Laut der Studie "Corporate Governance 2009" der Managementberatung Kienbaum besteht in deutschen Unternehmen nach wie vor großer Nachholbedarf beim Thema Corporate Governance. Obwohl es beispielsweise 56 Prozent der DAX-Unternehmen für notwendig halten, dass für alle Aufsichtsratsmitglieder der Kapitalseite verbindliche Anforderungsprofile dokumentiert werden, um das Gremium sowie seine Ausschüsse kompetent besetzen zu können, liegen derartige Profile nur in 29 Prozent der DAX-Unternehmen auch tatsächlich vor. 42 Prozent der Befragten würden eine solche Regelung als Empfehlung im Rahmen des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) begrüßen und immerhin 14 Prozent halten sogar eine gesetzliche Regelung für zweckmäßig.
Bereits Gerhard Cromme hatte als Vorsitzender der DCGK-Kommission die Bedeutung der Anforderungsprofile im Aufsichtsrat betont. Sein Nachfolger Klaus-Peter Müller hat jüngst nochmals hervorgehoben, dass eine weitere Professionalisierung sowie die Erweiterung der Kompetenzprofile um den Aspekt "Diversity" im Fokus der Kommissionsarbeit stehen. Als wichtigste Kompetenzen, die in entsprechenden Anforderungsprofilen abgebildet werden sollten, nennen die Unternehmen unternehmerische Kompetenz und Finanzexpertise (jeweils 93 Prozent), gefolgt von Branchenkompetenz (82 Prozent), internationaler Kompetenz (77 Prozent) und Personal-Know-how (66 Prozent).
Gemeinsame Verantwortung bei der Vergütung
Der vom Gesetzgeber eingeführten Verlagerung der abschließenden Verantwortung für die Gesamtvergütung der Vorstände in den Gesamtaufsichtsrat (Aufsichtsratsplenum) stimmen 65 Prozent der Unternehmen zu. 73 Prozent dieser Unternehmen begründen dies damit, dass auf diese Weise alle Aufsichtsratsmitglieder gemeinsam die Verantwortung für dieses Thema tragen. 35 Prozent der Unternehmen lehnen die Verlagerung allerdings ab. 80 Prozent der Befragten kritisieren in diesem Zusammenhang insbesondere die verlangsamte und ineffizientere Entscheidungsfindung, rund zwei Drittel geben fachliche Gründe an – insbesondere wird hierbei das Argument genannt, dass nur im Personalausschuss, der bisher zumeist für die Gesamtvergütung verantwortlich zeichnete, die für die komplexe Vergütungsthematik erforderliche Sonderqualifikation vorhanden sei. "Die Verlagerung der Verantwortung bedeutet auch eine Verlagerung der Haftung auf sämtliche Mitglieder des Aufsichtsrates. Dies gilt selbst dann, wenn nicht alle Mitglieder über die erforderliche Qualifikation verfügen. Das bedeutet in der Praxis, dass die Kompetenz in Vergütungsfragen für alle Aufsichtsratsmitglieder zu einer erforderlichen Mindestqualifikation wird", so die Einschätzung von Jürgen Kunz, stellvertretender Vorsitzender der Geschäftsführung der Kienbaum Consultants International GmbH.
