Länderrisiken finden Eingang in die Risikostrategien

Länderrisiken aus der Perspektive des Risikomanagements


Länderrisiken aus der Perspektive des Risikomanagements News

Die Bedeutung von Länderrisiken nimmt erkennbar zu. Einst als exklusive Domäne der Ratingagenturen und Kreditversicherer erachtet, erlangt in jüngerer Zeit die professionelle Analyse von Country Risks auch für andere Branchen eine erhöhte Bedeutung, denn die hohe Verschuldung der Staaten in Europa wird sich mittelfristig auch auf die Konjunktur und das Zahlungsverhalten der Unternehmen auswirken. Das erwartet zumindest der Kreditversicherer Coface. Der internationale Forderungsspezialist verzeichnet im Moment zwar noch kein gravierend verschlechtertes Zahlungsverhalten von Unternehmen in Portugal, Spanien, Griechenland oder Irland. "Wenn die staatlichen Investitionsimpulse aber reduziert werden oder ausbleiben, was aufgrund der Sparnotwendigkeiten unausweichlich erscheint, müssen wir uns auf Probleme für Unternehmen in diesen Ländern einstellen", sagte Norbert Langenbach beim Kongress Länderrisiken von Coface Deutschland in Mainz. Klare "Gewinner" der Wirtschaftskrise sind nach Einschätzung von Coface die Schwellenländer. Bei weiterhin stabilen Wachstumsaussichten schwinden die Unterschiede zu den etablierten Industrieländern zusehends.

Das Länderrisiko bezeichnet per definitionem die speziellen Verlustrisiken im Außenwirtschaftsverkehr, etwa aus dem Export oder Finanzgeschäften von Kreditinstituten. Im Umkehrschluss könnte man meinen, dass dieses Risiko für nicht exportierende Unternehmen bzw. Non-Banks auch keine Rolle spielt. "Das ist allerdings ein Trugschluss", weiß Werner Gleißner, Leiter Risikoforschung der Marsh GmbH. Wichtig sei, Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge, sog. Risikointerdependenzen, zu erkennen und Wechselwirkungen bei den verschiedenen Risikokategorien im Risk Controlling zu berücksichtigen.

Im klassischen Credit Management konzentriert sich die Risikoanalyse meist auf die Fragen, wie hoch die Forderungsausfälle sind bzw. ob die vereinbarten Zahlungsziele von den Kunden eingehalten werden. Modernes Risikomanagement umfasst aber wesentlich mehr Risikokategorien, wie etwa Marktrisiken, operationelle Risiken, Liquiditätsrisiken oder externe Risiken. "Eine Steuerung dieses Risiko-Universums lässt sich nur über einen unternehmensweiten Gesamtrisikoansatz realisieren", sagt Hans-Peter Güllich, CEO der Avanon AG aus Zürich, die Standard-Softwarelösungen für Operational Risk und Compliance-Themen anbietet. Dass Länderrisiken in Europa schlagend werden, sei für viele Unternehmen neu. Doch theoretischer Natur ist dieses Szenario schon lange nicht mehr. Europa ist derzeit, trotz des unerwartet starken Wachstums der deutschen Wirtschaft, im Länderrating der Coface die Region mit eher negativen Tendenzen. Zwar besteht für Deutschland, Frankreich und die Niederlande seit Jahresbeginn wieder die Aussicht auf das Bestrating A1. Doch für viele wichtige Handelspartner deutscher Exporteure gibt es noch keine Entwarnung. So verharren die Bewertungen für Großbritannien und Italien auf A3. Irland, Portugal und Griechenland wurden zuletzt auf A4 abgestuft, Spanien steht ebenfalls auf der Watchlist für eine Abstufung. "Die Problemlage ist komplex", sagt Langenbach. "Die angespannte Situation der Staatshaushalte wird weiterhin flankiert von den Problemen vieler Banken. Da diese wiederum Gläubiger der Staaten sind, sehen wir eine Wechselwirkung, die dann auch auf die Kapitalausstattung, das Investitions- und Zahlungsverhalten der Unternehmen durchschlagen kann."

