Banker - dabei denken die meisten wohl an die blauen und gelben Kollegen aus Frankfurt - haben in diesen Tagen nicht den besten Ruf. In einer aktuellen Forsa-Umfrage für das Magazin Stern wurde ermittelt, zu welcher Institution die Deutschen großes Vertrauen haben: Auf Platz Eins steht die Polizei mit 81 Prozent, etwas weiter unten folgen der Bundespräsident mit 74 Prozent, Ärzte mit 74 Prozent, die Bundeswehr mit 61 Prozent, Sparkassen mit 54 Prozent, Bundesregierung mit 41 Prozent und so weiter. Sehr weit unten stehen Banken mit 21 Prozent und das Schlusslicht bilden Manager von Großkonzernen mit 8 Prozent.
Verwunderlich ist diese Einordnung von Banken in Anbetracht der Ereignisse in den vergangenen 18 Monaten nicht. Während sich die eine oder andere Bank noch schämen möchte staatliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, wird gerade bei diesen systemrelevanten Banken darüber spekuliert, ob sie denn überhaupt ein für die Zukunft tragfähiges Geschäftsmodell besitzen. Denn die Konzentration auf das Investmentbanking und die Vertreibung von für die Diversifikation wichtigen Kleinsparern aus den Marmorhallen der Filialen sorgt gerade bei diesen Instituten für eine hohe Anfälligkeit gegenüber der Finanzmarktkrise. Und ein Victory-Zeichen wurde hier auch lange nicht mehr gesehen.
Die Ereignisse seit dem telegenen Auftritt von Angela Merkel und der Aussage, dass die Einlagen von Privatkunden in Deutschland sicher seien, bieten ein Paradoxon zu dem sonst so selbstsicheren Äußerungen aus Frankfurts Hochhäusern und anderen Bankzentralen. Hatten doch gerade die Geschäftsbanken über Jahre hinweg die staatliche Gewährträgerhaftung für Sparkassen als Wettbewerbsvorteil bekämpft: Eine Bank muss auch pleite gehen können! Und wenn Sparkassen nicht pleite gehen können, weil der Staat im Hintergrund steht, so sei dies eine unzulässige Wettbewerbsverzerrung gegenüber den privaten Geschäftsbanken. Schließlich war die Lobbyarbeit erfolgreich, die Gewährträgerhaftung wurde gekippt und die Refinanzierungskosten für Sparkassen stiegen.
Staatliche Subventionen als Ursache für Wettbewerbsverzerrungen
Ausgerechnet diese Geschäftsbanken rufen nun als Erste nach staatlicher Hilfe, denn der Staat könne eine (systemrelevante) Bank doch nicht pleite gehen lassen. Staatlich gestützt bereiten die systemrelevanten Großbanken nun mit Kampfkonditionen um Kundeneinlagen den noch selbstverantwortlichen (kleineren) Instituten Konkurrenz. Jetzt will jeder an die kleinen Privatkunden heran. Und so werden mit Steuergeldern nicht marktgerechte Kundenkonditionen subventioniert um so die notwendige Liquidität zu erhalten, zu Lasten derjenigen Banken, die in der Vergangenheit mit unternehmerischer Verantwortung gewirtschaftet haben und folglich ohne die Milliarden an Steuergeldern ihren Geschäftsbetrieb aufrecht erhalten können.
Novellierung der MaRisk (BA)
Kein Wunder, dass diese Vernichtung von Steuergeldern von München über Frankfurt bis in den Norden und Osten für Handlungsdruck bei den Aufsichtsbehörden sorgt. Die haben nun in einem Vorschlag zur Novellierung der Mindestanforderungen an das Risikomanagement von Banken (MaRisk BA) die Spielregeln für Kreditinstitute verschärft.
Einige ausgewählte Änderungen werden im Folgenden genannt: Im allgemeinen Teil AT 2.2 steht nun: "Zur Beurteilung der Wesentlichkeit hat sich die Geschäftsleitung laufend einen Überblick über alle Risiken des Instituts zu verschaffen." Umgekehrt sind aber auch für "nicht wesentliche" Risiken angemessene Vorkehrungen zu treffen. Das wäre dann so zu interpretieren, dass wesentliche Risiken beachtet werden müssen, nichtwesentliche aber auch. Also wird es zukünftig schwieriger, (nicht wesentliche) Risiken einfach "wegzudefinieren" (vgl. auch AT 4.1, Risikotragfähigkeit).
