Jetzt soll es also die Pleite Griechenlands richten. Nachdem alle Versuche zur Beruhigung der Eurokrise bisher nicht gefruchtet haben, bereitet die Politik die Märkte nun auf einen Schuldenschnitt vor. Die Banken sollen Kapital aufnehmen (oder es vom Staat aufoktroyiert bekommen), nicht um bessere Bilanzstrukturen zu haben, sondern um einen Ausfall der Griechenland-Forderungen leichter zu verkraften. Die Europäische Zentralbank hat in der vorigen Woche schon großzügige Refinanzierungshilfen angekündigt. Experten sagen landauf landab, dass Griechenland mit einer Verschuldung von bald 160 % des Bruttoinlandsprodukts nicht zu normalen Verhältnissen zurückkehren könne (obwohl Japan mit 200 % immer noch ganz gut lebt). Wird ein Staatsbankrott den Durchbruch bei der Eurokrise bringen? Können die Märkte aufatmen?
Auf den ersten Blick sieht es so aus. Medizinisch gesprochen wird die Wunde aus dem Körper herausoperiert. Der Rest des Körpers kann sich wieder erholen. Die Griechen brauchen keine (oder nur noch geringere) Zins- und Tilgungszahlungen zu leisten.
Auf den zweiten Blick kommen jedoch Bedenken. Erstens weist Griechenland auch in seinem Primärhaushalt (Gesamthaushalt ohne Schuldendienst) einen Fehlbetrag aus. Das Land ist also auch nach einem Schuldenschnitt auf Fremdmittel angewiesen. Es fragt sich jedoch wer bereit ist, diese zur Verfügung zu stellen. Werden die Steuerzahler, die gerade Geld verloren haben, noch einmal in die Tasche greifen? Werden private Geldgeber wieder in Griechenland investieren? Nach den bisherigen Erfahrungen dauert es Jahre, bis ein Land nach einer Pleite wieder Vertrauen gewinnt.
Zweitens drohen Ansteckungsgefahren auf andere Länder. Portugal, wo sich die finanzielle Situation zuletzt verschlechtert hat, deutete schon Konsequenzen an. Auch aus Irland, dem es inzwischen besser geht, hört man ähnliche Stimmen. Wie will man diesen Bevölkerungen plausibel machen, dass sie weiter den Gürtel enger schnallen müssen, wenn anderen die Schulden erlassen werden? Auch in Italien, Belgien, vielleicht sogar auch in Spanien und Frankreich könnte es entsprechende Diskussionen geben.
Drittens besteht das Problem der Kreditausfallversicherungen (CDS). Bei dem im Juli beschlossenen Schuldenschnitt (Private Sector Involvement) setzte man auf Freiwilligkeit. Damit konnte es kein "Credit Event" geben, bei dem die Kreditausfallversicherungen fällig werden. Wenn es aber eine richtige Pleite geben sollte, wird das nicht mehr so sein. Alle Griechenland-Gläubiger, die ihre Positionen durch CDS abgesichert haben, werden Ansprüche gegen die Versicherer geltend machen. Aber wer weiß, wie viele solcher Versicherungen es gibt und wer dann zahlen muss?
Kreditausfallversicherungen werden nicht an den Börsen gehandelt. Nach Schätzungen dürfte es sich um einen erheblichen Betrag handeln (etwas weniger als USD 100 Mrd.). Schon bei der Lehman-Pleite im Jahre 2008 führten die Kreditausfallversicherungen dazu, dass die Ereignisse größere Weiterungen als erwartet hatten.
Abbildung: Parallelen zur Lehman-Pleite
Viertens muss man neben den Banken, die durch mehr Kapital abgesichert werden sollen, auch an die anderen Gläubiger denken. Die Versicherungen scheinen ihr Engagement schon weitgehend abgeschrieben zu haben. Aber wie steht es mit Pensionskassen und sonstigen Gläubigern? Natürlich kann man auf die allgemeinen Risiken des Kapitalmarkts verweisen. Manch ein Rentner wird aber möglicherweise Ersparnisse verlieren.
