Der Vorschlag des Internationalen Währungsfonds (IWF), im Krisenfall die Europäische Zentralbank (EZB) an einer möglichen europaweiten Einlagensicherung unter Einbindung der Finanzindustrie zu beteiligen, stößt bei Ökonomen auf harsche Kritik. "Angesichts der Größenordnung des Euroraum-Bankensektors - seine Bilanzsumme beläuft sich auf mehr als 34.000 Milliarden Euro, also etwa 360 Prozent des Volkseinkommens - ist eine Finanzierung eines Sicherungsfonds, der ja aktuell über keinerlei Reserven verfügt, durch Abgaben der Finanzindustrie illusorisch", sagte der Chefökonom von Degussa-Goldhandel und Honorarprofessor an der Frankfurt School of Finance, Thorsten Polleit, Handelsblatt Online. "Der Vorschlag soll die Europäische Zentralbank zum Anwerfen der elektronischen Notenpresse bewegen - daher auch das Einfordern einer EZB-Kreditlinie für den Sicherungsfonds."
Polleit fürchtet, dass die "ideologische Propaganda des IWF zur Inflationierung der Schulden" ihre Wirkung nicht verfehlen werde. "Den Folgen eines Papiergeldbooms lässt sich auf diese Weise jedoch nicht entkommen", warnte er. Weil die Depression stärker gefürchtet werde als die Inflation, sei klar, wie die politischen Hebel gestellt würden - auf Inflation. Das hält der Ökonom aber für den falschen Weg. "In den europäischen Werkzeugkasten gehören nicht die Rezepte des IWF, sondern Maßnahmen wie Schuldenrestrukturierungen oder Schuldenschnitte bei Staaten und Umtausch von Fremd- in Eigenkapital bei Banken."
Kritisch sieht den IWF-Vorschlag auch der frühere Berater der Europäischen Zentralbank, Hans-Peter Grüner. "Der IWF sollte sich mit den Nebenwirkungen einer solchen Politik auseinandersetzen. Wer der Zentralbank immer mehr sachfremde Aufgaben aufbürdet, riskiert Inflation", sagte der Wirtschaftsprofessor an der Universität Mannheim Handelsblatt Online. Dass die Forderung, die Bankenrekapitalisierung über die EZB zu finanzieren, irgendwann kommen werde, sei aber klar gewesen, fügte Grüner hinzu. Denn die passende "Andockstelle" ist bereits im Vertrag zum Euro-Dauerrettungsschirm ESM vorgesehen. Der ESM dürfe Kredite nicht nur bei Banken, sondern auch bei anderen Institutionen aufnehmen.
Grüner plädiert dafür, dass die Euro-Staaten die Finanzierung des ESM und die Rekapitalisierung der Banken sicherstellen. Allerdings müsse auch die Rolle des ESM neu überdacht werden, sofern er vor allem Banken rekapitalisiere. Denn dann werde der ESM Eigentümer von Banken. "Er muss dieser Aufgabe institutionell gewachsen sein", sagte der Ökonom. Aus Grüners Sicht spreche dann auch viel dafür, die Aufsicht über große Finanzinstitute einer gestärkten Europäischen Bankenaufsicht (EBA) zuzuweisen.
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Der französische Finanzminister Pierre Moscovici hält weiter an Euro-Bonds als einem Instrument gegen die Krise fest. "Ich denke, wir sollten das nicht für immer ausschließen", sagte Moscovici nach einem Treffen mit hochrangigen Vertretern der USA und des Internationalen Währungsfonds (IWF) am späten Donnerstagabend. Die neue französische Regierung steht mit ihrer Haltung gegen die Überzeugung von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Eine gemeinsame Schuldenaufnahme durch die Euromitglieder könne erst nach einer in Brüssel koordinierten Haushaltspolitik kommen. Laut IWF könnte die Eurozone aber auf Euro-Bills ausweichen, die auch gemeinsam als Anleihe begeben werden aber nur eine Laufzeit von höchstens einem Jahr haben.
Hochrangige Vertreter des Internationalen Währungsfonds (IWF) haben der Brüsseler EU-Spitze nach Informationen des Nachrichtenmagazins Spiegel mitgeteilt, dass der IWF nicht mehr bereit sei, weitere Gelder für die Griechenlandhilfe zur Verfügung zu stellen.
Derzeit untersucht die Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF), wie weit das Land seinen Reformverpflichtungen nachkommt. Es stehe schon jetzt fest, schreibt der Spiegel in seiner Onlineausgabe, dass die Regierung in Athen den Schuldenstand des Landes nicht wie vereinbart bis zum Jahr 2020 auf rund 120 Prozent der Jahreswirtschaftsleistung drücken könne.
