"Auch angesichts der deutlich verschlechterten Schuldensituation verfügt das Rating für die USA über einen stabilen Ausblick und weist sämtliche Eigenschaften einer Aaa-gerateten Staatsregierung auf." Zu dieser Einschätzung gelangt die US-Ratingagentur Moody's Investors Service in ihrem Jahresbericht zur Bonität der Vereinigten Staaten von Amerika. Auch von der US-Agentur Standard & Poor’s gibt es keine Andeutung, das für die USA vorgesehene Rating in Frage zu stellen.
Das Rating der USA wurde von den US-Agenturen noch nie "angetastet": Früher, bis in die 1990er Jahre, gab es sogar von der Ratingsystematik her keinen Ansatzpunkt dazu. Die Dienste unterschieden zwischen "Inland" (= USA) und "Ausland" bzw. "International" (= Rest der Welt). Insbesondere einer Betrachtung darüber, wie die USA aus Sicht beispielsweise von Anlegern aus Europa, dem Nahen Osten oder Asien als Risiko zu beurteilen sind, wurde unter diesen Voraussetzungen kein Raum gegeben.
Das Länderrating ist u. a. deshalb von eminenter Bedeutung, da es in der Regel als eine Obergrenze oder zumindest als ein Orientierungspunkt für die bestmöglichen Ratings der Emittenten innerhalb des betreffenden Staates angesehen wird. Würde das Rating der USA gesenkt, sähen sich viele US-Konzerne, insbesondere die letzten verbliebenen AAA-Adressen, möglicherweise höheren Zinsforderungen von Gläubigern in Form von Risikoaufschlägen ausgesetzt. Diese wiederum würden die Ertragskraft und die Marktbewertung dieser Unternehmen belasten.
Welche Wege die US-Regierung wählen würde, um ein Downgrading zu verhindern, wenn Analysten der US-Agenturen ernsthaft eine Herabstufung erwägen würden, lässt sich unter der Führung des neuen Präsidenten schwer abschätzen. Faktum ist jedenfalls, dass die Bush-Administration schon seit 2002 ihren Einfluss geltend machte, Länderratings für politische Ziele zu instrumentalisieren.
Indem schlechte Ratings für andere Länder erteilt werden, zugleich aber die USA Spitzenratings erhalten, sichern sich die USA ihre dominante Stellung an den Finanzmärkten und eine höhere Finanzkraft, um strategische Ziele zu erreichen. Absicht der Anstrengungen der Bush-Administration war es, solchen Ländern durch Entzug ihres guten Ratings den Zugang zum Kapitalmarkt zu erschweren oder gänzlich unmöglich zu machen, die beispielsweise nicht die gewünschte Unterstützung für den Irak-Krieg bieten wollten.
"Das gegenwärtige internationale Kreditratingsystem genügt nicht den Anforderungen eines globalen Finanzsystems", kritisiert Jianzhong Guan, Präsident der Dagong Global Credit Rating Co., Ltd., einer mit mehr als 500 Mitarbeitern und 6.000 Unternehmensratings seit 1994 führenden Ratingagentur in China. Den Kreditratingstandard eines Landes zu nutzen, um damit andere souveräne Staaten zu deklassieren, sei nicht nur theoretisch unfair, sondern würde den Markt auch ganz praktisch gesehen nicht mit akkuraten Ratinginformationen versorgen, warnt Guan.
Zum Autor:
Als Geschäftsinhaber der 1998 gegründeten Everling Advisory Services berät, publiziert und veranstaltet Dr. Oliver Everling zu Ratingfragen. Seine Unternehmensmission ist es, den Nutzen von Ratings zu erschließen. Als Geschäftsführer der RATING EVIDENCE GmbH in Frankfurt am Main, Mitglied verschiedener Rating-Kommissionen wie etwa in der DVFA Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management e. V. oder auch als Gastprofessor an der Fakultät für Rating an der Capital University of Economics and Business in Peking ist er aus verschiedenen Perspektiven mit Ratings befasst.
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