Chancen und Risiken 2019

Messlatte für positive Überraschungen ist niedrig


Messlatte für positive Überraschungen ist niedrig Kolumne

Investoren werden im Jahr 2019 weitere Anzeichen dafür sehen, dass der lange Zyklus an seine Grenzen stößt. Ein herausforderndes Jahr 2018 hat die Bewertungen und die Anlegerstimmung erheblich verschoben. Aus unserer Sicht waren diese Verschiebungen aber zu umfangreich. Damit gibt es durchaus Chancen für positive Überraschungen.

Nachstehend beantworten wir vier zentrale Fragen für 2019 und ziehen entsprechende Schlussfolgerungen für Investments:

Wird 2019 ein besseres Jahr für Investoren?

Ja. Wir rechnen damit, dass 2019 aus drei wesentlichen Gründen bessere Chancen für Investoren bietet.

  • Weitergehende Expansion des globalen Wachstums und der Unternehmensgewinne. Wir gehen davon aus, dass sich das Wachstum in den USA in diesem Jahr verlangsamen wird, während die konjunkturelle Abschwächung außerhalb der USA hinter uns liegt. Viele Schwellenländer sind am Beginn einer Erholungsphase und haben damit Luft nach oben. Die Unternehmensgewinne und Wertentwicklung von Risikoanlagen werden durch die anhaltende globale Wachstumsdynamik unterstützt.
  • Die Messlatte für positive Überraschungen ist niedrig. Die Ausgangslage Anfang 2018 hätte kaum besser sein können. Daher waren die meisten Überraschungen eher negativ. Für 2019 ist das nicht der Fall. Die makroökonomischen Erwartungen und die Vermögenspreise haben sich deutlich nach unten korrigiert. Die Messlatte für positive Überraschungen, die die Wertentwicklung beflügeln könnte, liegt niedriger.
  • Attraktive Bewertungen. Verglichen mit den makroökonomischen wie auch den unternehmensspezifischen Fundamentaldaten sind die im letzten Jahr deutlichen Bewertungsverschiebungen übertrieben. Den Investoren werden aber die Reife des Konjunkturzyklus, die Handelsspannungen und die populistische Politik wahrscheinlich auch 2019 Kopfzerbrechen bereiten. Es ist unserer Ansicht nach jedoch zu früh, um sich für das Ende des Zyklus zu positionieren. Die Märkte haben diese Risiken bereits zu deutlich eingepreist.

Durch den Konjunkturzyklus navigieren: Risiko auf- oder abbauen?

Wir halten es für verfrüht, Risikoanlagen zu verringern. Im Jahr 2019 wird der Fokus auf einem Ende des Konjunkturzyklus liegen. Bevor Anleger allerdings Risiken in ihren Portfolios abbauen, müssten deutlichere Anzeichen einer konjunkturellen Verschlechterung auftreten. Dazu dürfte es im ersten Halbjahr 2019 nicht kommen, wenngleich die Risiken im weiteren Jahresverlauf steigen werden.

  • Das spätzyklische Umfeld könnte die Märkte gestalten. Historisch gesehen nimmt die Aktienvolatilität gegen Ende des Zyklus zu. Wir sind in der Tat überzeugt, dass Ende 2017 den Volatilitätstiefpunkt markierte. Aus historischer Sicht wäre das nächste typische Marktereignis ein Tiefstand bei den Credit Spreads. Unserer Meinung nach ist es aber zu früh, sich dafür zu positionieren. Dennoch werden wir die Anleihemärkte im Jahr 2019 genau beobachten. Es besteht außerdem ein historischer Zusammenhang zwischen einer sich verflachenden oder invertierten Zinskurve der US-Treasuries und einer Rezession. Der Rückgang der Laufzeitprämien könnte dieses Signal allerdings beeinträchtigt haben. Deshalb halten wir es für wichtiger, sich auf Wirtschaftsdaten zu konzentrieren.
  • Angesichts der makroökonomischen Entwicklung ist es zu früh, das Risiko zu verringern. Das Wirtschaftswachstum verlangsamt sich zwar, steigt aber immer noch. Die Kerninflation zieht stetig an und nicht zu schnell. Das gilt ebenso für die Straffung der Zentralbankpolitik. Darüber hinaus wachsen die Gewinnmargen der Unternehmen weiter und finanzielle Ungleichgewichte sind eher idiosynkratische statt systemische Herausforderungen. Daher halten wir es für verfrüht, Risikoanlagen zu verringern und bleiben eher risikoaffin.
  • Es ist aber nicht zu früh, die Folgen einer möglichen Risikoreduzierung abzuwägen. Im Laufe des Jahres dürften spätzyklische Risiken zunehmen: Hierzu zählen sinkende Gewinnmargen bei Unternehmen, übermäßige Straffungsmaßnahmen der Zentralbanken und systemische finanzielle Ungleichgewichte. Um sich darauf vorzubereiten, bevorzugen wir auf der Mikroebene Unternehmen mit hoher Preismacht und auf der Makroebene frühzyklische Volkswirtschaften.