Das Ausmaß der Rezession wurde vor allem im Ausland verschuldeten Unternehmen häufig zum Verhängnis. Lettland, Bulgarien und Rumänien rutschten in den Ratingbereich B ab. Gegen den Trend behaupten sich in der MOE-Region allenfalls Slowenien und Tschechien sowie Polen und die Slowakei. Damit nähern sich die Schwellenländer immer stärker an die Industrieländer an. Vor der Krise war das niedrigste Rating bei den Industrieländern A2 – eine Bewertung, die zu diesem Zeitpunkt lediglich von neun Schwellenländern erreicht oder übertroffen wurde. Jetzt erzielen 27 Schwellenländer ein Rating, das gleich oder besser ist als das von Industrieländern. Dazu zählen China, Brasilien und Indien, deren Rating heute besser ist als jenes von Griechenland, Irland und Portugal.

Bei der Methode der Risikobewertung werden von den Ratinganalysten deshalb keine Unterschiede gemacht. Ursprünglich konzentrierte sich die Bewertung von Länderrisiken auf Schwellenländer, da bei diesen die Risiken hoch waren, nicht zuletzt aufgrund des Einflusses von Fremdwährungen. In der Eurozone hat sich jedoch gezeigt, dass auch mit hohen Schulden in der eigenen Währung eine Krise möglich ist. Ein solches Risiko sieht Coface beispielsweise auch für China oder Vietnam, die sich bevorzugt in Landeswährung bei inländischen Banken Kredite besorgen. Diese können jedoch häufig das Risiko der hoch verschuldeten Unternehmen nicht korrekt einschätzen, zumal bei der mangelnden Transparenz, die immer wieder anzutreffen ist.

Der Vorsitzende der Euro-Gruppe, Luxemburgs Ministerpräsident Jean-Claude Juncker (Foto oben), fordert angesichts der immer schwieriger zu erfassenden Länderrisiken strengere Regeln für das Wirtschaften der Euro-Staaten. Im Rahmen der Konferenz "Länderrisiken" in Mainz betonte er die Notwendigkeit, nach den Erfolgen der antizyklischen Fiskalpolitik während der Wirtschaftskrise wieder zu einer Politik der Haushaltskonsolidierung zurückzukehren. Gleichzeitig warnte er vor einer Umschuldung Griechenlands. Diese werfe erhebliche Folgefragen auf, die nicht zu überblicken seien. Juncker mahnte zudem eine fachliche Differenzierung an, denn die Schuldenkrise in manchen europäischen Staaten sei nicht mit einer Krise des Euros gleichzusetzen. "Das Euro-Geld ist stabiler, als es die D-Mark jemals war", so Juncker. Eine Euro-Krise gebe es nicht, wohl aber erhebliche Probleme in Griechenland, Irland und Portugal.

