Massive Panikverkäufe und die Angst vor einer weltweiten Rezession hatten bereits in den vergangenen Tagen die asiatischen Börsen erneut einbrechen lassen. Der japanische Nikkei fiel gestern so stark wie seit über 20 Jahren nicht mehr und schloss mit einem Minus von 9,6 Prozent bei 8276 Punkten. Zeitweilig stürzte der Nikkei-Index um über elf Prozent ab. Experten wiesen darauf hin, das die Ereignisse jenseits dessen sind, was Marktteilnehmer in früheren Crashs gesehen hätten.
Tiefrote Zahlen auch auf dem deutschen Börsenparkett: Der Dax fiel in den ersten Handelsminuten um mehr als zehn Prozent auf 4364 Zähler. Damit hat der deutsche Leitindex auf Wochensicht rund ein Viertel an Wert eingebüßt und den tiefsten Stand seit Ende Mai 2005 erreicht. Die Verlierer kommen nicht nur aus dem Bereich der Finanzdienstleister, sondern aus allen Sektoren. Auch der Dow Jones Euro Stoxx 50, ein Aktienindex mit den 50 großen börsennotierten Unternehmen der Eurozone, knickte zum Wochenausgang um 8,7 Prozent ein, Frankreichs CAC 40 und der Londoner FTSE 100 büßten etwa 8 Prozent ein. Sehr heftig trag es die Aktie der britischen Bank Barclays, die 20 Prozent ihrer Marktkapitalisierung einbüßte. Die Royal Bank of Scotland verlor 15 Prozent.
Vereinzelnd prognostizieren Experten sogar ähnlich Szenarien wie in den 1930er-Jahren als die Weltwirtschaft in eine Depression rutschte. Panikartige Verkäufe waren damals die Folge. An der Wiener Börse wurde der Handel bis 12 Uhr ausgesetzt, nachdem in der Alpenrepublik die Kurse um 10 Prozent einkrachten.
Die Gier nach mehr und die daraus folgende Instabilität
Würde Hyman Minsky noch leben, so hätte er in den vergangenen Monaten und Wochen die Möglichkeit gehabt, seine Thesen und Modelle empirisch zu validieren. Der Ökonom hat es in seinem Buch "Stabilizing an Unstable Economy" beschrieben, wie die Kombination einer langen Phase hohen und stabilen Wachstums mit niedrigen Zinsen zu einem übertriebenen Optimismus führt. Und genau diese Stabilität selbst ist die Ursache, die eine massive Instabilität hervorbringt, so Minsky.
Und insbesondere den Finanzinnovationen – man denke in diesem Kontext nur an das explosive Wachstum bei Derivaten - kommt laut Minsky eine Schlüsselrolle zu. Die Kausalkette ist einfach: Während der stabilen Phase wachsen die Schulden (beispielsweise als Unternehmenskredite oder Hypotheken) bis zu einem Punkt, an dem die Cashflows der Marktteilnehmer die wachsenden Kosten des Schuldendienstes nicht mehr tragen können. Parallel zu der wachsenden Verschuldung verändern Kreditgeber, Aufsichtsbehörden und Rating-Agenturen ihre Risikowahrnehmung. Die Folge ist, dass die Papierwerte an den Finanzmärkten immer mehr steigen und sich von den realen Werten lösen. Gleichzeitig sinken die Risikoprämien in den Keller. Und irgendwann kommt der Punkt, an dem die fragilsten Schuldner ihren Verpflichtungen nicht mehr nachkommen können. Die Kreditgeber ziehen die Notbremse und die Marktteilnehmer sitzen mitten in einer Kreditklemme. Kurzum: Die Blase platzt.
Die Analyse von Hyman Minsky zeigt auch deutlich auf, über welchen Weg man aus der Krise findet: Die exzessiven Bewertungen der Vergangenheit müssen radikal abgebaut werden. Wie hoch der Kapitalbedarf insgesamt ist, hängt vor allem davon ab, wie schnell der Finanzbranche die Entschuldung gelingt. Manche Ökonomen schätzen den Bedarf auf 5 bis 8 Billionen US-Dollar. Optimismus ist daher fehl am Platz: Zum heutigen Zeitpunkt ist lediglich die Spitze des Eisberges sichtbar.
Kommentare zu diesem Beitrag
- Banken sollen im Notfall Kapital sowohl aus öffentlichen als auch privaten Quellen erhalten könnten.
- Zudem verpflichteten sich die Finanzminister und Notenbanker dazu, nationale Einlagensicherungen zu garantieren.
- Um das Vertrauen in die Finanzwirtschaft wieder herzustellen, sollte sowohl privates als auch staatliches Kapital in ausreichender Menge zur Verfügung gestellt werden.
- Die Maßnahmen sollten so gewählt werden, dass die Steuerzahler geschützt (;-) wie soll das funktionieren?) und mögliche schädliche Auswirkungen auf andere Länder vermieden werden.
- Die G7 verpflichteten sich zudem, stärker zusammenzuarbeiten. (Gute Idee, wenn da nicht die nationalen Interessen im Weg stehen würden)!