Noch ist es zu früh, bei den Rohstoffpreisen eine Wiederholung der Ereignisse von 2008 zu befürchten. Die Preise für Silber, Industriemetalle und Öl sind in den letzten Tagen zwar deutlich zurückgekommen. Die Grafik zeigt aber am Beispiel des Öls, dass es sich bisher um nicht mehr als eine der üblichen Marktschwankungen handelt. Nicht zu früh ist es jedoch, darüber nachzudenken, ob ein neuer Absturz der Rohstoffpreise denkbar ist und welche Auswirkungen das auf die Entwicklung der Weltwirtschaft und der Finanzmärkte haben könnte.
Ölpreise: Wiederholt sich 2008? [Quelle: Bloomberg vom 11. Mai 2011]
Ja, ein neuer Absturz ist denkbar. Ich halte ihn auch nicht für unwahrscheinlich. Die Rohstoffmärkte befinden sich schon seit geraumer Zeit im Ungleichgewicht. Der Anstieg der Preise seit Anfang 2009 war erheblich größer als die Zunahme der Nachfrage aufgrund des konjunkturellen Aufschwungs. Rohstoffe werden zunehmend auch zu Anlagezwecken gekauft. Die Läger sind voll. Bei der Investmentnachfrage spielt die hohe Liquidität auf den Märkten eine wichtige Rolle. Jeder Hedge-Fonds kann heute unbegrenzt Geld zu praktisch Nullzinsen bekommen.
Nicht überall sind die Verzerrungen so groß wie bei Silber, wo es zuletzt einen Crash gab. Auch die Liquidität treibt nicht überall die Preise. Bei Gold hing der Preisanstieg mit Inflationsbefürchtungen zusammen. Bei Nahrungsmitteln spielen klimatische Verwerfungen eine wichtige Rolle. Insgesamt aber sind die Märkte anfälliger geworden. Eine stärkere Korrektur der Preise liegt in der Luft. Nur kann niemand sagen, wann sie kommt und wie stark sie ausfallen wird. 2008 ermäßigten sich die Ölpreise in sechs Monaten um 70 Prozent. Nach einem so drastischen Sturz sieht es diesmal nicht aus. Zum einen sind die Verwerfungen nicht so groß wie damals. Zum anderen sind die Umfeldbedingungen nicht so schlecht. Es steht keine neue Rezession ins Haus, die Zinsen sind niedriger als damals und es gibt auch keine akute Bankenkrise.
Was würde passieren, wenn die Rohstoffpreise sagen wir um 30 Prozent bis 40 Prozent zurückgingen? Jeder denkt zunächst an weniger Inflation. Freilich wird das nicht sofort passieren. Denn der Anstieg der Geldentwertung ist derzeit auch sehr stark basisbedingt, beruht also darauf, dass sich die Preise vor einem Jahr nicht erhöhten. Es ist bemerkenswert, dass die Benzinpreise in Deutschland auf den niedrigeren Ölpreis (zusammen mit der Aufwertung des Dollar) bisher praktisch nicht reagiert haben.
In der Weltkonjunktur kämen die Entwicklungs- und Schwellenländer mit hohen Rohstoffexporten (wie Brasilien oder Russland zum Beispiel) in Schwierigkeiten. Sie müssten ihre Wachstumsperspektiven nach unten revidieren. In Schwellenländern wie China und Indien sowie in den rohstoffverbrauchenden Industrieländern ergäbe sich ein zweifacher Effekt: Auf der einen Seite würden sich die Exporte abschwächen, weil wichtige Abnehmer weniger Geld hätten. Auf der anderen Seite hätten die Verbraucher mehr Kaufkraft. Der Konsum könnte steigen. Rein theoretisch könnte sich das in etwa ausgleichen. In der Praxis ist jedoch eher mit Friktionsverlusten zu rechnen: Die negativen Faktoren wirken – auch psychologisch – früher als die positiven. Die Konjunktur wird sich insgesamt abschwächen (zumal dies ohnehin schon in den Frühindikatoren angelegt ist).
Wenn eine Blase platzt, wird die große Mehrheit der Anleger das verkraften können. Einige, besonders stark engagierte, Investoren könnten aber in Schwierigkeiten kommen. Dies umso mehr, als es hier ja Selbstverstärkungskräfte gibt. Wenn die Preise sinken, werden meist auch die Margin-Calls erhöht. Die Investoren sind dann nicht nur durch die Preisbewegung betroffen. Sie müssen auch mehr Sicherheiten an die Banken leisten. Man muss nicht gleich einen neuen Lehmann-Fall an die Wand malen, aber so etwas wie bei Long Term Capital Management im Jahre 1998 kann durchaus passieren. Das würde die Finanzmärkte erheblich verunsichern.
Devisen: Hier würde vor allem der US-Dollar profitieren. Er wird derzeit insbesondere durch die weltweite Risikoneigung getrieben. Wenn die Risikobereitschaft aufgrund von Problemen auf den Rohstoffmärkten abnimmt, dann kommt das dem Dollar zugute. Es wird wieder ein sicherer Hafen gesucht. Im Jahre 2008 hat sich der Dollar gegenüber dem Euro von seinem Höhepunkt bei 1,60 binnen sechs Monaten auf unter 1,30 befestigt. Der Zusammenhang zwischen Rohstoffpreisen und Dollar ist durchaus zweiseitig: Niedrigere Rohstoffpreise stärken den Dollar. Umgekehrt wirkt sich ein starker Dollar erfahrungsgemäß negativ auf die Rohstoffpreise aus.
Aktien: Ein Platzen der Rohstoffblase würde natürlich vor allem Rohstoffaktien treffen. Ein rückläufiger Welthandel würde die Exporttitel belasten. Hinzu kommt die psychologische Verunsicherung. Nach mehr als zwei Jahren Aktienaufschwung (mit einer Verdoppelung des Kursniveaus zum Beispiel beim DAX) reicht ein kleines Zündholz, um größere Wirkung hervorzurufen. Hinzu kommt, dass derzeit die Dividendensaison zu Ende geht und viele auf das "Sell in May"-Signal warten.
Bonds: Sie profitieren trotz insgesamt niedriger Renditen, wenn Gelder aus Rohstoffinvestments abgezogen werden. Das gilt vor allem für die Benchmark der Bundesanleihen. In den hochverschuldeten Peripheriestaaten könnte sich die politische Situation etwas entspannen, wenn sich beispielsweise die Benzinpreise ermäßigen.
Autor: Dr. Martin W. Hüfner, Chief Economist, Assenagon Asset Management S.A.
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Kommentare zu diesem Beitrag
SCHULDEN sind DER ROHSTOFF schlechthin....
Noch nie gab eine vergleichbare Überbewertung von Schulden...
Also die Blase überhaupt.....
Was kümmert mich ob Gold bei 1500$ oder 50000$ notiert, wenn Amiland, EU usw. mit ihrer ganzen Wertschöpfung in der Kreide stehen.....
Rohstoffblase,