Prof. Dr. Peter Bofinger, Universität Würzburg.Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger (Foto rechts) hat sich dafür ausgesprochen, die Schuldenlast Griechenlands zu reduzieren und das Land zudem mit zinsgünstigeren Krediten zu versorgen. Das ist ähnlich wie bei einem Privathaushalt, der hoch überschuldet ist. Da muss man dann irgendwann die Verschuldung so reduzieren, dass der Betroffene damit zurechtkommt. Ich glaube, da führt in Griechenland überhaupt kein Weg dran vorbei. Alles andere hieße, den Kopf in den Sand zu stecken , sagte das Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Zudem sollte Griechenland Bofinger zufolge ermöglicht werden, seine Verschuldung mit niedrigen Zinsen zu refinanzieren. Man könnte das ja auch, weil die Fazilität, die das Geld für die europäischen Länder aufnimmt, dieses zu sehr niedrigen Zinsen bekommt. Und idealerweise würde man das mit einem nur sehr geringen Aufschlag an Griechenland weiterreichen, weil dann doch immerhin eine Chance bestünde, dass die Verschuldung bei niedrigen Zinsen zu bewältigen ist , sagte der Würzburger Ökonom. Voraussetzung sei selbstverständlich, dass Griechenland sich an seine Konsolidierungsziele halte. Beides zusammen würde Sinn ergeben. Es wäre quasi ein Fordern und Fördern: Fordern bei den Konsoliderungsprogrammen, Fördern bei den Zinsen. Wir haben jetzt leider die Konstellation, dass wir fordern und fordern, sprich, zusätzlich zu den harten Konsoliderungsanforderungen müssen diese hohen Zinsaufschläge gezahlt werden, was faktisch Strafzinsen sind. Und das macht es nahezu unrealistisch, dass Griechenland aus dieser Situation herauskommen kann , sagte Bofinger. Der Ökonomieprofessor sprach sich vor diesem Hintergrund erneut für die Emission gemeinsamer Euroland-Anleihen aus. Ich habe mehrfach für einen Eurobond plädiert, weil das eben den Problemländern hilft, zu niedrigen Zinsen mit den Schulden zurechtzukommen, es verhindert eine Schuldenspirale. Und gerade weil wir für diese Länder jetzt haften, sollten wir alles dafür tun, dass eine solche Schuldenspirale gestoppt wird , forderte er. Bofinger schlug vor, die Auszahlung von Eurobond-Mitteln an die Bedingung knüpfen, dass die Konsolidierungsprogramme eingehalten werden. Zudem könnte künftig bei einer Eurobond-Finanzierung vorgeschrieben werden, dass sich das betreffende Land sein Budget von der EU-Kommission genehmigen lässt. Das Problem, dass sich auf diese Weise Deutschlands Refinanzierung verteuern würde, sah Bofinger nicht.



[Bildquelle oben: Coface]

Kommentare zu diesem Beitrag

RiskNET Redaktion /26.05.2011 20:31
+++ IWF ersucht EU um Garantien für weitere Griechenland-Kredite +++

Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat am Donnerstag erklärt, dass die weitere Auszahlung von Krediten an Griechenland an gleichzeitige finanzielle Zusagen der EU gekoppelt sei. Gefragt, ob der IWF die nächste Tranche im Rahmen des internationalen Hilfsprogramms auch dann vornehmen würde, wenn die Europäer ihren Anteil nicht beisteuerten, antwortete IWF-Sprecherin Caroline Atkinson, dass der Fonds generell keine Kredite vergibt, wenn es Finanzierungslücken gibt.

Manche europäische Politiker haben in jüngster Zeit Zweifel am Nutzen weiterer Finanzspritzen geäußert und die Sorge bekundet, dass das hoch verschuldete Mittelmeerland die Kredite womöglich nicht zurückzahlen könnte.
RiskNET Redaktion /26.05.2011 20:33
+++ Juncker skeptisch wegen IWF-Hilfen für Griechenland +++

Eurogruppe-Vorsitzender Jean-Claude Juncker ist nicht sicher, ob der Europäische Währungsfonds (IWF) die nächste Tranche der vereinbarten Griechenland-Hilfen tatsächlich auszahlen wird. Er sei nicht der Sprecher des Internationalen Währungsfonds (IWF), aber dessen Regeln erlaubten eine Auszahlung von Mitteln nur für den Fall, dass es eine Finanzierungsgarantie für die nächsten zwölf Monate gebe, sagte Juncker am Donnerstag in Luxemburg und fügte hinzu: "Ich glaube nicht, dass die Troika zu dem Schluss kommt, dass dies der Fall ist."

Sollten die Europäer zu der Einschätzung kommen, dass eine Auszahlung durch den IWF vor dem 29. Juni aus technischen Gründen nicht möglich sei, würde der IWF erwarten, dass die Europäer einspringen. "Es hängt alles von dem in der kommenden Woche anstehenden Bericht ab", sagte Juncker. Der Eurogruppe-Vorsitzende sah allerdings keine besonders hohen Chancen, dass ein solches Vorgehen eine Mehrheit innerhalb der EU finden würde. Die Parlamente einiger Länder, zum Beispiel Deutschlands, Finnlands oder der Niederlande, seien dazu nicht bereit, sagte er.

Zu einer Laufzeitstreckung (reprofiling) äußerte sich Juncker skeptisch. Vor einem solchen Schritt müsse Griechenland sein Haushaltsdefizit unter Kontrolle bringen, sagte er.
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