Neues Compliance-Beben von Pittsburgh aus?


Risikomanagement ist nicht Risikobuchhaltung. Das gilt besonders im Risikomanagement der Wirtschaftskriminalität. Hier ändern sich die Rahmenbedingungen rapide. Da alte Geschäftspraktiken sich nicht von einem Tag auf den anderen ersetzen lassen, ist es nötig, frühe Signale aufzunehmen und entsprechend Konsequenzen zu ziehen. Das zeigt sich an folgendem Beispiel mit größter Dringlichkeit nicht nur im Verhältnis zu den USA, sondern – man staune – im Verhältnis zu den arabischen Ländern.

In letzter Zeit haben wir eine Anzahl größerer Verwerfungen gesehen, die sich darauf zurückführen ließen, dass ein einmal gewählter Ansatz, mit bestimmten Risiken umzugehen, unter den nicht ganz überraschenden Umweltveränderungen zusammenbrach. Die Betroffenen gerieten in schwerste Krisen, weil sie diese Veränderungen nicht erkannt hatten, ihrer alten Strategien zu sicher waren – oder, was ich befürchte, sich nicht trauten, rechtzeitig, diskret aber entschieden eine neue Strategie zu wählen. Bei den Beispielsfällen Siemens und Liechtenstein lag das Risiko wohl schwerpunktmäßig im Bereich der Wirtschaftskriminalität, im Fall der Subprime Krise handelte es sich vorwiegend um (Finanz-) Marktrisiken. Vielleicht können wir gerade eine neue, ganz ähnliche Entwicklung beobachten, die das Zeug dazu hat, wiederum viele in einen Strudel zu reißen.

Bahrain auf dem Weg zu modernerer Corporate Governance

Nach langen Jahren, in denen Veränderungen gefordert wurden, ohne großartige Ergebnisse, werden jetzt in Bahrain drastische Schritte hin zu einer moderneren Corporate Governance – will sagen Korruptionprävention – sichtbar: Das war im Februar erst in der Zeitung zu lesen (Kingdom spurred into fresh bout of economic change, Financial Times vom 22.02.08

www.ft.com/cms/s/0/7065ab9e-e0e9-11dc-b0d7-0000779fd2ac.html

).

Anzeichen gab es aber schon seit einigen Jahren, wie dem Artikel ebenfalls zu entnehmen ist. Nun verklagt eine Staatsholding aus Manama/Bahrain einen Aluminium Multi auf heutzutage wenig aufregende 1 Mrd USD in Pittsburgh, wie eine Woche später bei Bloomberg zu lesen war (Alcoa Sued for $1 Billion, Bribery in Bahrain Claimed, Bloomberg vom 28.02.08)

www.bloomberg.com/apps/news

).


Scheich klagt vor US-Gericht gegen US-Gesellschaft

Bahrain lässt sich hier auf keine Abenteuer ein, wie ich geneigt bin aus der Qualität des beauftragten Anwalts zu schließen.  Was ist daran spannend: Hier klagt eine arabische Staatsholding (also letzten Endes der Scheich/das Königreich Bahrain) vor einem US-Gericht gegen eine US Gesellschaft. Alcoa darf/wird/muss nach dem dortigen "full disclosure" Prinzip die Offenlegung aller Dokumente verlangen, die mit dem behaupteten Betrugsfall zu tun haben. Bislang wurden solche Klagen wenig beobachtet, weil man annahm, dass sich die dortigen Königshäuser davor fürchteten, mit Dreck am Stecken erwischt zu werden. Dies scheint hier nun nach wenigstens fünf Jahren Vorarbeit anders zu sein.

Dies und die vorgenannte Meldung aus der FT weisen auf eine Trendwende hin, die alle in der Region Tätigen dringend als Warnung verstehen sollten, ihr Risikomanagement umgehend auf sich verändernde Umstände einzustellen. Wer schmutzige Wäsche in der Öffentlichkeit wäscht, zeigt damit, dass er nicht länger bereit ist, die Ursache der Verschmutzung zu tolerieren. Es ist mit ungeahnter Transparenz zu rechnen!

Foreign Corrupt Practices Act

Zum Fall Alcoa soll nicht unerwähnten bleiben, dass dieses Unternehmen im letzten Jahr einen prominenten Führungswechsel erlebte, der zweifellos Anlass bot, zu einer ähnlich drastischen Revision der internen Systeme wie auch Vertriebspraktiken anzusetzen, wie bei Siemens. Wir werden noch hören, inwieweit das geschehen ist. Nebenher gilt es hier zu beachten, dass der Foreign Corrupt Practices Act (FCPA) für den Fall relevant sein dürfte. Dieses Gesetz, das ähnlich aber viel weitergehend als unser Internationales Bestechungsgesetz, die Bestechung ausländischer Staatsbediensteter (einschließlich solcher in Staatsunternehmen) unter Strafe stellt, hat für deutsche Unternehmen eine noch weitaus höhere Relevanz als Sarbanes Oxley. Wer mit den USA Geschäfte macht, sollte sich hüten, irgendwo in der Welt an korrupten Systemen mitzuwirken. Letzteres also ein alter Grund, seine Geschäftspraktiken zu überprüfen – die jüngsten Entwicklungen im Mittleren Osten machen das nun dringend!


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