Deutsche Ökonomen warnen angesichts eines drohenden russischen Militäreinsatzes gegen die Ukraine vor unabsehbaren wirtschaftlichen Folgen. "Geopolitische Unsicherheiten vor der eigenen Haustür und ein potenzieller politischer Konflikt mit Russland bedeuten für die EU auch wirtschaftliche Unsicherheiten", sagte der Chefvolkswirt der Dekabank, Ulrich Kater, dem Handelsblatt Online.
Abgesehen von der Sicherheit der Gaslieferungen aus Russland über die Ukraine, sei die Ungewissheit groß, welche Folgen das Vorgehen Russlands im Osten Europas noch haben könnte. "Eine generelle Verunsicherung der wirtschaftlichen Erwartungen kann im Extremfall die konjunkturelle Entwicklung insgesamt belasten", warnte Kater. Aber noch bestünden gute Hoffnungen, dass der Konflikt politisch eingedämmt werden kann.
Darauf hofft auch der Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Gustav Horn. Denn die politische Eskalation in der Ukraine, "die jeder Vernunft Hohn spottet, hat auch ökonomisch fatale Konsequenzen für die Menschen in der Ukraine", sagte Horn der Zeitung. Die Institutionen seien nur noch begrenzt funktionsfähig. "Sollten die Auseinandersetzungen die Grenze zum Kriegerischen überschreiten, droht der finanzielle Kollaps", warnte der IMK-Chef.
In einer solchen unübersichtlichen Situation könnten der Internationale Währungsfonds oder die EU wenig ausrichten, ein Staatsbankrott wäre laut Horn dann unvermeidlich. Er befürchte in diesem Fall globale Verwerfungen: "Aus europäischer und globaler Sicht verstärkt sich damit die ohnehin vorhandene Unsicherheit, die derzeit immer noch eine erhebliche Bürde für einen stabilen globalen Aufschwung ist."
Vor negativen Auswirkungen auf die globale Wirtschaft warnt auch Christian Dreger, Forschungsdirektor im Bereich International Economics am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). "Die Krise in der Ukraine beeinträchtigt die Integration der Weltwirtschaft", sagte Dreger. Vor allem das Verhältnis zwischen Russland und der EU dürfte bei einer Zuspitzung erheblich belastet werden. Es komme nun darauf an, die Ukraine möglichst rasch politisch und wirtschaftlich zu stabilisieren. Dazu könne die EU beitragen. "Allerdings kann eine Lösung nicht ohne Russland erreicht werden", sagte Dreger.
Der Wormser Wirtschaftsprofessor Max Otte sprach von einer "wirklich besorgniserregenden" Lage. Die Einschnürung Russlands durch den Westen habe das Potenzial für eine "ganz, ganz große Krise, die weit über das ökonomische hinausgeht", sagte Otte der Zeitung. Könne dies noch verhindert werden, dann sei die kritische Situation oder sogar die Insolvenz eines ökonomisch unbedeutenderen Landes am Rande Europas "nichts Neues". Sie würde auch für die Weltwirtschaft keine allzu großen Auswirkungen haben.
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