2024 mit denkbaren Verschiebungen der Mehrheiten aus anderen Lagern des politischen Spektrums besetzt werden könnten. Auch für dieses (selbstgewählte) Risiko bieten die Bewertungen der hier exponierten "Glorreichen" keine Sicherheitsmarge. 

Die hohe Konzentration im Technologiebereich, die oft nahe an eine Monopolisierung reicht, hat noch weiterreichende Konsequenzen. Satte Oligopole und Monopole liefern definitionsgemäß keine optimalen Produkte zu optimalen Preisen mehr. Ihre Anreize zur Weiterentwicklung und ständigen Verbesserung sind begrenzt. Ihre bloße Existenz bedeutet schlechtere Ergebnisse für Kunden und beschädigt Innovation und Wettbewerbsdynamik. Viele der FANG+ Unternehmen erfahren Lob von Analysten und Anlegern für ihre robusten Gewinnsteigerungen in den letzten beiden Jahren. Den Technologieunternehmen ist es meist gelungen, Preise kräftig anzuheben, ohne dabei eine Abwanderung der Kunden fürchten zu müssen. Oft haben Kunden in Märkten und Produkten mit einem oder zwei Anbietern schlicht keine Wahl. Diese Marktposition wird von vielen Unternehmen aktuell äußerst extensiv genutzt und deren Preisanhebungsverhalten oft gar als "Greedflation" ("Gierflation") bezeichnet. Wir selbst sind dieser Entwicklung im Einkauf von Finanz- und Indexdaten als Leidtragende ausgesetzt. Wir beobachten auf Seiten einiger der quasimonopolistischen Anbieter von Finanzdaten ein zunehmend von Gier und Maßlosigkeit geprägtes Geschäftsgebaren. Während sie und andere Anbieter Monopolrenten vereinnahmen, entsteht auf der Käuferseite entsprechender Schaden aus Mehraufwänden. Im Ergebnis führen Fehlleitung von Ressourcen und geringere Produktivität gesamtvolkswirtschaftlich zur schleichenden Degression von Wertschöpfung und Wohlstand. 

Als eine Folge der überlockeren Geldpolitik ist der Trend zur Oligopolisierung nicht nur im Technologiebereich verbreitet. Weil über Jahre im Rausch des billigen Geldes die finanziellen Anreize für fremdfinanzierte Fusionen und Übernahmen höher waren als für Eigenentwicklung und für Forschung und Entwicklung bestand in vielen Branchen ein natürlicher Druck hin zu größeren Einheiten. So sind heute viele Sektoren geprägt von ein oder zwei Anbietern, die 80-90% des Marktes oder bestimmter Teilmärkte kontrollieren. Beispiele finden sich etwa bei Düngemitteln, in der Verarbeitung von Nahrungsmitteln, bei Kreditkarten, Tourismusportalen, Finanz- und Indexdatenanbietern oder auch in vielen Unterhaltungsindustrien. Wo hohe Konzentration und niedrige Wettbewerbsintensität vorherrschen, besteht die Gefahr am Bedarf des Marktes vorbeizuproduzieren. Die "schöpferische Zerstörung" bleibt aus. In einigen Branchen zwingen die staatliche Überregulierung und daraus anfallende Kosten zu Größe. Eine ungünstige Folge kann höhere Verquickung mit staatlichen Institutionen und deren Interessen sein. Nicht selten sind dann weitere Beschädigungen marktwirtschaftlicher Prinzipien zu erwarten.

Eine solche Dynamik droht auch im Bereich der tagesaktuell viel diskutierten Künstlichen Intelligenz (KI), wo sich zahlreiche Regulierer vorsorglich schon selbst einmal auf den Plan rufen, bevor überhaupt klar umrissene Anwendungen und Geschäftsmodelle existieren. Die Regulierungsrisiken sind entsprechend auch eine von vielen Enttäuschungsquellen für die extrem hohen Kurs-Hoffnungs-Verhältnisse, die sich in den Bewertungen vieler KI-Unternehmen zeigen. Ökonomisch interessante KI-Anwendungen erfordern zunächst große Mengen an Daten – und vor allem großen Mengen an qualitativ hochwertigen Daten. Nur wenige Unternehmen verfügen selbst über Zugang oder Eigentum an dieser Art Datenqualität. Speziell in Europa dürften viele erhoffte KI-Anwendungen dabei schnell an die Grenzen der vorherrschenden Datenschutzregulierungen stoßen. Wie vor einigen Jahren im Bereich erneuerbarer Energien der Fall, sind die derzeit an den Märkten gehandelten Erwartungen für das wirtschaftliche Potential von KI vielfach erkennbar von Wunschdenken und wirklichkeitsfremden Annahmen geprägt. Viele der eher utopischen Hoffnungswerte bestehen einfache Plausibilitätschecks nicht oder werden sich nicht so einfach und/oder so schnell monetarisieren lassen, wie Marktpreise suggerieren. Als ein Beispiel erscheinen viele Träume von Digitalisierung und KI in Bereichen des Gesundheitswesens - wie Diagnostik und Therapie - im Zielbild zwar unbedingt als erreichenswert, doch ist der Weg dahin ausgehend vom Status Quo heute üblicher Prozesswelten (in Deutschland etwa bei einfachen Terminvereinbarungen bei einem Facharzt) vermutlich weit. 