Wie weit wird die Fed gehen?

Für das Jahr 2019 erwarten wir drei Zinserhöhungen der US-Notenbank, aber es bestehen einige Risiken, die diese Erwartung beeinträchtigen könnten. Seit zwei Jahren strafft die Fed die Geldpolitik kontinuierlich. Eine Schlüsselfrage für Investoren – und eine wichtige Überlegung für Risikoanlagen im Jahr 2019 – wird sein, ob es bei diesem Tempo bleibt.

  • Der Ausblick für die Fed in 2019 ist für uns weniger deutlich. In den letzten zwei Jahren hat der Markt die Leitzinserhöhungen der Fed unserer Ansicht nach nicht ausreichend eingepreist. Das ist nach wie vor der Fall. Es untermauert unsere Erwartung bezüglich weiterer Zinserhöhungen seitens der Zentralbank. Wir sind aber weniger davon überzeugt als in den Jahren 2017 und 2018.
  • Es bestehen einige Risiken, die unseren Fed-Ausblick beeinträchtigen könnten. Die zuletzt verschärften Finanzierungsbedingungen und die erwartete Wachstumsverlangsamung könnten auch dafür sorgen, dass die Straffungskampagne der Fed pausiert. Andererseits besteht das Risiko, dass die Lohn- und Preisinflation im neuen Jahr aufgrund der angespannten Lage auf dem US-Arbeitsmarkt anzieht. Das könnte die Fed veranlassen, die Zinsen jedes Quartal 2019 anzuheben.
  • Der Kurs der Fed ist für Risikoanlagen eine Herausforderung. Die Fed reagiert auf Veränderungen der finanziellen Rahmenbedingungen und erzeugt sie gleichzeitig. Wenn sich die Finanzmarktlage vor allem durch günstiger werdende Aktien weiter verschärft, ist das weder für die Zentralbank ein zwingender Grund, darauf zu reagieren, noch für Anleger, ihr Risiko zu verringern. Sollte sich die Lage aufgrund steigender langfristiger Zinsen verschärfen, könnte die Fed ihr Straffungsprogramm aus unserer Sicht vorübergehend ruhen lassen. Das würde ihr die Möglichkeit geben, den mittel- bis langfristigen Ausblick zu evaluieren, der positiv für Risikoanlagen sein dürfte. Folglich bestünde das wesentliche Abwärtsszenario darin, dass sich das Wirtschaftswachstum verlangsamt, aber die steigende Inflation die Fed zu weiteren Zinserhöhungen zwingt.

Wo liegen die Investmentchancen?

Wir sind überzeugt, dass die Bewertungen verglichen mit den Fundamentaldaten attraktiv sind. Wir bevorzugen Aktien gegenüber Unternehmensanleihen und Unternehmensanleihen gegenüber Zinsen sowie auf regionaler Ebene die Schwellenländer gegenüber Industrieländern. Diese Präferenzen basieren auf attraktiven Bewertungen im Verhältnis zu Makrodaten und den Fundamentaldaten der Unternehmen.

  • Aktien sind unsere bevorzugte Anlageklasse. Wir sind überzeugt, dass sich in diesem Jahr der Risikoaufschlag für Aktien verglichen zu letztem Jahr verbessert, denn die Bewertungsmultiplikatoren wurden 2018 herabgestuft. Die Aktienauswahl ist angesichts höherer Volatilität, mehr politischen und handelsbezogenen Risiken sowie eines sich verlangsamenden Umsatzwachstums und des Margendrucks immer wichtiger.
  • Die jüngste Underperformance hat zu attraktiven Bewertungen bei Unternehmensanleihen geführt. Ein anhaltendes Wirtschafts- und Unternehmensgewinnwachstum kann dazu beitragen, Herabstufungen und Zahlungsausfälle zu begrenzen. Gleichzeitig wird übermäßig stark verschuldeten Emittenten Zeit gegeben, ihre Kreditqualität zu verbessern. Wir bevorzugen Emittenten mit starken oder sich verbessernden Bilanzen, hohen Zinsdeckungsquoten und Preismacht angesichts steigender Produktions- und Lohnkosten.
  • Wir erwarten eine erneute Outperformance von Schwellenländer-Assets gegenüber den Industrieländern. Die Abwertungen von Schwellenländer-Assets – insbesondere bei Währungen und Aktien – gehen über das hinaus, was die zugrunde liegenden Fundamentaldaten anzeigen. Für das Jahr 2019 erwarten wir, dass die Performance der Vermögenswerte aus den Schwellenländern durch ein verbessertes Wachstum und positive Überraschungen zulegt.

Autor

Andrew Wilson, CEO für EMEA und Co-Head des Global Fixed Income und Liquidity Management Teams bei Goldman Sachs Asset ManagementAndrew Wilson, CEO für EMEA und Co-Head des Global Fixed Income und Liquidity Management Teams bei Goldman Sachs Asset Management

[ Bildquelle Titelbild: Adobe Stock ]
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