Vom Teufel geritten – der Konjunkturzyklus

Phase erhöhter Fragilität erfordert Risikomanagement


Vom Teufel geritten – der Konjunkturzyklus: Phase erhöhter Fragilität erfordert Risikomanagement Kolumne

Am Ende des ersten Quartals 2018 scheinen sich viele Anleger noch Fragen zum Zustand der Instabilität zu stellen, in den die Märkte geraten sind. In einem bevorstehenden amerikanisch-chinesischen "Handelskrieg" oder in wachsenden Antipathien gegenüber dem Technologiesektor lässt sich sehr leicht ein Ventil für die aktuelle diffuse Ängstlichkeit an den Märkten finden.

Doch des Pudels Kern liegt anderswo. Die Phase der Instabilität, die gerade begonnen hat, hat einen ganz anderen Charakter. In ihr spiegeln sich nicht mehr Deflationsängste oder ein möglicher Wirtschaftsabschwung wider. Vielmehr drückt sich hier aus, wie verwirrt die Märkte über die letztendliche Wirkung der Geldpolitik sind. Es geht schließlich um den Zusammenprall aus mittlerweile restriktiverer Geld- mit liberalerer Haushaltspolitik und wie sich dies auf Volkswirtschaften und Vermögenswerte auswirken wird. Diese haben seit Jahren von der heldenhaften Unterstützung der Zentralbanken profitiert.

Zunächst erscheint es hilfreich zu untersuchen, wie sich Handelskonflikte eigentlich auf wirtschaftliches Wachstum auswirken und was Datenschutz für die datensammelnden Tech-Konzerne unserer Zeit bedeutet. Dann halten wir es für sinnvoll, auf das einzugehen, was wir für ein glaubwürdiges Basisszenario für den Ausstieg aus dieser Volatilitätsperiode halten.

Der sogenannte Handelskrieg

Donald Trump hat weder als Kandidat, noch als Präsident ein Geheimnis daraus gemacht, dass er eine neomerkantilistische Handelspolitik verfolgen will. Er hat es 2017 nur auf Eis gelegt. Darüber hinaus findet die Idee, den amerikanischen Handelspartnern eine Position der Stärke zu entreißen, in der amerikanischen Öffentlichkeit breite Unterstützung. Im Hinblick auf die Zwischenwahlen im November 2018 muss dieses Ziel wieder ganz oben auf der politischen Agenda stehen. Dass Donald Trump gern "verhandelt", indem er seinem Gesprächspartner die Pistole auf die Brust setzt, ist ebenfalls nichts Neues. Auch dass China über mächtige und vielfältige Möglichkeiten der Vergeltung verfügt, ist hinreichend bekannt. Es beginnt also eine Periode des Sichin-Stellung-Bringens, der Drohungen und Gegendrohungen. Eine Phase, die das Vertrauen der Investoren untergraben könnte, oder vielleicht sogar Zweifel daran aufkommen lassen wird, ob der Freihandel, wie er über die Welthandelsorganisation betrieben wird, eine große Zukunft hat. Gewiss könnte China Zugeständnisse machen und wahrscheinlich auch die Europäische Union.

Es sei daran erinnert, dass die Importzölle für amerikanische Autos in Europa bei 10 Prozent liegen, während auf europäische Autos bei der Einfuhr in die USA nur 2,5 Prozent Zoll erhoben werden. Aber die Behauptung, das Handelsdefizit der USA gegenüber China in diesem Jahr um 100 Milliarden Dollar senken zu können, ist ebenso illusorisch wie absurd. Die Verzahnung der weltweiten Lieferketten macht dieses Thema sehr viel komplexer.

Doch so wie der amerikanische Präsident tickt, stehen die Demonstrationen der Stärke vorwiegend im Dienste der Innenpolitik. Dies nicht akzeptiert oder verstanden zu haben, ist wahrscheinlich der Grund, weshalb mehrere Fachleute für Außenbeziehungen jüngst aufgegeben haben und den Generalstab von Donald Trump verlassen mussten, um ihrer unerträglich gewordenen kognitiven Dissonanz ein Ende zu machen. Das kurzfristige Risiko liegt in erster Linie darin, dass die Konsumdynamik und die amerikanischen Exporte die Zeche für diese Schlacht zahlen müssen. Doch das eigentliche Problem liegt woanders. Es geht um die künftige Technologievorherrschaft.

Und in dieser Auseinandersetzung täte die Trump-Regierung gut daran, sich über wichtigere Dinge Gedanken zu machen. Hierzu zählen einerseits die geringen privaten und öffentlichen Investitionen in Forschung und Entwicklung, und andererseits der dauerhafte Schaden, den die Administration anrichtet, wenn sie neue Barrieren für Wissenschaftler und andere qualifizierte Menschen schafft, die in die USA einreisen wollen.