Zum möglichen Schicksal der "Glorreichen Sieben" ist ein finales Wort der Warnung angebracht. Die Marketingstrategen der Wall Street sind in der Erfindung griffiger Werbeformeln, wie eben bei den "Magnificent Seven", immer schnell mit eingängigen Begrifflichkeiten zur Hand. Nicht immer scheinen diese Vermarktungsansätze vom Ende her gedacht: Wir rufen daher gerne in Erinnerung, dass das letzte Gefecht für vier der sieben glorreichen Revolvermänner im Westernfilm aus dem Jahr 1960 kein gutes Ende nimmt…

Rentenmärkte aktuell interessanter für Neuanlagen

Nach den nochmaligen, kräftigen Zinssteigerungen im Herbst sind die europäischen und amerikanischen Anleihemärkte auf Kurs, das dritte Jahr in Folge einen negativen Gesamtertrag zu produzieren. Entsprechend einer Auswertung der Bank of America gab es eine Negativserie von drei aufeinanderfolgenden Verlustjahren bei US-Staatsanleihen noch nie zuvor seit dem Jahr 1787. Zumindest sind die Zinskurven im Zuge der jüngsten Versteilerung ("Bear steepening") nun mit etwas ansprechenderen Laufzeitprämien ausgestattet als zuvor. Wir hatten lange bemängelt, dass die Zinssätze am langen Ende noch nicht ausreichend für die verbliebenen Risiken kompensieren. 

Unverändert bestehen nennenswerte Zinsaufwärtsrisiken fort. Dazu zählen in den USA die robuste Konjunktur und anhaltende Vollbeschäftigung. Zugleich heizen die extremen Fiskaldefizite den Angebotsdruck an, im kommenden Jahr werden 31% der ausstehenden US-Staatsschulden fällig und müssen refinanziert werden. Der Refinanzierungsbedarf trifft dabei auf eine denkbar ungünstige Angebots-Nachfrage-Dynamik, weil wesentliche Käufer der Vergangenheit (Fed, asiatische Staaten, japanische Anleger im Zuge der Entbindung der Zinskurvenkontrolle) ausfallen. Der markante Ölpreisanstieg seit Juni 2023 treibt die Inflationserwartungen weiter an.  

Investmentimplikationen: Die aktuelle Marktdynamik gilt es zu respektieren. Am langen Ende erzielbare Endfälligkeitsrenditen im Dollar und Euro mögen auf einige Anleger inzwischen ansprechend wirken. Tatsächlich könnte der Zeitpunkt nahe sein, an dem auch längere Restlaufzeiten wieder mit angemessenen Laufzeitprämien ausgestattet sind. Solange der Aufwärtsdruck auf die Renditen aber mit aktueller Vehemenz anhält, mahnt das Momentum noch zur Vorsicht. Wir bleiben mit Blick auf längere Laufzeiten zunächst noch zurückhaltend und risikokontrolliert, sehen aber erste Gelegenheiten, inkrementell in einzelnen, auf den Kurven besonders attraktiv gepreisten Anleihen, Zukäufe zu tätigen. Die sehr auskömmlichen Renditen in kurzen und mittleren Laufzeiten erlauben Anlegern momentan auch gut bezahlte Geduld aufzubringen. Geldmarktnahe Parkpositionen in besten Bonitäten weisen im Spektrum der Anlagemöglichkeiten aktuell eine hohe Attraktivität auf. Entsprechend gestaffelte Fälligkeiten ermöglichen die sukzessive Wiederanlage in weiter verbesserten Opportunitäten in längeren Laufzeitbändern oder risikooffensiveren Anlagesementen. 

