Bankenregulierung

Nun sind die Kryptowerte dran


Bankenregulierung: Nun sind die Kryptowerte dran News

Kryptowerte haben in den letzten zehn Jahren einen fulminanten Aufstieg erfahren. Sie werden von führenden Politikern der Welt gleichermaßen gelobt und verurteilt. In einigen Ländern wie in El Salvador sind sie gar zum gesetzlichen Zahlungsmittel etabliert.

Kryptowerte haben bisher zwei Phasen durchlaufen: einen raschen Preisanstieg, gefolgt von einer längeren Phase der weltweiten Anerkennung, Kontroversen und schwankenden Preisen, ohne dass es zu langfristigen Preissteigerungen kam. Die Zeichen deuten nun darauf hin, dass die Kryptowerte in ihrer nächsten Phase der der Bereinigung angekommen sind. 

Die Aufsichtsbehörden haben die Risiken in den letzten zwei Jahren in den Blick genommen. In einzelnen Ländern wurden verschiedene Regelungen auf den Weg gebracht. Eine systematische Bankenregelung hat jüngst der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht vorgelegt. Eine Konsultation des Finanzstabilitätsrates, die sich eher mit strukturellen Fragen beschäftigt, endete letzte Woche. 

Die Regulierungsaktivitäten weisen einige Besonderheiten auf. So unterwirft die Bankenaufsicht einerseits die Kryptowerte ihrem tradierten mikroprudenziellen Instrumenten. Der Ausschuss betont zwar, dass es bisher wenig Erfahrung mit den unbekannten Risiken der Kryptowerte gibt, so soll es aber regulatorisch keinen Unterschied zwischen konventionellen Aktiva in analoger und digitaler Form geben. 

Kryptowerte werden als private digitale Vermögenswerte definiert, die in erster Linie auf Kryptographie und Distributed-Ledger- oder ähnlichen Technologien beruhen. Um die aufsichtsrechtliche Einstufung zu bestimmen, müssen Kryptowerte laufend überprüft und in zwei große Gruppen eingeteilt werden. 

Die Kryptowerte der Gruppe 1 werden mit den beiden Untergruppen 1a und 1b als weniger riskant eingeschätzt. Die Kryptowerte der Gruppe 2 werden hingegen als hochriskant eingestuft. Hierunter fallen ungesicherte Kryptowerte, einschließlich tokenisierter traditioneller Vermögenswerte der Gruppe 1, die die Bedingungen der Gruppe 1 nicht erfüllen. Auch die Gruppe 2 unterteilt sich zwei Untergruppen 2a und 2b. Sie unterscheiden sich durch ihre Marktgängigkeit in Form der Marktkapitalisierung und dem täglichen Handelsvolumen. So würden beispielsweise die etablierten Kryptowährungen wie Bitcon oder Ether in die Gruppe 2a fallen. 

Abb. 01: Kategorisierung von Kryptowerten  [Quelle: Baseler Ausschuss 2022, S. 2]Abb. 01: Kategorisierung von Kryptowerten  [Quelle: Baseler Ausschuss 2022, S. 2]

Die Gruppe 1a umfasst traditionelle Vermögenswerte für den Fall, dass sie durch die Tokenisierierung als digitaler Vermögenswert gelten. Der Ausschuss hebt hervor, dass die zugrunde liegenden Kredit- und Marktrisiken sowie die Eigentumsrechte in analoger und digitaler Form übereinstimmen müssen. Insofern gelten in Abhängigkeit von der Zuweisung zum Bank- oder Handelsbuch gelten Anforderungen für Kredit- oder Marktrisiken sowie der Kontrahentenausfallrisiken für Derivatepositionen einschließlich der Risiken aus der Anpassung der Kreditbewertung (CVA-Risiko).

Die Gruppe 1b ist für die sogenannten Stablecoins vorgesehen (z.B. Tether oder Circle). Stablecoins sind auf Blockchain emittierte digitale Wertschriften (Tokens), die zumeist an traditionellen Aktiva gekoppelt sind und zu einem festen Kurs (z. B. den Dollar oder den Euro) gegen den zugrunde liegenden Vermögenswert getauscht werden können. Die Rückzahlung muss nun nicht mehr jederzeit erfolgen, sondern kann innerhalb von fünf Tagen erfolgen. Für die Kategorisierung als Position in Gruppe 1b muss ein Test des Rückzahlungsrisikos bestanden werden. Die als Sicherheit dienenden Vermögenswerte müssen auch in Stresssituationen verfügbar sein, um den Umtausch der Referenzaktiva zu ermöglichen. Wie ein solcher Stresstest genau aussehen soll, wird nicht beschrieben. 

Im letzten Konsultationspapier sah der Ausschuss noch einen zweiten Test vor, den sogenannten Basisrisikotest. Um Basisrisiken zu verhindern, sollte der Marktwert der Kryptowerte dem der Referenzaktiva entsprechen. Quantitativ wäre der Test bestanden, wenn die Wertdifferenz an nicht mehr als drei Tagen innerhalb der letzten zwölf Monate mehr als zehn Basispunkte beträgt. Dieser Test war bei der Finalisierung der Regeln politisch nicht konsensfähig, obwohl er eine sehr große Bedeutung hat, das Risiko von Stablecoins zu bewerten. 