Fünftens sollte man nicht erwarten, dass der Euro damit wieder gesund und die Krise zu Ende ist. Der grundlegende Fehler des Euro ist, dass mit ihm die Währung und die Geldpolitik europäisch geworden, die Finanz- und Wirtschaftspolitik jedoch national geblieben sind. Das passt nicht. Die Asymmetrie wird auch nicht durch eine Pleite Griechenlands gelöst. Dazu braucht man mehr Integration.
Sechstens gibt es Sorgen, dass eine Pleite zu einem Austritt Griechenlands aus der Währungsunion führt. Zum Teil heißt es, dass Athen nur durch eine Abwertung wieder wettbewerbsfähig werden könne. Der frühere Chefvolkswirt der EZB, Otmar Issing, will mit einem Austritt Griechenlands Ansteckungsgefahren auf andere Länder verhindern. Diese Argumente kaufe ich nicht. Ich glaube, dass eine Staatspleite nicht zwangsläufig einen Austritt aus der Währungsunion nach sich zieht. In den USA hat niemand bei den finanziellen Schwierigkeiten Kaliforniens oder New Yorks daran gedacht, diesen Staaten den Austritt aus dem Dollar zu empfehlen. Es gibt hier keine Automatik.
Siebtens kommt die Maßnahme zu spät. Vernünftig wäre eine Pleite Anfang vorigen Jahres gewesen. Jetzt ist die Krise weit über Griechenland hinausgegangen. Die Märkte gehen nicht davon aus, dass die Probleme mit einer Pleite Athens gelöst sind. Sie würden in einem solchen Fall vielmehr nach dem nächsten Kandidaten für einen Schuldenschnitt suchen. Und sie würden ihn angesichts der hohen Schulden auch finden. Die Unruhe ginge weiter. Für mich ist eine Pleite Griechenlands daher kein wirklicher Befreiungsschlag.
Autor: Dr. Martin W. Hüfner, Chief Economist, Assenagon Asset Management S.A.
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Die Ratingagentur Fitch ist wegen der gesunkenen Kreditwürdigkeit Italiens pessimistischer auch für die Bonität einiger Banken des Landes. Die Agentur stufte in der Nacht auf Mittwoch die langfristigen Emittenenausfallratings (IDR) der Intesa Sanpaolo, der Unione di Banche Italiane und der Banca Monte dei Paschi di Siena zurück und setzte den Ausblick auf negativ.
Bei der Banco Popolare bestätigte Fitch zwar das IDR-Rating mit "BBB+", nahm aber auch hier den Ausblick auf negativ von vorher stabil. Die lang- und kurzfristigen Emittenenausfallratings der Unicredit ("A/F1") prüft Fitch zunächst nur auf eine Abstufung. Hier will die Ratingagentur erst den neuen Industrieplan der Bank abwarten, in dem Unicredit sowohl die zukünftige strategische Richtung als auch den erwarteten Kapital- und Liquiditätsbedarf darlegen will.
Fitch begründete die Ratingmaßnahmen bei den italienischen Banken mit der Herabstufung der Kreditwürdikeit Italiens. Ende letzter Woche hat Fitch das Rating für Italien um eine Stufe auf "A+" von "AA-" gesenkt. Den Ausblick bezeichneten die Kreditwächter als "negativ", was eine weitere Abstufung in den nächsten Monaten als möglich erscheinen lässt. Fitch begründete dies damit, dass die Verschärfung der Schuldenkrise in der Eurozone einen erheblichen finanziellen und ökonomischen Schock darstelle. Wegen seiner hohen Verschuldung sei Italien besonders verwundbar durch externe Schocks. Die Verschuldung von Italien liege bei rund 1,9 Bill EUR und das niedrige Wirtschaftswachstum verursache zusätzliche Sorgen.
Das IDR-Rating der Intesa Sanpaolo lautet nun "A" (vorher "AA-"), von Unione di Banche Italiane - UBI Banca "A-" (zuvor "A") und von Banca Monte dei Paschi di Siena "BBB+" statt vorher "A-".