Economic Capital zur Unternehmenssteuerung

Manager bei einer risiko- und wertorientierten Vergütung zurückhaltend


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Weltweit sehen Versicherungsgesellschaften eine große Herausforderung darin, die zentralen Risiko- und Kapitalmanagement-Prozesse so umzusetzen, dass sie das volle Potenzial von Enterprise Risk Management (ERM) ausschöpfen können. Dies zeigt eine Studie, die Towers Perrin jüngst veröffentlicht hat.

Obwohl Versicherungsunternehmen Fortschritte bei der Integration von ERM in ihre Geschäftsprozesse gemacht haben, glauben mehr als die Hälfte (55 Prozent), dass noch erheblicher Aufwand erforderlich ist, bevor sie Economic Capital (EC) zur Risiko basierten Entscheidungsfindung einsetzen können. 60 Prozent gaben an, dass es noch beträchtliche Schritte erfordere, bevor die EC-Metrik in das Performance Management eingebaut werden kann. Über 40 Prozent konzentrieren sich nach wie vor darauf, die Grundlagen für ihre EC-Berechnungen zu schaffen.

Trotz der unbestrittenen Notwendigkeit zur Optimierung beeinflusst ERM bereits heute viele wichtige strategische Entscheidungen, wie die im Mai und Juni 2008 – vor Ausbruch der globalen Finanzkrise – durchgeführte Erhebung zeigt. Seit dem letzten ERM Survey 2006 haben mehr als 30 Prozent der Befragten Veränderungen in den Bereichen Risikostrategie oder Risikoappetit (36 Prozent), Kapitalanlagestrategie (35 Prozent) und Pricing (31 Prozent) vorgenommen.

"Die aktuelle Krise der Finanzmärkte, die labile Situation der globalen Wirtschaft und die nordamerikanische Hurrikan-Saison, die erhebliche Versicherungsschäden verursacht hat, unterstreichen, wie unerlässlich es ist, klar definierte Risikostrategien und -toleranzen zu haben," sagt Heijo Hauser, Managing Director bei Towers Perrin. "Nie war es wichtiger, einen ganzheitlichen Ansatz im Risikomanagement zu verfolgen, der die Risikotoleranz eines Unternehmens mit den Entscheidungen des Managements und der zur Verfügung stehenden Kapitalbasis verbindet und zugleich auf jeder Ebene ein durchdachtes Risikomanagement und eine umsichtige Planung gewährleistet."

Insgesamt scheinen Versicherungsunternehmen jedoch zurückhaltend zu sein, wenn es um die Verknüpfung der Managementbezüge mit der Risikoübernahme geht. Nur 30 Prozent der Befragten gaben an, dass sie Risikogrößen jedweder Art in Vergütungsmodelle einfließen lassen; nur 10 Prozent nutzen hierfür Economic Capital. 66 Prozent der weltweiten Versicherer wollen EC auch in Zukunft nicht in Vergütungssystemen einsetzen.
 
Europäische Versicherer sind die Sperrspitze

Bei der Einführung von Economic Capital und seiner Nutzung für Entscheidungsprozesse liegen europäische Versicherer vor den nordamerikanischen. Die Einsatzmöglichkeiten von EC, insbesondere im Rahmen von Solvency II, werden laut der Studie sowohl kurz- als auch langfristig zu niedrigeren Eigenkapitalanforderungen und Wettbewerbsvorteilen führen. Dabei legen europäische Versicherer kurzfristig größeren Wert auf die Nutzung von EC bei Unternehmensentscheidungen (56 Prozent) als Versicherungsunternehmen in Nordamerika (40 Prozent) und im asiatisch-pazifischen Raum (38 Prozent).

Darüber hinaus gaben 80 bis 90 Prozent der europäischen Versicherer an, Economic Capital im Laufe der nächsten zwei Jahre in den wichtigsten Entscheidungsprozessen einsetzen zu wollen. Unter den nordamerikanischen Versicherern planen dies 60 bis 75 Prozent, unter den Versicherern im asiatisch-pazifischen Raum 50 bis 65 Prozent.