Für sämtliche Kryptowerte der Gruppe 1 sollte eigentlich ein Kapitalzuschlag für Infrastrukturrisiken eingeführt werden. Er wurde damit begründet, dass neue Technologien neue Risiken mit sich bringen können. Im finalen Dokument wird der Zuschlag durch einen flexibleren Ansatz ersetzt. Der Ansatz erlaubt es den Behörden, einen Aufschlag auf der Grundlage festgestellter Schwächen in der Infrastruktur, die bestimmten Kryptowerten zugrunde liegt, einzuführen und zu erhöhen. Ein solcher Ansatz sollte den Banken einen Anreiz bieten, sich aktiv mit Infrastrukturrisiken zu befassen, um die Auferlegung eines Aufschlags zu einem späteren Zeitpunkt zu vermeiden.

Für die Berechnung der Eigenkapitalanforderungen der Gruppe 2a kommen die Regeln für Marktrisiken zur Anwendung. Es handelt sich dabei um einen modifizierten Standardansatz. Eine Unterlegung von Kreditrisiken ist nur im Fall von Stablecoins der Gruppe 2a bei Risikopositionen gegenüber Zahlstellen und Intermediären nötig. Während für die als liquider angesehene Untergruppe 2a eine Eigenkapitalunterlegung in Höhe von 100% vorgesehen ist, sollen Kryptowerte der Gruppe 2b vom harten Kernkapital abgezogen werden. Das entspricht bei einem Solvabilitätskoeffizienten von 8 Prozent einem Risikogewicht von 1.250 Prozent. Damit kommt zum Ausdruck, dass unbesicherte Kryptowerte keinen intrinsischen Wert besitzen. Sie könnten jederzeit auf null fallen. Insofern tragen sie ein spekulatives Risiko in sich.

Schließlich gibt es Obergrenzen. So darf eine Bank nicht mehr als 1 Prozent ihres harten Kernkapitals in Kryptowerte der Gruppe 2 investieren. Die Risikopositionen sollen als der höhere Wert der Brutto-Long- und Brutto-Short-Position in jedem Kryptowert gemessen werden und nicht, wie ursprünglich vorgeschlagen, als die Summe der absoluten Werte der Long- und Short-Positionen. Wird 1-Prozentgrenze überschritten, dann gilt für den darüber liegenden Betrag das Risikogewicht von 1.250 Prozent. Sind die Anlagen der Bank gar größer als 2 Prozent liegen, dann gilt das höchste Risikogewicht für alle Kryptowerte der Gruppe 2.

Das Konstrukt der Risikolimite führt dazu, dass die Banken von der Anlage in Kryptowerte der Gruppe 2 ausschließen könnten. Wichtig ist, dass die vorgeschlagene Methode es den Banken nicht erlaubt, die Limitauslastung für Kryptowerten zu steuern, da die Hinzufügung eines Absicherungsinstruments oder ein Preisanstieg des zugrundeliegenden Kryptowertes eine Verletzung des Limits wahrscheinlicher machen könnte, indem das Gesamtengagement erhöht wird.

Ursprünglich war vorgesehen, dass die Banken ihre Kryptowerte anhand der Klassifizierungsbedingungen bewerten und eine vorherige aufsichtliche Genehmigung zur endgültigen Klassifizierung einholen müssen. Nunmehr sind die Banken im endgültigen Standard verpflichtet, die Aufsichtsbehörden über Klassifizierungsentscheidungen zu informieren. Die Aufsichtsbehörden haben die Möglichkeit, diese Entscheidungen aufzuheben, wenn sie mit der Beurteilung einer Bank nicht einverstanden sind. 

Mit dem aktuellen europäischen Gesetzesvorhaben des "Bankenpakets" wird die Kommission gebeten bis 31. Dezember 2025 zu prüfen, inwieweit Kryptowerte künftig aufsichtsrechtlich behandelt werden sollen. Mit dem vorliegenden Baseler Standard ist jedenfalls die Grundlage für eine entsprechenden Gesetzesvorschlag gelegt. Es ist lediglich die Frage, ob die Anforderungen im laufenden Verfahren noch untergebracht werden.

Autor: 

Dr. Silvio Andrae 

 

[ Bildquelle Titelbild: Adobe Stock.com / Bildwerk ]
Risk Academy

Die Intensiv-Seminare der RiskAcademy® konzentrieren sich auf Methoden und Instrumente für evolutionäre und revolutionäre Wege im Risikomanagement.

Seminare ansehen
Newsletter

Der Newsletter RiskNEWS informiert über Entwicklungen im Risikomanagement, aktuelle Buchveröffentlichungen sowie Kongresse und Veranstaltungen.

jetzt anmelden
Lösungsanbieter

Sie suchen eine Softwarelösung oder einen Dienstleister rund um die Themen Risikomanagement, GRC, IKS oder ISMS?

Partner finden
Ihre Daten werden selbstverständlich vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Weitere Informationen finden Sie in unseren Datenschutzbestimmungen.