Bekannt geworden ist Rober J. Shiller vor allem als Begründer des Forschungsgebiets "Behavioural Finance", das sich unter anderem mit dem irrationalen menschlichen Verhalten in wirtschaftlichen Situationen auseinandersetzt. Sie versucht vor allem die Annahme des Homo oeconomicus, also rational denkender Menschen, aufzulösen. Das beobachtete Verhalten widerspricht in der Regel den Vorhersagen klassischer ökonomischer Modelle, weshalb "Behavioural Finance" eine Erklärung für dieses irrationale Verhalten sucht. Sie überträgt Einsichten der Psychologie und anderer Gesellschaftswissenschaften auf die Welt des Geldes und behebt damit eine grundlegende Schwäche dieser von der Mathematik dominierten Disziplin: der Vernachlässigung des Menschen.
Bereits im März 2000, also ziemlich genau auf dem Höhepunkt des Technologiefiebers an den Finanzmärkten, warnte Shiller die Welt vor den Gefahren einer spekulativen Blase. Von vielen Kapitalmarktteilnehmern wurde er zum Verräter der weltweiten Finanzmärkte stilisiert, später dann zum Orakel.
Menschen sind keine Computer
Seine Schlussfolgerung hinsichtlich der Volatilitäten der Märkte lautet: Wenn ein Aktienkurs der geschätzte Wert einer "Größe" (etwa der diskontierten Cashflows eines Unternehmens) ist, unterliegen die Börsenkurse gegenüber den physisch greifbaren Ausprägungen dieser "Größe" (beispielsweise Dividenden) großen Schwankungen. Kurzum: Die Aktienkurse zeigen höhere Ausschläge als die Fundamentaldaten, die sie ja angeblich präsentieren sollen. Von Zeit zu Zeit erleben sie sogar klare Überreaktionen in Form von übermäßigen Kurssteigerungen bzw. übermäßigen Kursstürzen. Das Volatilitätsgefälle zwischen Kursen und Informationen hat laut Shiller zur Folge, dass das Konzept der "rationalen Erwartungen" in irgendeiner Art und Weise nicht zutrifft. Mit anderen Worten: Die Kurse spiegeln den langfristigen Wert eines Wertpapiers nicht rational wider, weil sie in jeder Richtung Übertreibungen unterliegen. "Menschen sind keine Computer und trotz gegenteiliger Behauptungen vieler Wirtschaftstheoretiker weder endlosen Berechnungen noch zur präzisen Erkenntnis eigener Interessen fähig.", so Robert J. Shiller in seinem Buch "Die neue Finanzordnung".
Shiller zeigt auf, das die Märkte nicht so effizient sind, wie die klassische Finanztheorie es uns glauben machen will. Hierfür wurde er von vielen wissenschaftlichen Kollegen kritisiert, so unter anderem von Robert C. Merton, der im Jahr 1990 gemeinsam mit Myron S. Scholes den Preis der schwedischen Reichsbank für Wirtschaftswissenschaften in Gedenken an Alfred Nobel für seine Forschungen auf dem Gebiet der Bestimmung von Optionswerten an der Börse erhielt. Merton verteidigte die offizielle Position der Finanztheorie, dass Märkte effizient sein mussten und "unmöglich Chancen auf einem Silbertablett servieren könnten." Einige Jahre später präsentierte sich aber der gleiche Robert C. Merton als Gründer des Hedgefunds Long-Term Capital Management (LTCM), der genau darauf abzielte, Renditen aus Marktineffizienzen zu ziehen.
Potenzieller Nutzen von Risikomanagement-Instrumenten muss transparent sein
Eine Lektion der verhaltsorientierten Finanztheorie ist für Shiller besonders wichtig: Die psychische Disposition und die Darstellung des Problems sind für das Risikomanagement entscheidend. So kann in psychologischen Experimenten nachgewiesen werden, dass Menschen quantitative Einschätzungen von einer Größe – dem Anker – anhängig machen, die ihnen gerade vor Augen schwebt, selbst wenn diese für die konkrete Fragestellung völlig irrelevant ist. Außerdem konnten Psychologen zeigen, dass Menschen entscheidende Risiken ignorieren, sich jedoch irrational große Sorgen um Kleinigkeiten machen. "Das stellt die Gestaltung von Risikomanagement-Instrumenten vor eine große Herausforderung, denn diese müssen so präsentiert werden, dass die Menschen den potenziellen Nutzen auch wahrnehmen", so Shiller. Die Neigung, mehr oder weniger irrelevante Risiken ungebührlich viel Aufmerksamkeit zu widmen, ist der Schlüssel zur Theorie von
In seiner wissenschaftlichen Karriere beschäftige sich Shiller vor allem immer mit der Anwendung moderner Risikovorsorge auf unser tägliches Leben. So ist Shiller davon überzeugt, dass eine neue Kultur des Risikomanagements es uns ermöglicht, die vorhandenen ökonomischen Institutionen so zu vernetzen, dass sie Wohlstandsmotor und Sicherheitsnetz in einem werden. Insbesondere die moderne Informationstechnologie wird zu einer Professionalisierung der Risikomanagement-Systeme ganz wesentlich beitragen. So wie die Risikomanagement-Systeme vom Geld als Tauschmittel abhängen, so hängen auch Märkte von einem Transaktionsmedium ab. Je tiefer die Transaktionskosten – insbesondere in der Folge der modernen Informationstechnologie – sinken, desto größer wird das Volumen der handelbaren Risiken. "Die moderne Informationstechnologie versorgt uns mit zahlreichen Informationen zu Risiken und den sich daraus ergebenden wirtschaftlichen Ungerechtigkeiten. Dank dieser Informationsfülle stehen die Wirtschaftswissenschaften heute da, wo die Astronomie ungefähr zum Zeitpunkt der Erfindung des Teleskops oder die Biologie unmittelbar nach der Erfindung des Mikroskops stand. Wir verstehen viel besser, warum manche Menschen erfolgreich sind und andere kläglich scheitern." Die technischen Fortschritte im Bereich der Informationstechnologie stellen das Rohmaterial für Innovationen bereit, die das Finanzwesen revolutionieren wird.
Quellenverweise und weiterführende Literaturhinweise:
- Daniel Kahneman, Paul Slovic, Amos Tversky: Judgment Under Uncertainty. Heuristics and Biases, Cambridge 1982.
- Robert J. Shiller: The New Financial Order, Princeton 2003.
- Robert J. Shiller: Irrational Exuberance, Princeton 2000.
- Nassim Nicholas Taleb: Narren des Zufalls – die verborgene Rolle des Glücks an den Finanzmärkten und im Rest des Lebens, Weinheim 2005.
[Bildquelle: Yale University]