Studie der Universität Basel

Nachholbedarf bei der Messung von Liquiditätsrisiken


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Die Liquidität ihrer Kapitalanlage spielt für institutionelle Investoren nur noch eine untergeordnete Rolle. Lediglich sechs Prozent messen diesem Aspekt derzeit eine herausgehobene Bedeutung bei. Dies ist das Ergebnis einer Studie von Union Investment  zur Bedeutung von Liquiditätsrisiken im institutionellen Asset Management. Dazu waren zwischen April und Juni in Deutschland insgesamt 85 Kapitalmarktverantwortliche aus Banken, Versicherungen, Stiftungen, Pensionskassen und Unternehmen befragt worden. Das Gesamtanlagevolumen aller teilnehmenden Institute beträgt rund 367 Milliarden Euro. Für 81 Prozent der Befragten hatte der Aspekt Sicherheit die höchste Bedeutung. Zwölf Prozent hielten die Rendite für besonders relevant.

Dies war nicht immer so. Noch zwei Jahre zuvor, zum Ausbruch der Finanzmarktkrise, erachteten gerade einmal gut 20 Prozent der Investoren die Sicherheit der Anlage als besonders wichtig. Über 40 Prozent hingegen sahen das größere Risiko in der eingeschränkten Liquidität ihrer Kapitalanlage. "Auch wenn die Aspekte Sicherheit und Liquidität in den Köpfen vieler Investoren stark mit einander verbunden sind, zeigt die deutliche Verschiebung dieser Werte in der jüngsten Untersuchung eins auf: Die Risikowahrnehmung institutioneller Anleger ist durchaus erheblichen Schwankungen unterworfen. Dabei rücken offenbar die Auswirkungen auch extremer Marktereignisse schnell in Vergessenheit", erklärte Alexander Schindler, Vorstandsmitglied von Union Investment und verantwortlich für das Geschäft mit institutionellen Kunden.  
 
Differenzierte Ausprägung von Liquiditätsrisiko

Die Einstellung der Anleger ist auch vor dem Hintergrund erstaunlich, dass lediglich 28 Prozent angaben, seit Beginn der Finanzmarktkrise, keine oder fast keine Probleme mit Marktilliquidität gehabt zu haben. Drei Viertel der Investoren waren demnach von Liquiditätsengpässen betroffen. Dies gilt vor allem mit Blick auf Anlagen in Hedgefonds und Asset Backed Securities (ABS). Fast die Hälfte der Anleger hatte in diesen Anlageklassen teils deutliche Liquiditätsprobleme. Für immerhin ein gutes Drittel der Investoren trifft diese Aussage auch bei Private Equity zu. Die Liquidität von Rentenpapieren war immerhin noch für knapp 20 Prozent der Anleger eine Herausforderung. Eher unproblematisch war für institutionelle Investoren die Liquidität von Geldmarktinstrumenten und Aktien. Aktien erwiesen sich gerade einmal für fünf Prozent der Befragten als Problem.

Die differenzierte Ausprägung des Liquiditätsrisikos kommt nicht nur bei den verschiedenen Assetklassen, sondern auch im Hinblick auf die unterschiedlichen Anlegergruppen zum Tragen. Darauf verweist Henner Schierenbeck Professor an der Universität Basel, der von Union Investment mit der wissenschaftlichen Leitung der Studie beauftragt worden war. "Neben der anlageklassenspezifischen Dimension verfügt das Liquiditätsrisiko in hohem Maße auch über eine anlegerspezifische Seite", so Schierenbeck. Die Studienergebnisse bestätigen diese Aussage. Insgesamt knapp ein Viertel aller institutionellen Investoren war im Zuge der Finanzkrise gezwungen, Verluste infolge mangelnder Marktliquidität zu realisieren. Mit 38 Prozent bilden Banken und Sparkassen dabei mit deutlichem Abstand die Spitzengruppe. Es folgen Unternehmen und Pensionskassen mit jeweils 23 Prozent. Am wenigsten stark betroffen von liquiditätsbezogenen Verlusten waren Versicherungen und Stiftungen mit jeweils acht Prozent.

