Die geplanten neuen Vorschriften zur Kapitalanlage für deutsche Lebensversicherer werden den Unternehmen nach Einschätzung von Analysten zwar einen größeren Spielraum zur Risiko-Diversifikation bieten, aber ihre Investitionspolitik nicht über Nacht verändern. Bis September will das Finanzministerium eine neue Anlageverordnung erlassen, die derzeit von der Finanzaufsicht BaFin vorbereitet wird. Nach der neuen Vorschrift sollen Lebensversicherer künftig 10 Prozent des gebundenen Vermögens in Hedgefonds und Rohstoffanlagen investieren dürfen statt bisher 5 Prozent. Obwohl die gelockerten Vorschriften den Versicherern neue Investitionsmöglichkeiten eröffnen, werden sie keine Flut von Investitionen in Hedgefonds oder ähnlich exotische Investments auslösen, schätzen Analysten ein. Deutsche Lebensversicherer sind traditionell konservative Anleger, die den Großteil ihrer Gelder in festverzinslichen Wertpapieren investieren. "Bisher haben Lebensversicherer die obere Grenze auch für Aktieninvestments nicht annähernd ausgenutzt, deshalb erwarte ich auch nicht, dass sie das für Hedgefonds tun werden", sagte Analyst Lucio Di Geronimo von der HypoVereinsbank (HVB), der die deutsche Versicherungsbranche insgesamt mit "overweight" bewertet.
Mehr Investitionen an Hedgefonds
Nach den bisherigen Regeln können die deutschen Lebensversicherer bis zu 35 Prozent des so genannten gebundenen Vermögens in risikoreiche Anlageklassen wie Hedgefonds, nachrangige Verbindlichkeiten, Genussrechte oder Aktien investieren. Diese Grenze für die Risikokapitalquote soll auch in der neuen Verordnung bestehen bleiben. Das gebundene Vermögen umfasst die Mittel, die den Kunden der Lebensversicherer zustehen. Die geplante neue Verordnung soll den Versicherern neben der höheren Quote für Investitionen in Hedgefonds und Rohstoffe auch gestatten, künftig 3 Prozent statt bislang 1 Prozent des gebundenen Vermögens in einzelne Hedgefonds zu investieren. Zudem dürfen die Lebensversicherer künftig auch in mehr Ländern außerhalb Europas investieren als bislang. In den Anlagekatalog hat die BaFin auch die Immobilienaktien vom Typ REITS aufgenommen. Sie werden bei der Höchstquote von 25 Prozent für Immobilien mitgezählt. Nutznießer der geplanten Regelungen sind die rund 110 deutschen Lebensversicherer, darunter die Spitzenreiter der Branche wie die Allianz-Tochter Allianz Lebensversicherung, die Erstversicherungstochter Ergo der Münchener Rück und die deutsche Tochter der Assicurazioni Generali, AMB Generali.
Hand in Hand mit Solvency II
Insgesamt verwalteten die deutschen Lebensversicherer nach Angaben des Branchenverbands GDV Ende 2006 Vermögen von 667 Mrd EUR, von denen nach Angaben eines GDV-Sprechers rund 10Prozent direkt oder indirekt in Aktien investiert sind. Di Geronimo sagte, Lebensversicherer werden vermutlich mehr in Private-Equity Fonds, Infrastrukturprojekte und Rohstoffe investieren. Das dürfte dazu beitragen, ihre Bilanz und ihre Gewinn- und Verlustrechnung besser zu stabilisieren. Für derartige Investitionen sei keine regelmäßige Mark-to-Market Neubewertung erforderlich, begründete di Geronimo. Auch passe die langfristige Natur des Investments perfekt zu den langfristigen Verbindlichkeiten der Lebensversicherer. "Die neuen Richtlinien ermöglichen Lebensversicherern mehr Flexibilität (beim Investment), eine bessere Risikodiversifizierung und neue Renditenmöglichkeiten", sagte di Geronimo. Die Anlagevorschriften für Lebensversicherer gehen nach Einschätzung von Analyst Stephan Kalb von Sal. Oppenheim "Hand in Hand mit Solvency II". Das von der EU geplante Regelwerk soll helfen, risikobezogen den Kapitalbedarf der Unternehmen zu kontrollieren. Unter dem Namen Solvency II erarbeitet die EU derzeit ein neues Regelwerk für die Kapitalausstattung und das Risikomanagement der Versicherer, das voraussichtlich 2011 oder 2012 in Kraft treten soll. Den Entwurf der Rahmenrichtlinie für Solvency II will die EU Kommission am 10. Juli vorstellen. Angesichts der geplanten EU-Vorschrift verlieren quantitative Anforderungen für die Investitionen der Lebensversicherer an Bedeutung, sagte ein Sprecher der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Als Folge von Solvency II, das für die Versicherer eine ähnliche Bedeutung hat wie Basel II für die Banken, erwartet die Branche einen zusätzlichen Konsolidierungsdruck. Übernahmen und Fusionen könnten mehr werden, da Versicherer mit geringer Profitabilität bzw mit nur geringen Diversifikations-Möglichkeiten oder einseitigen Vertriebskanälen die neuen Kapitalanforderungen allein nicht bewältigen könnten.