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Massive Rechenfehler bei Solvency II


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Es gibt kaum ein Thema, das die deutsche und europäische Versicherungswirtschaft derzeit so stark beschäftigt wie die neuen Solvabilitätsregeln im Rahmen des Projekts Solvency II. Die verschiedensten Krisen der letzten Jahre, bedingt durch vermehrte, turbulente Kapitalmarktentwicklungen oder die erhöhte Terrorgefahr haben die gestiegenen Gefahren aufgezeigt, denen Versicherungsunternehmen ausgesetzt sind. Der Wunsch nach einer angemessenen Bewertung und Eigenkapitalhinterlegung aufgrund der eingegangenen Risiken wurde immer größer. Im Zusammenhang mit den neuen innerhalb der EU einheitlichen Solvabilitätsvorschriften (Solvency II) werden die Versicherungsunternehmen dazu aufgefordert, eigene interne Risikomodelle zu entwickeln, um die unternehmens-spezifischen Risiken besser abbilden und entsprechend steuern zu können.

Analog zu Basel II wird auch bei Solvency II ein 3-Säulen-Ansatz verfolgt. Im Zentrum der neuen Vorschriften steht ein ganzheitliches System zur Ermittlung der Gesamtsolvabilität. Neben quantitativen (steht jederzeit ein adäquates Solvenzkapital zur Verfügung?) werden hier vor allem auch qualitative Aspekte (besteht ein angemessenes Risikomanagementsystem im Unternehmen?) berücksichtigt.

Extrem erratisches Verhalten der verwendeten Stress- und Korrelationsparameter

Solvency II gibt den Versicherungsunternehmen risikobasierte Regeln vor, die künftig die Mindestkapitalanforderungen von Versicherungsunternehmen bestimmen werden. Eine Studie am "Center for Quantitative Risk Analysis" (CEQURA) der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München hat nun unter der Leitung des Finanzökonometrikers Professor Stefan Mittnik die im Rahmen der Solvency II vorgeschlagene Standardformel untersucht. "Nach unseren Ergebnissen weist dieses Regelwerk erhebliche Mängel auf", sagt Mittnik. "Eine Umsetzung in der jetzigen Form halte ich nicht für ratsam." Untersucht wurde insbesondere die sogenannte Standardformel, mit der die meisten Versicherer ihre Kapitalanforderungen berechnen werden. Mit Blick auf Anlagerisiken – der insgesamt größten Risikokategorie – wies die Studie ein fehlerhaftes und extrem erratisches Verhalten der verwendeten Stress- und Korrelationsparameter nach.

Die Probleme seien hauptsächlich durch eine unsachgemäße Aufbereitung der historischen Daten, die zur Kalibrierung der Parameter herangezogen werden, verursacht, vermuten die Forscher. "Ziel der Solvency-II-Direktive der EU ist die Sicherstellung der finanziellen Solidität der Versicherungsunternehmen durch risikobasierte Kapitalanforderungen", sagt CEQURA-Direktor Mittnik. "Dieses Ziel wird aller Voraussicht nach aber verfehlt werden, wenn die Standardformel in ihrer jetzigen Form umgesetzt wird."

Die Studie von Stefan Mittnik wird den Solvency-II-Kritikern neue Nahrung geben. Nachdem die Versicherungswirtschaft bereits mehrfach massive Nachbesserungen an Solvency II gefordert hatte, mehren sich in den vergangenen Monaten auch von Investorenseite die kritischen Stimmen: So kommt eine vom europäischen Investorenverband INREV (European Association for Investors in Non-Listed Real Estate Vehicles) initiierte Studie zu dem Ergebnis, dass die im Rahmen des neuen EU-Regelwerks geplanten Eigenkapitalanforderungen für Immobilienanlagen von Versicherungsunternehmen zu hoch sind.

Und Karl-Walter Gutberlet, Vorstand der Allianz Versicherungs-AG, brachte in einem im vergangenen Jahr veröffentlichten Interview seine Sicht der Dinge auf den Punkt: "Solvency II ist so kompliziert, dass 70 Prozent aller Versicherungsvorstände das nicht verstehen. Ein Regime zu fahren, das die meisten nicht verstehen, ist mutig." Dennis Kessler, Chef des Rückversicherers SCOR, ergänzte in einem Interview in der Financial Times Deutschland: "Die aktuelle Version von Solvency II ist der beste Weg, die Versicherungsbranche in eine Katastrophe zu stürzen."

Download Workpaper "Solvency II Calibrations: Where Curiosity Meets Spuriosity": 

 

[Bildquelle: iStockPhoto]

 

Kommentare zu diesem Beitrag

tobias /19.09.2011 20:19
ist die frage, ob das rechenfehler sind und vereinfachungswege - schliesslich handelt es sich um einen standardansatz, der fuer viele unternehmen gueltigkeit haben sollte. und korrelationen werden in der praxis eh fast immer falsch berechnet - und das nicht nur weil die daten fehlen. bin gespannt auf das lmu-whitepaper ...
karin /19.09.2011 20:20
Die Fehler sind seit der ersten Version des Standardansatzes bekannt ... aber es interessiert sich weder in Brüssel noch in Berlin/Bonn irgendjemand für die Themen. Diese würde ja auch voraussetzen, dass man von Themen wie Korrelationen und Stochastik/Verteilungsfunktionen etc. Ahnung hätte.
Stattdessen müssen Anleihen von Staaten aus dem EWR beziehungsweise der OECD-Raum unter Solvency II mit keinen Eigenmitteln unterlegt werden. Das gilt auch für Griechenland. Sehr uneigennützig aus der Sicht der EU-Politiker ;-(
Bernd /19.09.2011 20:20
Wenn Korrelationen das einzige Problem wären: http://www.risknet.de/risknews/kritik-an-komplexitaet-der-standardformel-von-solvency-ii/d79beb1c7d1499445ba720c6e48580d4/
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