Neue Bedeutung von Stress Tests auf Gesamtbankebene
In AT 4.3.2 Risikosteuerungs- und -controllingprozesse, Textziffer 3 wird neu geregelt, dass Stress Tests auf Gesamtbankebene unter besonderer Berücksichtigung von Konzentrationsrisiken zu erfolgen haben: "Auf der Basis der für die jeweiligen Risiken identifizierten maßgeblichen Einflussfaktoren sind für die wesentlichen Risiken regelmäßig angemessene Stress Tests anzustellen. Die Stress Tests haben auch gesamtgeschäftsbezogene Risiken, insbesondere Konzentrationsrisiken, und Risiken aus außerbilanziellen Geschäften zu adressieren. Die Stress Tests sind auf Gesamtbankebene durchzuführen."
Konzentrationsrisiken entstehen beispielsweise durch die Fokussierung auf bestimmte Märkte, Kundengruppen, Länder oder Regionen. Die Regulierung von Konzentrationsrisiken bildet einen der Schwerpunkte der MaRisk-Novelle und wird dort ausführlich im besonderen Teil BTR 5 behandelt: "Das Institut hat Risiken, die aus einer ungleichmäßigen Verteilung der Geschäftsaktivitäten beziehungsweise aus sektoraler, geographischer oder sonstiger Schwerpunktbildung entstehen und die relativ gesehen zum Risikodeckungspotential des Instituts zu erheblichen Verlusten führen können, angemessen Rechnung zu tragen. …" Die Anforderungen dieses Moduls beziehen sich auf Konzentrationen in Kreditportfolien.
Eine wichtige Neuerung für alle Kritiker von Risikomessungen auf Basis historischer Beobachtungen bildet AT 4.3.2 Risikosteuerungs- und -controllingprozesse, Textziffer 4: "Neben als wahrscheinlich eingestuften Entwicklungen haben die Stress Tests auch extreme, aber nicht unwahrscheinliche Ereignisse abzubilden. Dabei sind sowohl historische als auch hypothetische Szenarien darzustellen. Bei der Festlegung der Stress Tests sind die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu berücksichtigen."
Orientierung der Anreizsysteme am langfristigen Erfolg
Während die bisherigen Regelungen vorrangig für einen hohen Zusatzaufwand und Erschwernisse bei kleineren Kreditinstituten sorgen dürften, da diese meist nur knappe Kapazitäten im Controlling besitzen, dürfte die Änderung von AT 7.1 "Personal" insbesondere bei den Geschäftsbanken für Aufsehen sorgen: "Die Ausgestaltung der Anreizsysteme, insbesondere der Vergütungssysteme, muss mit den in den Strategien niedergelegten Zielen in Einklang stehen. … Die Vergütungssysteme müssen sicherstellen, dass sich der variable Teil der Vergütung an dem langfristigen Erfolg des Instituts orientiert. Zusätzlich sind die wesentlichen Risiken und deren Zeithorizont angemessen zu berücksichtigen …". Aus aufsichtsrechtliche Sicht ist zunächst entscheidend, dass der Messzeitraum für eine erfolgsabhängige Vergütung ausreichend langfristig gewählt wird, und zwar unabhängig davon ob die Messung vergangenheitsorientiert (beispielsweise drei bis fünf Jahre) oder zukunftsorientiert (etwa basierend auf "economic value added", EVA) erfolgt.
Kritische Würdigung von externen Ratings
Schwierigkeiten bei der praktischen Umsetzung könnte der besondere Teil BTO 1.2 "Anforderungen an die Prozesse im Kreditgeschäft" bereiten. Demnach kann "bei der Beurteilung der Adressenaus-fallrisiken (…) auch auf externe Quellen zurückgegriffen werden, soweit auf ihrer Grundlage eine sachgerechte Beurteilung der Risiken möglich ist. Das Institut hat in diesen Fällen die sich daraus ergeben Informationen hinsichtlich ihrer Aussagekraft kritisch zu würdigen." Kreditinstitute sollen sich nicht mehr blind auf externe Ratings verlassen dürfen. Soll demnächst die kleine Sparkasse um oder Genossenschaftsbank um die Ecke die Bonitätsbeurteilung von Unternehmensanleihen (Corporate Bonds) oder Staatsanleihen durch eine internationale Ratingagentur nachprüfen? Können Sie als Autofahrer das erteilte TÜV-Gutachten, als Patient ein Arzt-Gutachten vom Spezialisten oder als Rentner die Berechnung Ihrer Rente nachvollziehen?
