Megastädte: Herausforderung für das Risk Management


Egal, ob Tokio, Mumbai (das frühere Bombay), Shanghai, Moskau, São Paulo, Lagos oder Mexiko-Stadt – die bevölkerungsreichsten Metropolen der Welt haben sich in den letzten 30 Jahren zu Megastädten, also mit einer Einwohnerzahl von zehn Millionen oder mehr, entwickelt. Die Verlockungen eines höheren Lebensstandards, das Verlangen der Menschen nach größerer Mobilität und die Hoffnung auf Arbeit haben die Anziehungskraft solcher Städte dramatisch in die Höhe getrieben. Tatsächlich lebt die Hälfte der Weltbevölkerung heute in Städten. Im Jahr 2030 wird diese Zahl laut Berechnungen der Vereinten Nationen die 60-Prozent-Marke erreichen. Das exponentielle Wachstum zwingt die Megastädte nun, sich gewaltigen Herausforderungen zu stellen. São Paulo und Johannesburg sind berüchtigt für ihre hohen Kriminalitätsraten. Moskau und Tokio befinden sich jeweils im Zustand eines permanenten Verkehrskollapses. New York und London werden immer wieder von ethnischen Unruhen heimgesucht. "Die Bevölkerungsexplosion hat zu einer Notsituation geführt. Überall werden Städte von Armut, Korruption, Kriminalität und Gewalt geplagt", sagt Kofi Annan (Bild), der ehemalige Generalsekretär der Vereinten Nationen.  


Mächtige Magneten

Und doch sind Megastädte trotz dieser Herausforderungen nach wie vor strategisch wichtige Standorte für international tätige Unternehmen. Sie bieten oft als einzige Orte auf der Welt die so wichtigen Synergien aus Märkten, Dienstleistungen und Kompetenzen. "Außerdem sind die Unternehmen dort auch in der Nähe ihrer Versicherer", erklärt Edwin van Zijll, Risk Engineer für Bauvorhaben bei der Allianz Global Corporate & Specialty in Burbank, unweit von Los Angeles. "Sie wissen, dass sie dort mehr Aufmerksamkeit erhalten als in einer Kleinstadt auf dem Land." Aufgrund der Größe und Systemkomplexität von Metropolen ist es für Risikomanager extrem schwierig, das jeweilige Gefahrenpotenzial einer Stadt richtig zu analysieren. "Diese neuen Megastädte ähneln wegen ihres schnellen und ungeordneten Wachstums eher gigantischen Ballungsräumen", erklärt die Münchner Soziologin Helga Reimann, die die größten Metropolen der Welt erforscht hat. "In vielen Fällen fehlen an den Stadträndern die typischen urbanen Institutionen – geregelte kleinere Geschäfte und Märkte, Polizei und Parkanlagen, Schulen und Betreuungseinrichtungen für Kinder, Ärzte und Restaurants." An ihrer Stelle bilden sich um die alten Innenstädte herum "Urban Villages". In diesen Elendsvierteln treffen die Migranten, die die ländlichen Regionen verlassen haben, wieder aufeinander, und zwar in den alten sozialen Strukturen.

Abschreckende Schwierigkeiten

Die Schaffung einer zuverlässigen Basisinfrastruktur in einem solchen Chaos ist dabei besonders schwierig, nicht zuletzt, weil eine wichtige Voraussetzung fehlt: das Gespür für eine funktionierende öffentliche Ordnung. Das monatelange Durcheinander nach den Verwüstungen durch Hurrikan Katrina in New Orleans, Heimat für weniger als eine Million Menschen, lässt die Schwierigkeiten erahnen, die eine Katastrophe in einer Megacity auslösen könnte. Oft lässt sich nicht mal in den Industriestaaten eine zuverlässige Logistik erreichen. Durch das beschleunigte Wachstum wird das Prinzip einer übergeordneten Planung umgangen. Architekten folgen häufig überhaupt keinen übergeordneten Leitlinien: "Wir sind so mit der Umsetzung konkreter Projekte beschäftigt, dass wir keine Zeit haben, um über Gesamtzusammenhänge nachzudenken", sagt Guan Yetong, Verantwortlicher für die Entwicklung des Xujiahui-Bezirks in Shanghai, in einem Artikel im Roland-Berger-Magazin think:act. Die Folgen einer unkontrollierten Abwanderung in die Megastädte beschreibt eine Studie, die Siemens Ende Januar 2007 auf dem Weltwirtschaftsforum im schweizerischen Davos vorstellte. Steigende Arbeitslosigkeit trotz wachsender Wirtschaftskraft, eine mangelhafte Infrastruktur ohne adäquates Straßensystem und die vorhersehbare Verknappung lebenswichtiger Ressourcen wie Wasser und Strom sind eine akute Bedrohung für die Funktionsfähigkeit solcher Städte. Ein entsprechend hohes Risiko prophezeit Siemens weltweit tätigen Unternehmen. Als Beispiel führt die Studie den 15. August 2003 auf: Von diesem Tag an erlitt New York einen dreitägigen Stromausfall, der Berichten zufolge die dortigen Unternehmen etwa eine Milliarde Dollar kostete.

Herausforderung für das Risikomanagement

"Städte sind das Tor zu allem, was man sich nur vorstellen kann: Geld, Macht, Träume und Dämonen", sinniert der inzwischen in New York lebende indische Journalist Suketu Mehta über seine Heimatstadt Mumbai. Für ihn heißt sie nur noch Maximum City, der Titel des Buches, das er über Mumbai schrieb. Und er fügt hinzu: "Sie sollten als Länder betrachtet werden." Genau hier liegt die Herausforderung für Risikomanager. "Als Risikomanager sind wir seit Jahren in diesem Geschäft. In Los Angeles zum Beispiel, wo wir arbeiten, wissen wir sehr exakt, wo sich die sichersten Standorte befinden", erklärt van Zijll. "Außerdem sammeln wir im Vorfeld eines Projekts, egal, wo es ist, gewaltige Mengen an Informationen. Wir schauen uns Quellen an wie Erdbebenkarten, Bodengutachten, Gutachten über Häufigkeitsverteilungen von Überschwemmungen und so weiter. Nur so können wir die tatsächlichen Risiken verstehen, mit denen wir es zu tun haben."

 

Die aktuelle Analyse "Megacitys" von Allianz Global Investors können Sie hier herunterladen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

[Bildquelle: Wikipedia]

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