Die wirtschaftspsychologischen Spuren der Eurokrise

Planungsunsicherheit wird zur Investitionsbremse


Die wirtschaftspsychologischen Spuren der Eurokrise: Planungsunsicherheit wird zur Investitionsbremse Studie

Die Eurokrise ist mit Sorgen um die Entwicklung der Absatzmärkte und der Planungssicherheit in der mittelständischen Realwirtschaft angekommen. 72 Prozent der befragten Unternehmen und sogar 75 Prozent der exportierenden Unternehmen geben an, dass die Eurokrise die mittel- und langfristige Planungssicherheit nicht nur verringert, sondern sich negativ auf die eigene Geschäftstätigkeit auswirkt. 63 Prozent fürchten, dass sich die Konjunktur abschwächt. Dies sind Kernergebnisse der zwölften Studie der "Unternehmer-Perspektiven", einer Mittelstandsinitiative der Commerzbank, mit dem Titel "Gute Schulden - schlechte Schulden: Unternehmertum in schwierigen Zeiten". TNS-Infratest befragte im Januar 2012 Geschäftsführer und Inhaber von 4.000 mittelständischen Unternehmen nach den Auswirkungen der Eurokrise und ihrer Haltung zu Schulden.

"Deutsche mittelständische Unternehmen sehen zwar mit Sorge, aber ohne jeden Alarmismus auf die Folgen der Eurokrise. Die Unternehmen wissen, dass sie in den letzten Jahren auch stark vom Euro profitiert haben", so Markus Beumer, Mitglied des Vorstands der Commerzbank AG und zuständig für das Mittelstandsgeschäft. "Dass die Eurokrise aber wirtschaftspsychologisch Spuren hinterlässt, sehen wir exemplarisch an folgendem Ergebnis: Auf die Frage, welche Konsequenzen man in der Finanzierung fürchte, äußert fast ein Drittel der mittelständischen Unternehmer Besorgnis um Zinsen und Tilgung von Krediten. Dabei waren die Zinsen noch nie so niedrig wie zurzeit", Beumer weiter.

Ursachen für Überschuldung sind strategische Risiken

Als Gründe für die finanzielle Notsituation von öffentlicher Hand und Wirtschaft nennen die befragten Unternehmen Managementfehler, zu hohes Risiko sowie mangelndes Finanz-Know-how. In einem besonderen Punkt üben die Unternehmen Kritik: 78 Prozent der Befragten halten den zu leichten Zugang zu Kredit für eine Hauptursache der Überschuldung von Kommunen, Ländern und Staaten. Für die mittelständische Wirtschaft sehen diese Gefahr dagegen nur 47 Prozent der Befragten.

Schulden erhöhen das Risiko für Unternehmen

Schulden und Fremdfinanzierung sehen die Unternehmer vorwiegend kritisch. Der Aussage "Schulden erhöhen das Risiko für das Unternehmen" stimmen 78 Prozent zu, während nur 65 Prozent die Auffassung teilen, dass Investitionen nur durch Schulden möglich sind. Als "Erfolgstreiber" werden Schulden lediglich von 24 Prozent der Unternehmen bezeichnet.

Der deutsche Mittelstand will möglichst wenig Geld von den Banken und zieht es vor, sich aus eigener Kraft finanzieren. "Die niedrigen Zinsen der Europäischen Zentralbank verpuffen, davon lassen sich die Unternehmer nicht leiten", fasst Vorstand Markus Beumer eine Studie der Commerzbank zusammen. "Seit zehn Jahren schrumpfen die Investitionen in Deutschland - anders als in anderen Ländern."

Die Hälfte der befragten Unternehmer mit einem Umsatz von mindestens 2,5 Millionen Euro ist in erster Linie bereit, langfristig zu investieren. Das ist 15 Prozent mehr als vor zwei Jahren. Beumer: "Wir sehen derzeit weniger eine Handlung der Unternehmer, sondern mehr die Beschäftigung mit zukünftigen Investitionen."

Wirtschaftswachstum bedingt anderes Investieren

Die Studie zeigt: Mittelständische Firmen wollen keine Abhängigkeit von Fremdkapital. "Angezündet wurde dieses Verhalten durch die Staatsschuldenkrise", erklärt Beumer. Durch die zeitweilige Geldklemme nahmen Unternehmer Kredite als etwas nachhaltig Negatives wahr, wie er erklärt. Dass die EZB versucht, durch niedrige Zinsen den Kapitalmärkten die Angst wieder zu nehmen, kommt bei ihnen offenbar nicht an. "Das Geldmengenwachstum verpufft, wenn Geld da ist, aber nicht genutzt wird", sagt Beumer.

Die Zaghaftigkeit der Mittelständler, die der Banker beklagt, wirkt sich auch auf das Wirtschaftswachstum in Deutschland aus. Ein Wachstum von 2 Prozent setze ein anderes Investieren voraus, sagt Michael Hüther. Der Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft in Köln ist Schirmherr der Studie. "Mir fehlt die Story, die das Investieren nach vorne wirklich öffnet. Wenn sich das (bisherige Verhalten) manifestieren würde, werden wir eher ein Wachstum von maximal ein Prozent sehen."

Auf die Frage, was die EZB anders machen sollte, sagt Beumer: "Nichts". Vielmehr sieht er die Banken in der Bringschuld. "Wir können Mut machen", sagt der für den Mittelstand zuständige Vorstand. Gerade weil die Kunden ein gutes Geldpolster haben, könnten sich Kredite für zukünftiges Wachstum rechnen. Für die Banken, die mit Krediten verdienen, natürlich auch.

Ob der Zinssatz der EZB tatsächlich noch einmal gesenkt wird, ist nach Ansicht Beumers irrelevant für die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland. Die Unternehmer rechneten bereits jetzt mit langfristig niedrigen Zinsen. Zudem sei die weitere Entwicklung der Geldpolitik ohnehin nicht auf Deutschland ausgerichtet, sondern auf die Peripheriestaaten, sagt Beumer.

Basel III hilft Banken und Mittelstand nur bedingt

Basel III macht die Banken nach Auffassung der Unternehmer nicht stabiler, sondern Kredite für den Mittelstand teurer. Aus Sicht des Mittelstands stehen Banken deutlich stabiler da als in der Finanzkrise von 2008/2009. Über steigende Finanzierungskosten, erschwerten Zugang zu Krediten, die Folgen der Einführung von Basel III oder gar Instabilitäten der Bankenpartner macht man sich hierzulande weniger Sorgen als über die Entwicklungen auf den Märkten und in der Politik. "Der differenzierte Blick des Mittelstands zeigt, dass man offensichtlich nicht so sehr Fehler in der Finanzwirtschaft, sondern vielmehr die hohe Staatsverschuldung in Europa als Ursache der derzeitigen Krise ausmacht", so Markus Beumer.

 

[Bildquelle: © bptu - Fotolia.com]

 

 

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