In besonderen Teil BTR 2.1 "Marktpreisrisiken" ist in Textziffer 3 ein Ausfluss des Bewertungs-problems vieler Institute bei fehlenden Marktpreisen insbesondere für die Bewertung von Handelsbuchpositionen zu finden: "…Es ist zu überprüfen, ob die Verfahren (zur Beurteilung der Marktpreisrisiken, A.d.R.) auch bei schwerwiegenden Marktstörungen zu verwertbaren Ergebnissen führen."
Die Entdeckung von Liquiditäts- und Reputationsrisiken
Der besondere Teil BTR 3 regelt nun die Liquiditätsrisiken. Hier sind die umfangreichsten Ergänzungen und Änderungen zu finden: "Die Verfahren müssen gewährleisten, dass ein sich abzeichnender Liquiditätsbedarf frühzeitig erkannt wird." … "Auswirkungen anderer Risiken (z. B. Reputationsrisiken) auf die Liquidität des Instituts sind dabei zu berücksichtigen. …" Für kurzfristig eintretende Verschlechterungen der Liquidität hat das Institut ausreichend bemessene Liquiditäts-reserven vorzuhalten. Stress Tests, Notfallpläne und die Differenzierung nach Refinanzierungs- und Marktliquiditätsrisiken sind erforderlich. Refinanzierungsrisiken treten ein, wenn sich die Bonität eines einzelnen Kreditinstituts verschlechtert und in der Folge andere Kreditinstitute nicht mehr bereit sind Geld zu leihen. Marktliquiditätsrisiken treten auf wenn der gesamte Refinanzierungsmarkt nicht mehr liquide ist.
MaRisk-Novelle als große Hürde für kleinere und mittelständische Institute
Insgesamt bedeutet die MaRisk-Novelle insbesondere für kleinere und mittelständische Institute eine zusätzliche Hürde und Kostensteigerung im Controlling. Denn dort sind die Stabs- und Funktionsabteilungen klein gehalten. Der Tätigkeitsschwerpunkt liegt auf dem risikoarmen Privatkundengeschäft, teilweise auch auf der Betreuung von Gewerbe und kleinerem Mittelstand. Diese Banken haben jedoch nicht die aktuelle Finanzmarktkrise zu verantworten. Den größeren Instituten dürfte die Umsetzung der Novelle zumindest keine konzeptionellen Schwierigkeiten oder personellen Engpässe bereiten. Notfalls stehen noch Personalkapazitäten aus dem ehemaligen Investmentbanking zur Verfügung.
Abschließend kann gerade bei den risikoarmen kleinen und mittelständischen Kreditinstituten ein gewisser Unmut über die MaRisk-Novelle konstatiert werden: Eine stärkere und effektivere Aufsicht ist von allen gewünscht. Aber die aktuelle Novelle lässt einen Befreiungsschlag der vielfach kritisierten Aufsicht vermuten, der jedoch zu Lasten derjenigen geht, die die Krise nicht verursacht haben. Gleichwohl ist nicht zu erkennen, dass die neuen Regelungen sicher zu einer proaktiven Aufsicht und Vermeidung zukünftiger Krisen führen werden. An umfangreichen Regelwerken, daraus resultierenden Arbeitsanweisungen, Dokumentationen und Reports mangelte es im Bankgeschäft auch in der Vergangenheit nicht.
Weitere Informationen zur Novelle der MaRisk (BA) finden Sie hier
Entwurf der MaRisk in der Fassung vom 16.02.2009:
Kommentare zu diesem Beitrag
Einige Vorstände, Aufsichtsräte und Investoren sollten sich einmal an Kant erinnern (falls sie diesen Herrn überhaupt jemals kennengelernt haben). Er hat die Handlungsempfehlungen in eine einfache Formel gegossen, den sog. kategorischen Imperativs:
"Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde."
Anders formuliert: Wenn der Wille gut ist, dann ist auch die Handlung moralisch gerechtfertigt. Leider war der Wille nie gut - daher kann auch das Ergebnis moralisch nicht gerechtfertigt sein. Dummerweise müssen wir jetzt alle gemeinsam den Scherbenhaufen aufkehren.