An den Aktienmärkten besteht ein sehr weiter Bewertungsgraben zwischen den glorreich-teuren Technologiewerten und vielfach moderat bepreisten Dividendenpapieren außerhalb der spekulativ überhitzten Marktsegmente. Der Gesamtmarkt erscheint mit hohen Indexgewichten der FANG+ Werte optisch teuer. Ohne diese Konzentrationsrisiken sind viele Aktienmärkte bereits mit vertretbaren Bewertungen versehen. Das Sentiment mutet stark aber spätzyklisch an. Die Warnsignale für Aktien verdichten sich, die Konjunktur- und Gewinnrisiken sind kaum übersehbar. Ähnlich wie 2007/08 zeigen sich Anleger weitgehend unbeeindruckt von steigenden Zinsen und steigenden Ölpreisen. Nötige Bewertungskorrekturen bei Aktien werden schlussendlich am Ende eines Kapitalmarktzyklus doch stets vollzogen, wenn sich entweder die Kaufbereitschaft aufgrund besserer Alternativen (Cash, Anleihen) erschöpft, oder erzwungen, wenn exogene Schocks (wie 2008) die Risikobereitschaft abrupt beenden. 

Investmentimplikationen: Während bei Anleihen ein Großteil der Alles-Blase rückabgewickelt scheint und die Risikokompensation in vielen Rentensegmenten aktuell bereits als attraktiv gewertet werden kann, müssen die Aktienmärkte noch durch eine finale Bewertungskorrektur, bevor die Kaufsignale auf grün schalten können. Nach gängigen fundamentalen Bewertungsmethoden besteht in einigen Aktienmarktsegmenten kein größerer Korrekturbedarf mehr. Dem entgegen bleibt die Warnung vor enormem Korrekturpotential in den "Glorreichen Sieben" und in deren Peers bestehen. Wir sehen es als sehr unwahrscheinlich, dass sich der Gesamtmarkt einer Abwärtsdynamik in diesen Werten entziehen könnte. Eine FANG+ Bewertungskorrektur würde auch auf dem Aktienmarkt als Ganzes lasten. Dennoch finden langfristig orientierte Anleger, für die zwischenzeitliche Schwankungen kein primäres Risiko darstellen, auch aktuell eine Reihe vertretbarer Investitionsmöglichkeiten an den Aktienmärkten vor. Selbst in Europa können global ausgerichtete, gut geführte Unternehmen identifiziert werden, die genügend Sicherheitsmarge auch für anhaltend adverse Zukunftsszenarien bieten. Klassische Profiteure des globalen "Onshoring"-Trends, beispielsweise ausgewählte Qualitätsunternehmen in den Bereichen Industrie, Lager- und Logistik-REITS, Eisenbahnen oder Baustoffe könnten sich bei sorgfältiger Selektion auf Basis aktueller Kaufpreise als langfristig lohnende Investitionen erweisen. 

Abb. 15: Gold angesichts deutlich gestiegener Realzinsen erstaunlich stabil [Bloomberg]Abb. 15: Gold angesichts deutlich gestiegener Realzinsen erstaunlich stabil [Bloomberg]

Der Goldpreis konnte sich zuletzt (und auch schon vor Beginn der Instabilität im Nahen Osten) erstaunlich stabil halten, betrachtet man die beiden normalerweise stark Gold-negativen Faktoren der Dollarstärke und vor allem der deutlich steigenden Zinsen. Gold profitiert anhaltend von den Käufen asiatischer Notenbanken. Auch wenn der Gipfel der BRICS+ Staaten im August 2023 in Südafrika keine konkreten Schritte in Richtung einer möglichen stärkeren Zusammenarbeit bei der gemeinsam angestrebten Unabhängigkeit vom Dollar-System erbrachte, verwies das Schlussprotokoll doch auf einen Arbeitsauftrag an beteiligte Finanzminister und Notenbanken, Möglichkeiten der stärkeren Nutzung von Lokalwährungen im gegenseitigen Handel zu erforschen. Für die technische Verrechnung einer solchen dollarunabhängigen BRICS+ Währungsarchitektur bleibt Gold ein logischer Kandidat, etwa als Basis für eine mögliche gemeinsame Handelswährung. Noch scheint es an Kohäsion unter den sehr unterschiedlichen Staaten zu fehlen und zu heterogen wirken oft die Interessen zwischen Defizit- und Überschussländern, zwischen Rohstoffimporteuren und -exporteuren, zwischen eher westlich geprägten und eher in östliche Einflusssphären eingebundenen Staaten. 

