Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat wegen des niedrigeren Ölpreises und der weltweit lockeren Geldpolitik ihre Wachstumsprognosen für das laufende und kommende Jahr leicht angehoben. Vor allem für den Euroraum und Indien rechnet sie mit einem stärkeren Wirtschaftswachstum als im November 2014. Zugleich warnt die OECD vor den Risiken für die Finanzstabilität, die sich aus "anormal niedrigen" Inflationsraten und Zinsen ergeben.
Wie die OECD in ihrem Interimsausblick schreibt, rechnet sie für ihre Mitgliedsländer 2015 und 2016 mit einem Wachstum von 4,0 und 4,3 Prozent. Im November hatte sie Raten von 3,9 und 4,2 Prozent prognostiziert. "Der Rückenwind der niedrigeren Ölpreise und die Auswirkungen der lockeren Geldpolitik sind die Ursache des besseren Ausblicks", heißt es in dem Bericht. Seit der November-Schätzung seien die Ölpreise um 35 Prozent gefallen, die damaligen Prognosen hätten auf einem Durchschnittspreis von 85 US-Dollar basiert.
Profiteure sind vor allem die hoch industrialisierten Volkswirtschaften des Euroraums und Japans, aber auch Indien, dessen Wachstumsraten die Chinas im laufenden Jahr erstmals übertreffen werden. Die OECD hob die Wachstumsprognosen des Euroraums auf 1,4 (zuvor: 1,1) Prozent für 2015 und 2,0 (1,7) Prozent für 2016 an, was vor allem an besseren Wachstumsannahmen für Deutschland lag. Für das deutsche Bruttoinlandsprodukt erwartet die OECD jetzt (kalenderbereinigte) Anstiege von 1,7 (1,1) und 2,2 (1,8) Prozent.
Ihre Wachstumsvoraussagen für die USA ließ die in Paris ansässige Organisation unverändert bei 3,1 und 3,0 Prozent. Auch Chinas Prognose bewegte sich mit 7,0 (6,9) und 6,9 (6,9) Prozent kaum. Einen großen Sprung nach vorn machte dagegen Indien, dessen BIP-Prognosen die OECD auf 7,7 (6,4) und 8,0 (6,6) Prozent anhob.
Die weltweit niedrigen Leitzinsen sieht die Organisation wegen der ebenfalls niedrigen Inflation einerseits als gerechtfertigt an, andererseits sieht sie Stabilitätsrisiken.
"In vielen Ländern, vor allem in Europa, ist das Risiko einer zu lange zu niedrigen Inflation gestiegen. Stabile und leicht positive Inflationsraten sind vorteilhaft für eine Volkswirtschaft, weil so ein Anstieg der realen Schuldenlast vermieden wird und relative Preisanpassungen ablaufen können, ohne dass Preise und Nominallöhne sinken müssen", erläutert die OECD.
Allerdings hält die Organisation die zu beobachtenden Zinsrückgänge in einigen Fällen für übertrieben. "Die mangelnde Bepreisung von Risiken war die wichtigste Ursache der jüngsten Finanzkrise, und so eine Fehlbepreisung könnte sich auch jetzt zeigen. Es ist bemerkenswert, dass eine Reihe von Regierungen Schulden mit mittlerer Laufzeit zu negativen nominalen Zinsen aufnehmen kann."