Ein kleiner Crash aus dem sich doch viel lernen lässt: Am 10. Oktober brachen die Aktienmärkte weltweit ein; allen voran in den USA, wo der S&P 500 Index um 3,3 Prozent fiel. Ausschlaggebend waren die steigenden Renditen von Staatsanleihen, die auf mehrere Faktoren wie das sich abschwächende globale Wachstum, Handelsspannungen und politische Unsicherheiten zurückzuführen waren. Mittlerweile haben sich die Aktienmärkte wieder beruhigt und konnten zulegen – zugleich hat die Nachfrage nach als sicher geltenden Anlagen wie Anleihen nachgelassen. Allerdings lassen sich aus diesem Ereignis einige generelle Schlüsse ziehen, die Anleger mittel- bis langfristig beachten sollten.
US-Aktien sind angemessen bewertet, Schwellenländeraktien eher unterbewertet
Die tendenziell positiven US-Aktienbewertungen scheinen angesichts des starken Wachstums und der gesunden Unternehmensgewinne angemessen. Wir prognostizieren ein Real-BIP-Wachstum von 2,9 Prozent für dieses Jahr und ein jährliches Gewinnwachstum im unteren zweistelligen Bereich. Allerdings gehen wir davon aus, dass das Wachstum im kommenden Jahr auf 2,1 Prozent zurückgeht, wenn einerseits die Impulse durch fiskalpolitische Konjunkturmaßnahmen nachlassen und andererseits der Preisdruck steigt. So erwarten wir, dass die US-Aktienbewertungen noch bis 2020 zurückgehen.
Schwellenländeraktien scheinen gemessen an ihrer eigenen Historie und verglichen mit US-Aktien eher unterbewertet. Selbst nach der Kurskorrektur bei US-Aktien ist der MSCI EM Index immer noch günstiger bewertet als der S&P 500 Index seit 2004 [Quelle: Factset und IBES über Datastream].
Unstetigkeiten an den US-Aktienmärkten nicht besorgniserregend
Um erste Anzeichen für Exzesse an den US-Aktienmärkten abschätzen zu können, schauen wir uns die Marktnachfrage und -preise bei Börsengängen sowie die Marktreaktion nach der Erstausgabe an. Unternehmen haben zwar ihre Kurse für Aktienemissionen mehrfach angehoben, was wohl vorrangig der begleitenden Euphorie beim Börsengang geschuldet ist, denn die Aktienkurse haben dann nicht deutlich angezogen. Wir konnten unterm Strich aber keine schlechtere Qualität bei den Börsengängen feststellen.
Preissetzungsmacht gleicht Druck auf die Gewinnspannen aus
Die US-Unternehmensgewinne waren dieses Jahr bislang solide, wenngleich die Gewinnspannen laut Unternehmen durch höhere Produktions- und Arbeitskosten unter Druck geraten. Außerhalb jener Sektoren, die wie der Einzelhandel langfristig zu kämpfen haben, konnten beispielsweise Industriefirmen ihre Preismacht nutzen, um diese höheren Kosten wettzumachen. Wir schauen unter anderem auf die Gewinnmeldungen für das dritte Quartal, um festzustellen, ob ein starker makroökonomischer Hintergrund mehr Unternehmen erlaubt, ihre höheren Kosten so auszugleichen.
Makroökonomische Fundamentaldaten getrübt – mikroökonomische mit Lichtblicken
Außerhalb der USA ist das makroökonomische Umfeld aufgrund von nachlassendem Wachstum, Handelsspannungen und politischen Unsicherheiten deutlich differenzierter geworden. Das Wachstum in China hat nachgelassen und wird sich wohl noch weiter abschwächen – dies wird jedoch durch die geldpolitische Unterstützung teilweise wieder ausgeglichen. Das europäische Wachstum kehrt wieder zu einem trendähnlichen Tempo zurück und wird zugleich aber abgebremst von politischen Schwierigkeiten, die in erster Linie aus Italien kommen. Rohstoffimportierende Schwellenländer hingegen verspüren Gegenwind durch höhere Ölpreise.
Firmen, die von makroökonomischen Entwicklungen beeinflusst werden, litten unter diesen wirtschaftspolitischen Veränderungen. Bei japanischen Roboterherstellern beispielsweise gingen die Auftragseingänge aus China deutlich zurück. Hinter den makroökonomischen Wolken gibt es jedoch mikroökonomische Lichtblicke, etwa die Aktienmärkte der Schwellenländer. Hier entsteht ein langfristiges Wachstumspotenzial durch strukturelle Trends wie die steigende E-Commerce-Aktivität, höhere Ausgaben im Gesundheitswesen und technische Innovation.
Für die Zukunft: mehr Volatilität, aber nicht dauerhaft
Dieses Jahr könnte als das Jahr mit den meisten Marktbewegungen seit dem Höhepunkt der globalen Finanzkrise vor rund zehn Jahren in die Geschichte eingehen. Dabei waren nicht ein einzelner, sondern mehrere Faktoren verantwortlich für die zeitweise höhere Volatilität. Dazu zählen für die Märkte überraschende makroökonomische Daten, geld- und fiskalpolitische Veränderungen und das sich abschwächende weltweite Wirtschaftswachstum. Hinzu kommen internationale Wachstumsunterschiede, zunehmende politische Unsicherheiten, Handelsspannungen, höhere Ölpreise und ein Rückgang der globalen Liquidität. Hiervon waren Schwellenländer-Anlagen überproportional betroffen.
Weiter beeinflusst wird dieses schon abwechslungsreiche Umfeld von veränderten Marktstrukturen durch vermehrt systematische Handelsstrategien, die drastische Marktbewegungen mit sich bringen können. In unserem Jahresausblick 2018 rechneten wir bereits mit einer Wachstumsabschwächung und höherer Volatilität. Wir bleiben vorsichtig – sehen allerdings weiterhin vereinzelt positive Wachstumssignale. Hier bietet die Volatilität weitere Anlage- bzw. Einstiegschancen. Daher ist es unserer Ansicht nach für Anleger noch zu früh, in größerem Maße umzuschichten und ihr Risiko abzubauen.
Autorin
Marie Cardoen, Head of Retail bei Goldman Sachs Asset Management für Deutschland und Österreich