Nachhaltigkeit versus Befristung von Vorstandsverträgen
80 Prozent der befragten DAX-Unternehmen halten die aktuelle gesetzliche Regelung für richtig, wonach Vorstandsverträge auf maximal fünf Jahre befristbar sind. Zwei Prozent plädieren für längere Vertragsdauern von bis zu zehn Jahren, zwölf Prozent sprechen sich sogar für die Möglichkeit zu unbefristeten Verträgen bei Aktiengesellschaften nach deutschem Recht aus. Andere Rechtsformen bieten in dieser Frage bereits größere Gestaltungsmöglichkeiten: Bei der Europäischen Aktiengesellschaft (Societas Europaea, SE) – eine Rechtsform, die immerhin bereits vier der DAX-30-Unternehmen gewählt haben – ist beispielsweise eine Vertragsdauer von höchstens sechs Jahren möglich. In nicht-börsennotierten Unternehmen wie der GmbH kann das Leitungsorgan sowohl befristet als auch unbefristet beschäftigt werden. "Nachhaltigkeit ist ein zentraler Punkt in der neuen Rechtsentwicklung. Nachhaltigkeit kann aber durchaus länger als fünf Jahre dauern. Die Zukunft wird zeigen, ob das immer stärker betonte Element der Nachhaltigkeit mit dem starren System der maximal auf fünf Jahre befristbaren Vorstandsverträge für die Aktiengesellschaften auf Dauer verträglich ist. Eine entsprechende Änderung hin zu mehr Flexibilität wäre allerdings nur durch den Gesetzgeber möglich", so die Einschätzung von Kunz.
BilMoG schafft neue Anforderungen an Transparenz
Für mehr Transparenz sprechen sich viele Unternehmen in Sachen Selbsteffizienzprüfung der Aufsichtsräte aus. 43 Prozent sind der Meinung, dass die Ergebnisse beispielsweise auf der Hauptversammlung vorgestellt werden sollten. Das neue Bilanzmodernisierungsgesetz (BilMoG) sieht bereits jetzt vor, dass in der Erklärung zur Unternehmensführung auch Beschreibungen der Arbeitsweise von Vorstand und Aufsichtsrat sowie der Zusammensetzung und Arbeitsweise von deren Ausschüssen aufzunehmen sind.
Das BilMoG verlangt außerdem, dass in die Erklärung zur Unternehmensführung relevante Angaben zu den praktizierten ethischen Standards einfließen müssen. In der Befragung gaben 66 Prozent der Unternehmen an, dass ethische Werte als zentrale Faktoren der Unternehmensführung künftig einen stärkeren Einfluss haben sollten. Ethik sei damit ebenso ein zentraler Faktor nachhaltiger Unternehmensführung wie etwa Arbeits- und Sozialstandards. Die Herausforderung für die Unternehmen bestehe nun darin, messbare Kriterien sowie ein stringentes und mit der Unternehmensstrategie konformes Wertegerüst zu entwickeln, das auch in der Praxis und von der Unternehmensführung vorgelebt werden müsse.
Als wichtigste Themen in der Zukunft der Corporate Governance sehen die Unternehmen die weitere Optimierung im Verhältnis von Unternehmensführung und -steuerung und die weitere Professionalisierung der Aufsichtsratsarbeit. Einig sind sich die Befragten auch, in welcher rechtlichen Form diese Neuerungen Einzug halten sollen: 88 Prozent sprechen sich hier für den DCGK und gegen zusätzliche gesetzliche Regelungen aus.
[Bildquelle: iStockPhoto]
Kommentare zu diesem Beitrag
Und wenn sich die Gesellschaft hier nicht auf grundlegende Spielregeln einigen kann, die übrigens anerkannt sein müssen und dann auch freiweillig eingehalten werden, dann stiftet der ganze Compliance-Käse von irgendwelche geldgeilen WP's und Beratern auch keinen Nutzen.
So einen Blödsinn wie Compliance hat es in der Menschheitsgeschichte noch nie gegeben. Vielmehr hat man sich direkt auf gesellschaftliche Grundwerte und zwischenmenschliche Regeln des Miteinanders geeinigt, ohne solch einen Voodoo-Zauber drumherum.... Wenn hier schon wieder irgendwelche Handbücher und Papierkram angelegt werden ("liegen derartige Profile nur in 29 Prozent der DAX-Unternehmen auch tatsächlich vor" ... => na Gott sei Dank, dann sind ja 71 Prozent der DAX-Unternehmen noch in vollem Besitz ihrer geistigen Kräfte!!!!), artet das wieder nur in Bürokratie aus!!!!! Und den Mist liest doch kein Sch..., geschweigen denn es würde jemand ernst nehmen!!!