Jedoch könnte der verschärfte geopolitische Konfrontationskurs und die von den USA mit harten Handelsbandagen geführte Auseinandersetzung um die globale Vormachtstellung entsprechende Überlegungen beschleunigen. Unverändert gilt: Der Osten hat Assets, der Westen hat Schulden. Die BRICS+ Staaten weisen einen erheblichen Handels- und Leistungsbilanzüberschuss gegenüber dem Westen auf und haben enorme Goldreserven aufgebaut. Eine mögliche Re-Monetarisierung des Goldes innerhalb der globalen Finanzarchitektur würde die erst seit 1971 bestehende Anomalie der vollständigen Entankerung des Geldes von seiner Basis beenden. 

Investmentimplikationen: In einem Multi-Asset-Portfolio bedarf es keines solchen zusätzlichen Katalysators, um Rolle und Aufgabe des Metalls zu erklären. Weiterhin genügen günstige Korrelationseigenschaften gegenüber den traditionellen Anlageklassen und die historisch belegte Eignung, Kaufkraft zuverlässig zu erhalten, um Gold eine zentrale Rolle in der Portfoliokonstruktion einzuräumen. 

Grundsätzlich sind die Gesamtertragserwartungen für ein wohldiversifiziertes Mischportfolio zum aktuellen Zeitpunkt gar nicht so schlecht und in jedem Fall sehr viel besser als über weite Strecken der letzten Jahre. Wählt man den Oktober 2023 als Startzeitpunkt für eine Investition, dürfte der Ertrag über den nachfolgend vollständigen Kapitalmarktzyklus (von 5-7 Jahren) zumindest wieder den realen Kapitalerhalt ermöglichen und darüber hinaus auch Gesamterträge zulassen, die im Vergleich zu Startzeitpunkten während der "Alles-Blase" näher an der historischen Norm einer angemessenen Risikokompensation liegen. Das Ablassen der "Alles-Blase" über deutlich gestiegene Realzinsen eröffnet nach vorn wieder verbesserte Anlagemöglichkeiten. Vor allem im Anleihebereich muss nicht mehr mühsam nach Oasen in der Zinswüste gesucht werden, wie es über weite Strecken der letzten Jahre der Fall war. Während dieser Zeit hatten wir wiederholt vor der Gefahr der "7 mageren Jahre" für Anlagerträge gewarnt, die notwendigerweise, auf sieben (durch Realzins-Suppression künstlich herbeigeführte) "fette Jahre" folgen müssten. 

26 Die sieben schönen Kühe sind sieben Jahre und die
sieben schönen Ähren sind sieben Jahre. Es ist ein und
derselbe Traum.
27 Die sieben mageren und hässlichen Kühe, die
nachher heraufkamen, sind sieben Jahre und die
sieben leeren, vom Ostwind ausgedörrten Ähren sind
sieben Jahre Hungersnot.
28 Das ist es, was ich meinte, als ich zum Pharao
sagte: Gott ließ den Pharao sehen, was er vorhat:
29 Sieben Jahre kommen, da wird großer Überfluss in
ganz Ägypten sein.
30 Nach ihnen aber werden sieben Jahre Hungersnot
heraufziehen: Da wird der ganze Überfluss in Ägypten
vergessen sein und Hunger wird das Land auszehren

Genesis 41

Nun scheint es, dass ein Großteil der mit der Realzinsnormalisierung einhergehenden Ertragsdürre statt in einer Serie von mageren Jahren mit unterdurchschnittlichen Erträgen bereits weitgehend in den Kursverwüstungen eines einzigen, sehr mageren Jahres (2022) verarbeitet worden ist. Im Ergebnis ist die Zeitschiene unterschiedlich, der Effekt aber ähnlich: Weil Investmenterträge in allen Anlageklassen stark vom Realzinsniveau zum Ausgangszeitpunkt einer Investition abhängen, sind mit aktuell wieder positiven Realzinsen auch verbesserte Gesamtertragsmöglichkeiten für die kommenden Jahre wiederhergestellt. Finden auch die Aktienmärkte noch durch ihre in diesem Zyklus final notwendige Bewertungskorrektur hindurch (und bleiben die Realzinsen in diesem Zuge positiv), könnten sich für Mischportfolien nachfolgend durchaus ansprechende Ertragsaussichten präsentieren. 

Autor:
Bernhard Matthes, CFA | Bereichsleiter BKC Asset Management | Bank für Kirche und Caritas eG
Bernhard Matthes, CFA

Bereichsleiter BKC Asset Management
Bank für Kirche und Caritas eG

 

[ Bildquelle Titelbild: Generiert mit Midjourney AI ]
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