Grundsätzlich kann jedoch nicht per se in Anlegergruppen mit höherem und geringerem Liquiditätsrisiko unterschieden werden. "Es ist vielmehr immer die Verknüpfung von Anlegergruppe und Assetklasse zu betrachten", erläutert Schierenbeck. So hatten Banken und Sparkassen die größten Liquiditätsprobleme in den Assetklassen ABS, Private Equity und Hedgefonds. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Anlagevolumina der Banken in diesen Anlageklassen mit wenigen Ausnahmen nur einen minimalen Anteil am Gesamtportfolio ausmachen. Pensionskassen hingegen, die etwa in gleichem Ausmaß und teilweise sogar stärker in alternativen Anlageklassen investiert sind, hatten vor allem im Bereich der Rentenpapiere erhebliche Liquiditätsprobleme. Unter dem Austrocknen des Geldmarktes hatten alle Investorengruppen dagegen gleichermaßen zu leiden.  

"Beim Liquiditätsrisiko handelt es sich also um ein mehrdimensionales Phänomen. Dies erschwert seine Steuerung im Rahmen eines entsprechenden Risikomanagements", macht Schindler in diesem Zusammenhang deutlich. "Dennoch sollten Investoren trotz wiederkehrender Liquidität in vielen Marktsegmenten diesen Aspekt bei der Asset Allocation nicht vernachlässigen. Die Erfahrungen der letzten Monate haben gezeigt, wie wichtig es ist, entsprechend seiner Liquiditätsanforderungen investiert zu sein", so der Vorstand von Union Investment weiter.  Ob und in welchem Umfang Liquiditätsrisiken tragbar und sich daraus ergebende Renditechancen realisierbar sind, hängt eng mit der Cash-Flow-Situation des Investors zusammen. Der Gegenüberstellung von Liquiditätszuflüssen und Abflüssen im Rahmen von Cash-Flow-Simulationen kommt dabei eine besondere Bedeutung zu.
 
Nachholbedarf bei der Messung von Liquiditätsrisiken

Dass bei der Erfassung von Liquiditätsrisiken derzeit ein erhebliches Defizit besteht, machte Professor Schierenbeck deutlich, der im Rahmen der Studie die in Frage kommenden modelltheoretischen Ansätze auf deren Wirksamkeit hin überprüft hat. Sein Fazit: Die Möglichkeiten der Messung des allgemeinen (exogenen) Liquiditätsrisikos beschränken sich lediglich auf die normalen Schwankungsbreiten am Markt. Stress-Belastungen, in welchen keine Preissetzung mehr am Markt möglich ist, können in ihren Auswirkungen allerdings nicht bestimmt werden. Die Messung des positionsbezogenen (endogenen) Liquiditätsrisikos auf Basis der Analyse von Orderbuchdaten funktioniert nur bei der Verfügbarkeit einer ausreichenden Datenlage. Diese ist jedoch lediglich mit Blick auf die Handelsdaten von Aktien gegeben. Bei den meisten anderen Anlageklassen mangelt es demgegenüber häufig an der für die Erfassung notwendigen Transparenz. "Diese Situation ist für die Investoren in hohem Maße unbefriedigend", bewertete Schindler das Ergebnis. "Denn der Umgang mit Liquiditätsrisiken sollte nicht aus dem Bauch heraus, sondern auf der Grundlage möglichst gesicherter Erkenntnisse erfolgen." Die Wissenschaft, aber auch die Investmentpraxis seien aufgefordert, das Ihre zu tun, um bei der Entwicklung von Risikomodellen weiter voranzukommen. "Bis dahin sind Investoren gut beraten, sich der Unzulänglichkeiten der gegenwärtigen Risikomessverfahren bewusst zu sein und mit Blick auf Liquiditätssteuerung sowie -controlling stärker auf szenariobasierte Verfahren zu setzen. Darüber hinaus sind sowohl eine breite Portfoliomanagement-Expertise als auch eine ausgeprägte  Informationstiefe innerhalb der investierten Marktsegmenten wichtig. Denn diese Faktoren erlauben anhand bestehender Liquiditätsindikatoren – wie zum Beispiel Handelsvolumina oder Bid-/Ask-Spreads – eine dynamische Anpassung des Risikobudgets beziehungsweise Gesamtportfolios", resümiert Schindler.

[Bildquelle: RiskNET GmbH]

 

Kommentare zu diesem Beitrag

Ken /10.11.2009 16:04
Als Risikomanager interessiere ich mich aber doch vor allem für Stresszenarien und weniger auf die normalen Schwankungsbreiten am Markt. Als Corporate Risk Manager setzen wir seit Jahren vor allem auf stochastische, szenariobasierte Ansätze ... dort erkennen wir sehr gut auch potenzielle Stressszenarien. Im nächsten Schritt können wir dann über konkrete Absicherungsmaßnahmen nachdenken.
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