Maxi- oder Minizyklus?

Potenzielle Event-Risiken analysiert


Potenzielle Event-Risiken analysiert News

Die Entwicklung der Kapitalmärkte kommt in eine kritische Phase. Die Aktienkurse sind jetzt zwei Jahre hintereinander ordentlich nach oben gegangen. In der Geschichte sind Aufschwünge, die länger anhielten, nicht eben häufig. Gemessen am DAX hat es in den 60 Jahren Nachkriegszeit nur sechs Zyklen gegeben, die länger als zwei Jahre dauerten. Alle anderen waren nach einem oder zwei Jahren zu Ende. Die Kurse an den Bond-Märkten sind schon jetzt auf einem Höchststand. Für den Anleger stellt sich damit die Frage: Sind die schönen Zeiten steigender Preise an den Aktien- und Rentenmärkten vorbei? Oder stehen wir vor einem Maxizyklus, der dann auch fünf oder sieben Jahre dauern kann? So etwas ist in der Nachkriegszeit bisher dreimal vorgekommen.

Fundamental sieht die Lage gar nicht so schlecht aus. Das Wirtschaftswachstum setzt sich fort, wenn auch mit verlangsamtem Tempo. Das Weltsozialprodukt wird sich nach Schätzungen des Internationalen Währungsfonds im kommenden Jahr um 4 Prozent erhöhen. Das ist deutlich mehr als im Durchschnitt der letzten 30 Jahre (3,3 Prozent p. a.) Damit steigen auch die Gewinne der Unternehmen weiter. Ein "Double Dip", also eine Rezession mit zwei Tälern, wie sie zum Teil in den USA befürchtet wird, erscheint aus heutiger Sicht wenig wahrscheinlich.

Allerdings gibt es erhebliche regionale Unterschiede, die für den Anleger wichtig sind. Die Schwellenländer wachsen um 6,5 Prozent, die Industrieländer dagegen nur um etwas mehr als 2 Prozent. Dieser Unterschied ist an sich nicht neu. Neu ist aber, dass die Schwellen- und Entwicklungsländer inzwischen nicht mehr eine quantité negligeable der Weltwirtschaft darstellen. Sie sind dabei, die Industrieländer gemessen am Anteil am Weltsozialprodukt zu überholen. Damit kann man Anlagen in der "Dritten Welt" nicht mehr nur noch als Beimischung für ein globales Portfolio bemessen.

Innerhalb der Industrieländer schieben sich Deutschland und die Schweiz nach vorne. Die Vereinigten Staaten, die bisher in jedem Aufschwung mit Dynamik, Flexibilität und hohen Wachstumsraten überrascht haben, fallen dagegen zurück. Das hat natürlich Auswirkungen auf die jeweiligen Aktienmärkte.
Die Inflation bleibt gedämpft. Aber auch hier vollziehen sich wichtige Änderungen unter der Oberfläche. Die Rohstoffpreise steigen wieder.

Agrarrohstoffe haben sich in den letzten zwölf Monaten um über 40 Prozent verteuert, Industriemetalle um über 30 Prozent. Der Ölpreis stieg dagegen nur um 7 Prozent. In einigen Regionen Süddeutschlands und der Schweiz ziehen die Immobilienpreise an. Die Löhne erhöhen sich stärker. Wo die Kapazitätsauslastung steigt (nicht zuletzt in den Schwellenländern) gibt es für die Unternehmen wieder mehr Überwälzungsspielräume. In einigen Staaten wird es 2011 daher etwas mehr Inflation geben (unter anderem in Deutschland). Für den Aktienmarkt ist die erste Phase einer höheren Preissteigerung erfahrungsgemäß aber nicht schlecht.

Die kurzfristigen Zinsen steigen. In den Schwellenländern und auch in einer Reihe von Industriestaaten sind die Sätze in den letzten Monaten bereits angehoben worden. Im kommenden Jahr werden zuerst die Europäische Zentralbank und die Schweizer Notenbank die geldpolitischen Zügel stärker anziehen. Die USA und Japan werden im Verlauf des Jahres folgen. Sie haben die monetären Schleusen zuletzt zwar noch einmal geöffnet. Aber auch dort macht sich Unbehagen über die hohe Liquidität breit. Es würde mich wundern, wenn die Leitzinsen in den USA in einem Jahr noch auf dem gegenwärtigen Niveau liegen. Höhere Zinsen sind per se negativ für die Aktien- und die Bond-Märkte. Wenn die Anleger aber realisieren, dass das die Voraussetzung für eine mittelfristig gesündere Entwicklung ist, werden sie darauf auch freundlicher reagieren.

Unterschiedliche Geldpolitik in den einzelnen Regionen der Welt hat natürlich Konsequenzen für die Währungen. Die Wechselkurse der Staaten, die die Zinsen am meisten anheben, werden am stärksten steigen. Das ist in den letzten Monaten zunehmend als Währungskrieg und Protektionismus politisiert worden. Bisher ist es aber noch nicht wirklich schlimm. Wenn die Lage jedoch eskaliert, kann es für die weitere Entwicklung des Aufschwungs gefährlich werden. Es kann die Wachstumsraten (und damit die Unternehmensgewinne) erheblich beeinträchtigen.

Insgesamt gesehen gehen von den üblichen Fundamentalfaktoren, so wie es derzeit aussieht, keine Gefahren für die Kapitalmärkte aus. Das ist aber nur die eine Seite der Medaille. Aufgrund der Entwicklung der vergangenen Jahre gibt es eine Reihe von Strukturproblemen, die den Menschen Sorgen machen und die zu einer Störung der Entwicklung führen können. Siehe die hohen Staatsschulden, die zu einer Zahlungsunfähigkeit in einzelnen Ländern führen können. Wenn einer damit anfängt, kann das für andere ansteckend werden. Siehe die hohen Leistungsbilanzsalden in der Welt.

Dazu kommt die nach wie vor prekäre Situation in einer Reihe von Finanzinstituten. Sie müssen zu allen bestehenden Problemen nun auch noch mehr Eigenkapital und Liquidität vorhalten (das sollte man nicht kritisieren; es ist unabwendbar). Hinzu kommen die Strukturprobleme in China (von den Immobilienpreisen bis zu den "Non Performing Loans" und den gravierenden regionalen Ungleichgewichten). Die Emerging Markets insgesamt leiden unter spekulativen Kapitalzuflüssen, die die Währung zur Aufwertung treiben und nur durch Devisenmarktinterventionen oder Kapitalverkehrskontrollen aufgehalten werden können. All dies sind "Event-Risiken", deren Eintreten kaum mit Wahrscheinlichkeiten belegt werden kann, die im Zweifel aber erhebliche Auswirkungen haben können.


Autor: Dr. Martin W. Hüfner, Chief Economist, Assenagon Asset Management S.A.



[Bildquelle: iStockPhoto]

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