Erhalte das Land mehr Zeit, seine Ziele zu erfüllen, würde das nach Schätzungen der Troika zusätzliche Hilfen zwischen zehn und 50 Milliarden Euro erfordern. Viele Regierungen der Euro-Zone seien jedoch nicht mehr bereit, neue Griechenland-Lasten zu schultern. Um die Ansteckungsgefahr für andere Länder zu begrenzen, wollten die Regierungen den Start des neuen Rettungsschirms ESM abwarten. Dieser kann jedoch nicht vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts am 12. September in Kraft treten.
Um Griechenland über den Monat August zu helfen, könnte ein letztes Mal die EZB einspringen, heißt es in dem Spiegel-Bericht. Eigentlich müsste Athen am 20. August 3,8 Milliarden Euro an die Zentralbank zurückzahlen. Die Lösung könnte eine Art Kreislaufgeschäft sein, bei dem die Euro-Notenbanken selbst die Kreditablösung übernehmen. Der griechische Staat könnte neue kurzfristige Staatsanleihen herausgeben und sie an die griechischen Banken verkaufen. Diese wiederum reichten die Papiere bei der griechischen Notenbank ein - als Sicherheit für neue Nothilfen.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) will Griechenland weiter unterstützen und seine Experten nach Athen schicken. "Der IWF unterstützt Griechenland bei der Überwindung seiner wirtschaftlichen Schwierigkeiten", erklärte der IWF in einer Mitteilung. "Eine IWF-Mission wird am 24. Juli mit der griechischen Führung Gespräche beginnen, wie das Reformprogramm wieder in die Spur gebracht werden kann." Der IWF weiß um die Nöte der schwer unter Bedrängnis stehenden Regierung. Zwischen 2015 und 2020 könnten dem Land nach Berechnungen des Fonds noch einmal 70 Milliarden Euro fehlen.
Der IWF sendet seine Volkswirte gemeinsam mit einer Delegation von EU und Europäischer Zentralbank in die griechische Hauptstadt. Zum Teil soll die Arbeit noch am Abend beginnen.
Zahlreiche Ökonomen und Beobachter sehen das Euromitglied bereits am Ende seiner Reformkräfte, weil die rigiden Sparbeschlüsse die Wirtschaft regelrecht abgewürgt haben. Das Land befindet sich im fünften Jahr des Abschwungs und Besserung ist noch nicht in Sicht. Im März hatten die Fachleute des Fonds davor gewarnt, dass Griechenland "zusätzliche Unterstützung von den europäischen Partnern brauchen könnte", wenn das Reformprogramm nicht umgesetzt werden sollte. Das Kabinett um Ministerpräsident Antonis Samaras hat sich zum Reformkurs bekannt, will aber bei den Sparzielen einen Aufschub um zwei Jahre erreichen.
Der Währungsfonds stellt sich damit auch gegen Berichte des Nachrichtenmagazins Der Spiegel, der am Wochenende gemeldet hatte, die Washingtoner Organisation wolle sich nicht länger an der finanziellen Rettung des Euromitglieds beteiligen. Die Niederlande und Finnland haben aber eine IWF-Beteiligung zur Bedingung für weitere Griechenland-Hilfen gemacht.
Damit wird für die Griechen mal wieder die Zeit knapp: Am 20. August muss das Land 3,8 Milliarden Euro an die EZB zahlen. Die hat es jedoch nicht, weil die Troika die Mittel so lange zurückhalten wird, bis sie sich ein Bild von der Lage gemacht hat. Eine Entscheidung wird wohl erst im September fallen.
Der bayerische Finanzminister Markus Söder hat sich erneut für einen Euro-Austritt Griechenlands stark gemacht. Ein geordneter Ausstieg wäre für Europa besser, aber auch für das Land selbst, sagte Söder im Deutschlandfunk. "Da es Griechenland nicht schaffen kann und wahrscheinlich auch nicht schaffen will, macht es nur Sinn, Griechenland den Weg aus der Eurozone zu ebnen", fügte der CSU-Politiker hinzu. Griechenland habe kaum mehr eine Chance, "auf die Beine zu kommen". Für die EU hält Söder einen Euro-Austritt des hoch verschuldeten Landes für "absolut verkraftbar".
Söder wehrte sich dagegen, Griechenland weiter mit Finanzmitteln zu unterstützen, da bislang kaum Reformschritte sichtbar seien. Er erteilte auch Forderungen nach einer Schuldenübernahme eine deutliche Absage. Das seien dann de facto Euro-Bonds, sagte der bayerische Finanzminister. Damit werde das Risiko für den Steuerzahler "verzigfacht". Mit einer eigenen Währung habe Griechenland dagegen eine Chance, sich zu entschulden.
Im ZDF-Morgenmagazin plädierte Söder auch für den Aufbau einer eigenen europäischen Ratingagentur. Nach der Ankündigung einer Abwertung von Deutschland durch Moody's warf Söder der US-amerikanischen Agentur politische Motivation vor. Deshalb sei der Aufbau einer europäischen Ratingagentur um so wichtiger. "Da muss man sich mehr darum bemühen. Das haben die Europäer verschlafen", sagte Söder.