Nebelschwaden und Wolkenfelder auf den globalen Finanzmärkten


Massive Börsenbewegungen, die Belastungen durch die Finanzmarktturbulenzen, Rückwirkungen der Wachstumsabschwächung in den USA, zunehmend auch die Bremseffekte höherer Preise, vor allem bei Energie und Nahrungsmitteln, aber auch Dienstleistungen. Eine Schlüsselbedeutung hat hierbei die feste Verankerung der Stabilitätserwartungen. Für EZB und Bundesbank ist es zentral, so Franz-Christoph Zeitler, Vizepräsident der Deutschen Bundesbank, dass es bei der Lohnrunde dieses Jahres nicht zu "Zweitrundeneffekten", also einer beginnenden Preis-Lohn/Lohn-Preisspirale kommt, und über eine faire Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivitätsfortschritt hinaus nicht vorübergehende Preissteigerungen zur Grundlage dauerhafter Tariflohnerhöhungen gemacht werden. "Auch für die Beschäftigten zählt letztlich der reale Einkommenszuwachs, nicht Nominallohnerhöhungen, die zu einem großen Teil durch Preissteigerungen wieder aufgefressen werden."

Das Erreichte nicht verspielen

Insgesamt gilt es die Vertrauensgrundlage für eine Verstetigung des Aufschwungs zu stärken, so Zeitler (Bild rechts). "Es gilt den Reformprozess fortzusetzen, nicht die erreichten Reformschritte zu verwässern. Der Sachverständigenrat (das Erreichte nicht verspielen) wie Bundesregierung im Jahreswirtschaftsbericht (Kurs halten) haben dies deutlich gemacht. Deutschland hat in den letzten Jahren durch Lohnmoderation, durch höhere Preisstabilität, durch einen schmerzhaften Rationalisierungs- und Reformprozess einen Zuwachs an preislicher Wettbewerbsfähigkeit erzielt (gegenüber anderen Staaten des Eurosystems in Höhe von ca. 11 Prozent gemessen am Deflator; gemessen an den Lohnstückkosten bis zu 15 Prozent). Damit wurde nicht nur der Grundstein für den wirtschaftlichen Erfolg der letzten Jahre (2,9 Prozent Wachstum in 2006, 2,5 Prozent in 2007) gelegt, sondern vor allem auch dafür, dass dieses Wachstum beschäftigungsintensiver war als frühere Aufschwungperioden."

Zeitler wies darauf hin, dass das häufig vorgebrachte Argument, der Erfolg sei nicht in den "breiten Schichten" der Bevölkerung angekommen nicht richtig sei:

  • Heute sind etwa eine Million Erwerbstätige mehr (respektive Arbeitslose weniger) als noch vor Jahresfrist beschäftigt – ergo eine Millionen Menschen mehr, die Geld verdienen.
  • Im Jahresdurchschnitt 2008 rechnet die Bundesbank mit einem weiteren Rückgang der  Arbeitslosigkeit und einem weiteren Aufbau der Beschäftigung auf rund 40 Millionen Erwerbstätige (bei ca. 3,5 Mio. Arbeitslosen).
  • Durch den Beschäftigungsaufbau konnten die Beiträge für die Arbeitslosenversicherung von 6,5 Prozent (Ende 2005) auf heute 3,3 Prozent nahezu halbiert werden konnten. Ein Haushalt mit einem Jahreseinkommen von 22.000 € hat dadurch eine Entlastung von immerhin ca. 350 €.


Finanzmarktturbulenzen als "externes Konjunkturrisiko"

Ein "externes" Konjunkturrisiko sind die Finanzmarktturbulenzen, ausgelöst durch die US-Subprime-Krise. Die erste Welle erfasste im Sommer 2007 den Geldmarkt und führte zu einem zeitweisen Austrocknen der Märkte für commercial papers, insbesondere zur Finanzierung von ABS- und RMBS-Strukturen. Nach einer gewissen Beruhigung im Herbst (mit sinkenden spreads und steigenden Anschlussfinanzierungsquoten im CP-Markt) zeigten die Geldmärkte im November/Dezember wieder deutliche Zeichen von Anspannungen. Diese Spannungen haben sich nach dem Jahreswechsel deutlich zurückgebildet, so Zeitler.

Nach Ansicht des Bundesbank-Präsidenten scheint sich insgesamt nach den  Liquiditätsoperationen des Eurosystems die Entspannung am Geldmarkt fortzusetzen und die Chance zu bestehen, dass die Marktteilnehmer wieder mehr Vertrauen zueinander finden.

Die zweite Welle ist seit den Bilanzen für das 3. Quartal in den Büchern der Kreditinstitute zu spüren. Viele Institute mussten und müssen die verbrieften Kredite oder die zu Ihrer Finanzierung emittierten Papiere auf ihre Bücher nehmen und stehen nun vor dem Problem der Bewertung dieser assets. Der Häusermarkt in den USA scheint noch keine "Bodenbildung" erfahren zu haben. Der Kursrückgang vieler Indizes (z.B. ABX.HE BBB bei 17 Prozent, iTraxx Europe bei über 82 BP nach durchschnittlich 20 BP in Q1/Q2 2007) und der ihnen zugrunde liegenden Werte kann deshalb weiteren Abschreibungsbedarf auslösen, so die Einschätzung des Bundesbank. Viele Marktteilnehmer befürchten darüber hinaus ein "Überspringen" der Turbulenzen auf andere Sektoren (bestimmte Konsumentenkredite wie Kreditkartenverbriefungen) oder Unternehmensgruppen – etwa die Spartenversicherer der "Monolines" in den USA, die wiederum die Bonität/das Rating anderer Emittenten absichern (insbesondere "municipalities"). Von der in den nächsten Wochen anstehenden Bekanntgabe testierter Jahresabschlüsse wird erwartet, dass sie weltweit jedenfalls zusätzliche "Problemtransparenz" und somit eine wichtige Voraussetzung zur Aufarbeitung der Marktstörungen schaffen, so Zeitler.

