Buch-Neuerscheinung "Die Bankenkrise"

Mit Rückspiegelblick und Risikoblindheit in die Krise


News

Die Quantifizierung von zukünftigen Risiken und die Schätzung von Modellparametern, geschehen primär auf der Grundlage von historischen Daten. Dies ist sicher im Grundsatz nicht zu kritisieren, jedoch fehlt oft ein tieferes ökonomisches Verständnis dessen, was die statistisch geschätzten Daten ausdrücken – oder nicht ausdrücken. So herrscht noch immer Verwunderung vor, wenn in Krisenszenarien die Korrelationen der Renditen von Assetklassen gegen Eins gehen – der gewünschte Diversifikationseffekt im Portfolio also gerade dann verloren geht, wenn er gebraucht wird. In der Subprime-Krise brach gerade dann die Refinanzierung der Banken untereinander weg, als die Liquiditätslinien wegen fehlender CP-Käufer gezogen werden mussten.

Ungünstig, aber nicht wirklich verwunderlich: Wer refinanziert schon gerne einen Konkurrenten, wenn er das Geld gerade selbst für seine Conduits braucht? Noch weniger existiert ein Verständnis dafür, warum in bestimmten makroökonomischen Situationen beispielsweise positive und in anderen negative Korrelationen zwischen der Rendite von Aktien und derjenigen von Anleihen festzustellen ist – obwohl hier schon ein Blick in die Monatsberichte der Deutschen Bundesbank weiterhelfen würde. Eine positive Korrelation zwischen den Renditen von Aktien und Anleihen ergibt sich ceteris paribus, wenn sich das Niveau des risikolosen Zinssatzes verändert. Eine negative Korrelation ist dagegen zu erwarten, wenn sich die Risikoaversion ändert, weil dies Umschichtungen von Aktien in Anleihen auslöst.

Ohne hier näher auf volkswirtschaftliche Erklärungen statistischer Ergebnisse einzugehen kann festgehalten werden: Die Anwender vieler Risikomanagementmodelle befassen sich kaum damit, welche ökonomischen Sachverhalte eine Erklärung zukünftig erwarteter Renditen, Risiken oder stochastischer Abhängigkeiten ermöglichen. Bezüglich der Subprime-Krise herrscht beispielsweise immer noch Fassungslosigkeit darüber, wie die in den Jahren 2006 bis 2007 emittierten Subprime-ABS so weit vom bisher schlechtesten Emissionsjahr 2001 abweichen können. Wie Demyanyk und van Hemert [Demyanyk, Y./van Hemert, O. (2008): Understanding the Subprime Mortgage Crisis, Federal Reserve Bank of St. Louis, mimeo, Download: ssrn.com/abstract=1020396] zeigen konnten, ergibt eine fundierte ökonomische Analyse der vergebenen Kredite und ihrer Konditionen ein völlig anderes Bild.

Hält man die Charakteristika (FICO Score, Beleihungswert LTV etc.) über die Jahre konstant, so war 2001 das Jahr mit der besten Kreditqualität! Für diesen hypothetischen Pool verschlechterten sich die Ausfallraten Jahr für Jahr systematisch. Hinzu kam, dass die Charakteristika nicht konstant blieben, sondern sich ebenfalls verschlechterten. Prognostizierte Renditeerwartungen sind oft zu hoch, weil der Bezug zum volkswirtschaftlichen Rahmen nicht beachtet wird. Dabei werden auch grundlegende makroökonomische Entwicklungen übersehen, beispielsweise – im positiven wie im negativen – selbstverstärkende Prozesse in der Volkswirtschaft. So führt die in den letzten Jahren feststellbare starke Zunahme der Immobilienpreise dazu, dass Kreditinstitute wegen der gestiegenen Werte mehr Sicherheiten anerkennen, was zu einer Expansion des Kreditvolumens führt und über die zusätzlichen Immobiliennachfrage die Preissteigerung verstärkt – bis durch irgendeinen Auslöser dieser Prozess in die umgekehrte Richtung umschlägt und sich dann die nun nötigen Sicherheiten entwerten. In den Ausfallstatistiken der Subprime Deals überdeckte der Hauspreisanstieg die Verschlechterung der Kreditqualität.

Hohe Ausfallzahlen wurden so durch hohe Recovery Rates kompensiert. Eine Berücksichtigung grundlegender volkswirtschaftlicher Zusammenhänge bei der Risiko-Rendite- Einschätzung hätte hier zu anderen Entscheidungen geführt. Zimmermann [Zimmermann, H. (2008): Risiko und Repräsentation – Über Krisen des Finanzsystems, in: Strebel-Aerni, B. (Hrsg.): Standards für nachhaltige Finanzmärkte, Zürich] weist zu Recht darauf hin, dass eine scharfe Trennung zwischen Wissen und "Rauschen" (noise), oder Können und Glück, sich im Finanzbereich auf den gewohnten statistischen Konfidenzniveaus nicht vollziehen lässt. 

Frank Romeike (Hrsg.): Die Bankenkrise, Ursachen und Folgen im Risikomanagement, ISBN 978-3-86556-230-2, 296 SeitenDabei wird der Selektionsprozess des Erfolgreichen (survivorship bias) übersehen, wonach in einem System, welches rein zufällig eine breite Verteilung von Erfolg und Misserfolg erzeugt, durch Selbstselektion stets nur der Erfolg überlebt und damit nur der Erfolg sichtbar ist.


Frank Romeike (Hrsg.):

Die Bankenkrise
Ursachen und Folgen im Risikomanagement

ISBN 978-3-86556-230-2
296 Seiten, gebunden

Bank-Verlag Medien, Köln 2010.

  Bei Amazon bestellen





Über das Buch

Die Bankenkrise hat die deutsche wie die internationale Wirtschaft nachhaltig getroffen. Trotz des Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (SoFFin) und anderer Staatshilfen sind die gewaltigen Probleme auch auf längere Sicht noch nicht gelöst. Unweigerlich wirft eine solche Eruption bei allen Beteiligten Kernfragen auf:

> Wo liegen die Schwachpunkte eines Risikomanagements, das eine solche Krise nicht vorhersehbar machen konnte?
> Wie kann das für die Zukunft geändert werden?
> Welche Schwachpunkte lagen in der aufsichtsrechtlichen Regulierung und wie können diese behoben werden?

Der Titel beantwortet diese Fragen qualifiziert und mit fachlich hohem Anspruch – für ein verbessertes Risikomanagement.


 

[Textquelle: Auszug aus dem Buch "Die Bankenkrise, Ursachen und Folgen im Risikomanagement, Köln 2010 / Bildquelle: iStockPhoto]


Risk Academy

Die Intensiv-Seminare der RiskAcademy® konzentrieren sich auf Methoden und Instrumente für evolutionäre und revolutionäre Wege im Risikomanagement.

Seminare ansehen
Newsletter

Der Newsletter RiskNEWS informiert über Entwicklungen im Risikomanagement, aktuelle Buchveröffentlichungen sowie Kongresse und Veranstaltungen.

jetzt anmelden
Lösungsanbieter

Sie suchen eine Softwarelösung oder einen Dienstleister rund um die Themen Risikomanagement, GRC, IKS oder ISMS?

Partner finden
Ihre Daten werden selbstverständlich vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Weitere Informationen finden Sie in unseren Datenschutzbestimmungen.