Facebook, Amazon, Google und Co

 Wie sein jüngster Twitter-Angriff auf Amazon deutlich macht, reitet Donald Trump auf der neuesten Empörungswelle: eine Welle, die durch das immer wiederkehrende Problem des Schutzes persönlicher Daten, und vor allem durch die jüngsten Entwicklungen bei Facebook, noch verstärkt wird. Das Unternehmen dürfte sich jedoch gewiss weniger Sorgen um die juristischen Risiken machen (die von den, in den meisten Fällen blind akzeptierten, Nutzungsbedingungen weitgehend gedeckt sind), als vielmehr um einen möglichen Imageschaden. Könnten die Nutzerzahlen –  unternehmerische wie private – aufgrund des jüngsten Skandals massiv zurückgehen? Das halten wir für wenig wahrscheinlich, da aus Meinungsumfragen unter den Nutzern sozialer Netzwerke hervorgeht, dass sie sich ohnehin schon wenig Illusionen über den Datenschutz in den von ihnen genutzten Systemen machen. Sie wissen, dass alle über die sozialen Netzwerke zugänglichen Dienste nur insofern "kostenlos" sind, als dass ihre Zahlung durch die an sich kostenlose Mitteilung ihrer personenbezogenen Daten an den Eigentümer des Netzwerks erfolgt.

Mehr Regulierung in diesem Bereich erscheint unausweichlich. Ein Beispiel hierfür ist die europäische Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), die im Mai in Kraft tritt. Datennutzung, Transparenz und Kontrollen brauchen zweifellos robustere Rahmenbedingungen. Eine Form von "Occupy Silicon Valley" erscheint insofern nicht unwahrscheinlich. An Konkurrenten, im Übrigen auch unter den traditionellen Medien, die diese Technologieunternehmen massiv unter Druck setzen, mangelt es nicht.

Und die lassen keine Gelegenheit aus, nach jedem Aufflammen der Empörung weiter Öl ins Feuer zu gießen. Es werden häufig, und gelegentlich zu Recht, ethische Argumente vorgebracht, die für die Weiterentwicklung des regulatorischen Umfelds plädieren. Doch werden diese Anpassungen den Nutzen dieser Technologien für die Anwender, oder den Wert der qualifizierten Informationen für die Werbetreibenden infrage stellen? Denn Letztere erhalten auf den digitalen Plattformen eine Kapitalrendite, die sie bei traditionellen Medien nicht bekommen.

Außerdem wird der gesamte Technologiesektor mit Facebook und Amazon in einen Topf geworfen, obwohl viele kleinere Firmen sehr unterschiedliche Geschäftsmodelle haben. Das bedeutet, dass jede Kurskorrektur der Technologiewerte denjenigen Anlegern, die die leistungsstarken, aber diversifizierten Geschäftsmodelle dieser Unternehmen gründlich analysieren, langfristige Kaufgelegenheiten offeriert.

Währenddessen schreitet der Zyklus voran

Keiner der jüngst veröffentlichten Frühindikatoren – seien es der PMI (der Purchasing Managers Index ist ein zusammengesetzter Index für das verarbeitende Gewerbe) in Europa und den USA, oder Zahlen zum Verbrauchervertrauen – widersprechen derzeit unseren Erwartungen, wonach Anleger bald vom geringer als erwarteten Wirtschaftswachstum enttäuscht werden könnten. In den USA treibt die Steuerreform Pläne für Aktienrückkäufe voran. Das Volumen könnte in diesem Jahr auf 600 Milliarden Dollar gegenüber 450 Milliarden Dollar im Jahr 2017 ansteigen. Dies wird unterstützt von Dividendenzahlungen deren Ausschüttungsverhältnis nunmehr bei 40 Prozent der Nettoergebnisse liegt – ein Niveau, das seit Ende der 1990er Jahre nicht mehr erreicht wurde.

Der amerikanische Aktienmarkt erfährt also weiterhin Unterstützung. Doch die Realwirtschaft verliert allmählich ihr Momentum, was durch den Handelskonflikt zu China noch verstärkt werden kann. Wir wären im Übrigen nicht überrascht, wenn die amerikanische Wirtschaft das Jahr mit einer Wachstumsrate von lediglich um die 2 Prozent beenden würde, was deutlich unter den Konsenserwartungen von 2,8 Prozent liegt. Diese Enttäuschung setzt bereits ein und trifft auf allgemein schwierigere Finanzierungsbedingungen, da sich die Lage am Kreditmarkt verschlechtert hat.

Zudem ist die weniger akkommodierende Geldpolitik bereits dabei, die Aktienmärkte zu destabilisieren und die Zinsstrukturkurve zu beeinträchtigen. Die anhaltende Dollarschwäche hat den Aktien- und Anleihenmärkten in den eigentlich gut dastehenden Schwellenländern gut getan. Auf der anderen Seite ergeben sich für die europäischen Märkte dadurch weniger Handlungsspielräume.

Wir halten daher an unserer Auffassung fest, dass die derzeitige Marktinstabilität eine Übergangszeit zwischen zwei stark kontrastierenden Marktparadigmen widerspiegelt.

Eine solche Phase erhöhter Fragilität erfordert zwei Dinge: erstens, ein aktives Risikomanagement. Zweitens braucht es eine Strategie, um von Überreaktionen der Investoren zu profitieren. Anleger müssen – zu vernünftigen Preisen – auf Aktien jener Unternehmen setzen, die sich im neuen Marktparadigma der kommenden Monate durchsetzen werden.

Autor:

Didier Saint-Georges, Member of Investment Committee, Managing Director, Carmignac Gestion

Didier Saint-Georges, Member of Investment Committee, Managing Director, Carmignac Gestion

[ Bildquelle Titelbild: Adobe Stock ]
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