Die Subprime-Krise ist noch nicht beendet

Da die fundamentalen Ursachen – die US-Subprime-Krise – noch nicht ausgestanden ist, wäre es verfrüht, die Krise für "beendet zu erklären", so die Einschätzung des Bundesbank-Präsidenten. Die Bundesbank bewertet die Turbulenzen als eine ernste Belastungsprobe für das globale Finanzsystem. "Ein Risiko aus der US-Hypothekenkrise für das Wachstum in Deutschland und Europa besteht im Augenblick mehr in der Abschwächung der Konjunktur in den USA und ihren mittelbaren Auswirkungen als in einer Einschränkung der Kreditvergabebereitschaft in Deutschland selbst. Zwar haben die Kreditstandards nach über dreijähriger Lockerung zuletzt generell etwas angezogen, im Euroraum stärker als in Deutschland. Eine risikogerechte Spreizung der Margen ist nunmehr leichter durchsetzbar als in der Vergangenheit. Fühlbare Einschränkungen der Kreditvergabe sind aber überwiegend bei großvolumigen und marktbasierten Finanzierungen zu beobachten, nicht in der Masse der Mittelstands- oder Wohnungsbaukredite. Hierzu trägt auch die diversifizierte Struktur der deutschen Kreditwirtschaft bei."

Lessons learned aus der Perspektive der Bundesbank

Die Liste der aus der US-Hypothekenkrise zu ziehenden Erfahrungen und Lehren ist mittlerweile lang. Sie reicht von der

  • Verbesserung der Risikosteuerung und des Risikomanagements der Kreditinstitute über die
  • Transparenz und Urteilsbildung der Ratingagenturen
  • die Anreizstrukturen im Verbriefungsprozess (insbesondere beim originate to distribute-Modell) bis zur
  • grundsätzlichen Bestätigung und – in einigen Punkten – Weiterentwicklung und Präzisierung des regulatorischen Rahmenwerks ("Basel II").

Eine weitere wichtige Erfahrung ist – aus der Sicht der Bundesbank – besonders der Wert der Einbindung der Notenbanken in die Bankenaufsicht. Der Nutzen allgemeiner aus der  Bankaufsicht gewonnener Informationen für die Geldpolitik und umgekehrt der Kenntnisse aus der operativen Geldpolitik für die Bankenaufsicht sind insbesondere bei der Zuspitzung der Situation auf dem Geldmarkt deutlich geworden, so Zeitler. In früheren Jahren wurde oft auf einen theoretisch möglichen Interessenkonflikt zwischen Bankenaufsicht und Geldpolitik verwiesen. Die Notenbanken könnten versucht sein, ihr Primärziel der Preisstabilität zu vernachlässigen, um die Solvenz einzelner Kreditinstitute zu schonen. "Im Grunde ist dieses Bedenken ein "Spezialfall" des bekannten, aber durch Wiederholung nicht an Überzeugung gewinnenden Arguments, der Stabilitätsauftrag einer Notenbank stehe im Widerspruch zu den Wachstumsmöglichkeiten eines Landes. In vielen empirischen Untersuchungen wurde diese Position mittlerweile entkräftet."

Umgekehrt ist – unabhängig vom Niveau der Leitzinsen und ihrer Rolle für die Erwartungsbildung der Märkte – die Funktionsfähigkeit des Geldmarkts eine wichtige Voraussetzung für den geldpolitischen Transmissionsprozess und damit die Wirksamkeit der Stabilitätspolitik, so der Bundesbank-Präsident.

In den Augen des Bundesbank Vizepräsidents hat sich das deutsche zweispurige Aufsichtsmodell im Grundsatz bewährt: "Der Informationsfluss und -austausch war gut; die Entscheidungswege kurz und schnell. Wichtige Weichenstellungen konnten auch am Wochenende oder in Nachtsitzungen getroffen werden. Das internationale Netzwerk der Notenbanken konnte wichtige Erkenntnisse und Erfahrungen im Bereich der Finanzstabilität beisteuern. Allerdings ist der in einem Gutachten des DIW für die Bundesregierung deutlich gewordene Wunsch der Kreditwirtschaft berechtigt, die Rollenverteilung innerhalb der beiden Aufsichtsinstitutionen klarer abzugrenzen, Überschneidungen zu beseitigen und dadurch die Effizienz der Aufsicht insgesamt zu erhöhen."


Risk Academy

Die Intensiv-Seminare der RiskAcademy® konzentrieren sich auf Methoden und Instrumente für evolutionäre und revolutionäre Wege im Risikomanagement.

Seminare ansehen
Newsletter

Der Newsletter RiskNEWS informiert über Entwicklungen im Risikomanagement, aktuelle Buchveröffentlichungen sowie Kongresse und Veranstaltungen.

jetzt anmelden
Lösungsanbieter

Sie suchen eine Softwarelösung oder einen Dienstleister rund um die Themen Risikomanagement, GRC, IKS oder ISMS?

Partner finden
Ihre Daten werden selbstverständlich vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Weitere Informationen finden Sie in unseren Datenschutzbestimmungen.