Mehr als die Hälfte der europäischen Versicherer (52 Prozent) haben den Risikoappetit ihres Unternehmens definiert und dokumentiert, verglichen mit 40 Prozent der Versicherer in Nordamerika. Die Studienergebnisse zeigen auch, dass Gesellschaften in Europa (88 Prozent) eher geneigt sind, Risiko-Limits für das Management-Tagesgeschäft wie etwa Marktrisiken einzusetzen als die Wettbewerber in Nordamerika (61 Prozent).

Europäische Versicherer führen genauere Risikoanalysen durch und sind damit besser in der Lage, niedrige Eigenkapitalanforderungen zu erreichen. Fortlaufende Regulierungen schärfen außerdem das Bewusstsein für die Risikominderung, zum Beispiel für Hedging- und Rückversicherungsmaßnahmen.
 
Weitere wesentliche Ergebnisse der Studie:

  • Fähigkeiten im Operational Risk Management bleiben relativ schwach

    Nur 7 Prozent der Teilnehmer glauben, dass sie über ein hinreichendes Operational Risk Management verfügen. 37 Prozent sagten aus, dass hierzu noch erhebliche Schritte erforderlich seien – ein völliger Kontrast zu den Ansichten über Versicherungs-, Kredit- und Marktrisiken (neun, elf und 16 Prozent sehen hier noch wesentlichen Verbesserungsbedarf). Operative Risiken liegen zudem hinter anderen bei der Einschätzung von Risiko-Limits und Methoden zur EC-Berechnung.

    Operational Risk Management rangiert nur an siebter Stelle unter den kurzfristigen ERM-Prioritäten (so benannt von 41 Prozent der Befragten). Bei der Berechnung des EC für operative Risiken überwiegen relativ einfache, Faktor basierte Methoden (43 Prozent). Dabei nutzen nur 17 Prozent Stress-Tests und 16 Prozent stochastische Methoden. Die Zielsetzung bei europäischen Versicherern, ein internes Modell für die Berechnung von operativen Risiken anzuwenden (51 Prozent), fällt deutlich geringer aus als bei internen Modellen für Versicherungs-, Markt und Kreditrisiken (86, 80 und 65 Prozent).

  • Große Unternehmen liegen vorn. 

    Größere Gesellschaften sind in den meisten Bereichen der ERM-Implementierung wesentlich weiter fortgeschritten als der Rest des Marktes. So zeigen größere Versicherer (mit Umsätzen über 10 Mrd. USD) bereits ein stärkeres Bekenntnis zu Economic Capital: 84 Prozent berechnen bereits ihr EC, während dies nur 69 Prozent der mittelgroßen Unternehmen (mit Umsätzen von 1-10 Mrd. USD) und 37 Prozent der kleineren Unternehmen (mit weniger als 1 Mrd. USD Umsatz) tun. Ebenfalls führend sind größere Marktteilnehmer bei der Anwendung des EC: 44 Prozent setzen es bei der strategischen Planung und Kapitalallokation ein, dagegen nur 19 Prozent der kleinen Gesellschaften; 40 Prozent nutzen es für Produktgestaltung und Pricing, verglichen mit 17 Prozent der kleinen Unternehmen.

  • Marktkonsolidierung erscheint unumgänglich. 

    Größere Gesellschaften, die durch die umfassende Nutzung von ERM in ihren Entscheidungsprozessen  Wettbewerbsvorteile realisieren können, sind für Übernahmen von Firmen, die hier nicht mehr Schritt halten können, gut positioniert. Gegenüber der Studie im Jahr 2006 hat sich unter dem erwarteten Einfluss von Solvency II ein starker Trend zur Konsolidierung entwickelt (40 bis 50 Prozent der Befragten gehen von stärkerer Konsolidierung aus). Weniger wichtig seit 2006 werden dagegen die Kapitalbeschaffung und der Einsatz innovativer Finanzinstrumente eingeschätzt (von 55 auf 39 Prozent).


Fazit der Studie: Jedes Risiko ist zugleich Bedrohung und Chance – Unternehmen erkennen zunehmend die Notwendigkeit, dass sie ihre Risikosituation in der Gesamtheit steuern müssen und nicht nur die Risiken, die auf bewährte Weise oder einfach zu quantifizieren sind. Zukünftige Marktführer sind jene Gesellschaften, die eine stringente Risikokultur entwickelt haben und diese in allen Bereichen der Risikoanalyse und der Geschäftsprozesse auch leben.

[Bildquelle: Frank Romeike/RiskNET GmbH]

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