Forderungsausfälle vermeiden, Außenstände senken und Liquidität sichern: Ein geschicktes Credit Management kann entscheidend zur Sicherung und Wertsteigerung eines Unternehmens beitragen. Die (organisatorische) Qualität dieser Abteilung ist deshalb von zentraler Bedeutung. „Anspruch und Wirklichkeit klaffen in vielen Unternehmen aber noch weit auseinander“, erklärt Dr. Bernd Weiß, Professor für Finanzwirtschaft und Controlling, der Fachhochschule Bochum. Hilfestellung bietet der Verein für Credit Management (VfCM): Zusammen mit seinen Mitgliedsunternehmen entwickelt er entsprechende Mindestanforderungen für das Credit Management (MaCM). Gemäß der Vereinsphilosophie „Von Unternehmen für Unternehmen“. Als möglicher Partner ist der TÜV–Rheinland im Gespräch.
Jede Lieferung an einen Kunden ist mit einem Risiko verbunden: Es könnte sein, dass die dazugehörige Rechnung nicht bezahlt wird. Oder dass sie erheblich verspätet bezahlt wird, da der Kunde kurzerhand den so genannten Lieferantenkredit in Anspruch nimmt. Deshalb ist es für ein Unternehmen von immenser Bedeutung, seine Kunden zu kennen. Dies ist eine typische Aufgabe der Credit Management-Abteilung. Doch an dieser Stelle hapert es häufig in Unternehmen. So hat Weiß in einer Analyse verschiedene Schwachpunkte herausgefiltert: „Oft beginnen die Probleme in der Organisation. Die Mitarbeiter sind nicht mit hinreichenden Kompetenzen ausgestattet und fügen sich allzu oft den Anweisungen des Vertriebs.“ Außerdem würden die Mitarbeiter nur unzureichend durch geeignete Methoden unterstützt und basierten Entscheidungen oftmals auf dem „Bauchgefühl“. Sinnvolle und notwendige Investitionen unterblieben, da der Kreditbereich fälschlicherweise als „Loss-Center“ klassifiziert werde.
Verteiltes Wissen
Ferner sei die standardisierte Integration externer Daten (Auskünfte, Pooldaten, Jahresabschlüsse) in die eigene Datenbank oft weder technisch realisiert, noch methodisch, beispielsweise durch regelbasierte Auswertungstools, unterstützt. Verteiltes Wissen (Vertrieb, Außendienst, Kundendienst, Rechnungswesen) über Kunden werde im Credit Management nicht entscheidungsorientiert zusammengeführt und stehe somit nicht in standardisierter Form zur Verfügung. „Im modernen Credit Management sollten Vertriebsentscheidungen risikooptimiert unterstützt werden“, so Weiß. Dies werde aber häufig dadurch unmöglich gemacht, dass die Funktion „Kreditvergabe und –überwachung“ im Rechnungswesen angesiedelt sei. Mitarbeiter, die marktorientierte Kreditentscheidungen zu treffen haben, wiesen ein anderes Qualifikationsprofil auf als solche, die traditionell die Buchhaltungsfunktion im Unternehmen erfüllten. Entscheidungen im Kreditbereich zu treffen, erfordere ein grundlegend anderes Know-how als Geschäftsvorfälle systematisch zu dokumentieren.
An Grundlagen erinnern
Um diese Schwachstellen zu beheben, will der Verein für Credit Management (VfCM) entsprechende Mindestanforderungen entwickeln. „Wir wollen den Unternehmen keine zusätzliche Bürokratie aufbürden, sondern sie wieder an die Grundlagen unternehmerischen Handelns erinnern“, erklärt Jan Schneider-Maessen, Vorsitzender des VfCM. Deshalb werden die Mindestanforderungen in mehreren Workshops zusammen mit den Mitgliedsunternehmen entwickelt. „Dabei hat sich herausgestellt, dass einige Unternehmen bereits an Maximalanforderungen denken“, so der VfCM-Vorsitzende. Bei der Ausarbeitung der Mindestanforderungen stellen sich folgende Fragen: Welche Standards soll das unternehmerische Credit Management für die Prozesse der Kreditbearbeitung, der Kreditbearbeitungskontrolle, der Betreuung notleidender Kredite, der Problemkreditbearbeitung sowie der Risikovorsorge erfüllen? Welche Standards sollten Methoden zur Identifikation, Steuerung und Überwachung von Forderungsrisiken mindestens erfüllen? Wie kann ein funktionierendes Kontrollsystem zur Überwachung des gesamten Prozesses von Akquisition der Kunden bis zum Zahlungseingang der Forderungen etabliert werden?
MaK als Ausgangspunkt
Als Ausgangspunkt für die Antworten auf diese Fragen sollen die „Mindestanforderungen an das Kreditgeschäft der Kreditinstitute“ (MaK) dienen, die bereits im Jahr 2002 von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht veröffentlicht wurden. Die MaK definieren Mindestanforderungen, die von allen Kreditinstituten zur Begrenzung der Risiken aus dem Kreditgeschäft zu beachten sind. Außerdem werden bankübliche Prozesse der Kreditbearbeitung, der Kreditbearbeitungskontrolle, der Intensivbetreuung, der Problemkreditbearbeitung sowie der Risikovorsorge behandelt. „Es ist grundsätzlich nahe liegend, die Übertragbarkeit der MaK auch auf den Unternehmensbereich zu erwägen“, so Weiß. In dem Qualifikationskursus zum Certified Credit Manager, den der VfCM zusammen mit der Fachhochschule Bochum anbietet, sollten die bisherigen Teilnehmer die Übertragbarkeit der MaK-Regeln auf das eigene Unternehmen beurteilen. Das Ergebnis ist eindeutig: Nach Meinung der Credit Manager könnten und sollten weite Teile der Richtlinien unmittelbar auf den Kreditbereich im Unternehmen transformiert werden. Weiterer Vorteil: Eine an den MaK ausgerichtete Kreditpolitik des Unternehmens könnte sich als freiwillige Selbstverpflichtung bei jeglichen Kreditverhandlungen (Banken, Kreditversicherungen, externes Rating, Factoring, etc.) positiv wirken.
Dem Verein für Credit Management gehören mittlerweile knapp 500 Unternehmen in ganz Deutschland an. Sie repräsentieren einen Jahresumsatz von rund 430 Milliarden Euro und etwa 800.000 Arbeitsplätze.