Forderung antizyklischer Vorschriften

Prozyklizität als Ursache der Finanzkrise


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Die Deutsche Postbank AG hat drei Studententeams aus Darmstadt, Karlsruhe und Friedrichshafen mit dem Postbank Finance Award 2009 ausgezeichnet. Mit dem Preis will die Bank Studenten aller Fachrichtungen ermutigen, sich mit aktuellen Fragen der Finanzwirtschaft zu beschäftigen. Das Preisgeld fließt zu 80 Prozent in die Ausstattung der prämierten Hochschulen. Der mit 70.000 Euro höchstdotierte deutsche Hochschulpreis wurde bereits zum sechsten Mal vergeben.

Insgesamt 38 studentische Teams von 26 Universitäten und Fachhochschulen aus Deutschland und Österreich haben sich in den vergangenen acht Monaten der von der Postbank vorgegebenen Aufgabe gestellt, "Lehren aus der Finanzkrise" zu formulieren. "Die Teams haben zum Teil echte Pionierarbeit geleistet", sagte Stefan Jütte, Vorstand Kredit der Deutschen Postbank AG und Schirmherr des Wettbewerbs bei der Preisverleihung. "In einem wissenschaftlich noch wenig erforschten und zugleich politisch umstrittenen Feld haben sie methodisch gerechtfertigte Erkenntnisse gewonnen, wie künftige Krisen eingedämmt oder zumindest besser bewältigt werden können. Die Studentinnen und Studenten haben bewiesen, dass sie etwas bewegen wollen und dass auch wir von ihnen und von ihrer Kreativität etwas lernen können."

Den ersten Preis haben die Juroren in diesem Jahr zweimal vergeben, weil es zwei völlig ebenbürtige Beiträge gab. Platz zwei wurde dementsprechend nicht vergeben. Einen der ersten Preise mit einem Preisgeld in Höhe von 30.000 Euro gewannen Christian Eufinger, Nicolas Justus, Pascal Morschett, Julian Thiel und Lucas Weiss von der Technischen Universität Darmstadt. Gemeinsam mit ihrem Dozenten Jun.-Prof. Dr. Heribert M. Anzinger haben sie einen integrierten Ansatz zur Vermeidung von Risikoverlagerung erarbeitet. Das Team sieht eine wesentliche Ursache von Wirtschaftskrisen in der konjunkturellen Beschleunigungswirkung (Prozyklizität), die von den Finanzmärkten ausgeht.

Als Gegenmittel schlagen die Studenten ein Bündel antizyklisch wirkender Vorschriften für die Finanzbranche vor, die die destabilisierende Anhäufung von Risiken eindämmt: Die Vergütung von Managern soll mit einem Bonus-Malus-System ausgestattet werden, das Führungskräfte gleichermaßen an Gewinnen wie Verlusten partizipieren lässt. Dadurch wird langfristig orientiertes Handeln gestärkt und der Risiko-Appetit des Managements gezügelt. Die Eigenkapitalanforderungen an Finanzinstitute sollen so flexibilisiert werden, dass in Aufschwungphasen die Blasenbildung gehemmt und in Abschwungphasen der Zwang zu Notverkäufen verringert wird.

Der ebenfalls erste Preis, dotiert mit 30.000 Euro, ging an die Universität Karlsruhe. Das Team rund um Prof. Dr. Marliese Uhrig-Homburg, bestehend aus Jasmin Berdel, Daniel Müller und Florian Stegmüller untersuchte - ausgehend von der so genannten Subprime-Krise - die Schwächen gängiger Verfahren zur Risikobewertung bei der Verbriefung von Kreditportfolien. Die Gruppe erarbeitete konkrete Vorschläge, wie derartige Risiken besser ermittelt und transparenter dargestellt und - vor allem - wie sie eingegrenzt werden können. Zu diesem Zweck soll ein Anteil des Risikos beim Originator der Verbriefung verbleiben.

Über den 3. Preis und 10.000 Euro konnten sich Joel Brückel, Johannes Burkhardt, Felix Hildebrandt, Andreas Rapp und Jan Tilly von der Zeppelin University in Friedrichshafen freuen. Sie verglichen gemeinsam mit ihrem Dozenten Prof. Dr. Marcel Tyrell die staatlichen Rettungspakete der USA, Großbritanniens und Deutschlands im Jahr 2008 und wagten eine vorläufige Bewertung auf wissenschaftlicher Grundlage: Die Eigenkapitalspritzen der britischen und der US-Regierung verhinderten das Risiko von Bankenausfällen wirksamer als das deutsche Bürgschafts-Modell. Die USA konnten mit ihren Eingriffen in die Unternehmensführung der Banken die Aktienkurse positiver beeinflussen als Großbritannien, das auch die vollständige Verstaatlichung von Banken praktiziert hat.


[Bildquelle: iStockPhoto]

Kommentare zu diesem Beitrag

Redaktion RiskNET /20.07.2009 21:26
Der hessische Ministerpräsident Roland Koch plädiert für die Konzentration der deutschen Finanzaufsicht in Frankfurt sowie die Ansiedlung des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken (ESRB) bei der Europäischen Zentralbank (EZB). Bei der Reform der Aufsicht und Regulierung müsste eine stärkere Ausrichtung auf die Systemstabilität gewährleistet und die wesentlichen Risikopotenziale erfasst werden. "Die angemessene Beaufsichtigung und Regulierung aller systemrelevanten Marktteilnehmer muss sichergestellt werden", so Koch im Rahmen einer Podiumsdiskussion über die Rolle des Finanzplatzes Frankfurt. Außerdem forderte der Ministerpräsident die Kreditwirtschaft zur entschiedenen Verstärkung der Kreditvergabe und den Finanzplatz Frankfurt zu einer gemeinsamen Positionierung für ein nachhaltiges, wirtschaftlich stabiles Geschäft der Finanzindustrie auf. Die herausragende Neuerung in der zukünftigen Finanzmarktregulierung kann die Makroökonomische Supervision werden. Damit dies geschehe, müsse es zu einem Entschluss kommen, nationale Kompetenzen auf eine gemeinsam betriebene, supranationale Institution zu übertragen, meint Prof. Dr. Jan Pieter Krahnen, Direktor des Center for Financial Studies (CFS) an der Goethe-Universität Frankfurt. Dazu gehöre auch die Weiterleitung bisher ausschließlich national gehüteter Daten, wie etwa die einzelnen finanziellen Beziehungen zwischen großen Finanzinstitutionen. Krahnen zeigte sich allerdings skeptisch, ob der gegenwärtige internationale Konsens groß genug sei, auch nur diese Hürde zu überspringen. Ein klares Bekenntnis der wichtigsten Akteure in Deutschland – Banken, Aufsicht, Regierung und auch Landesregierung - zu dieser Datenöffnung wäre ein wichtiges Zeichen.

Optimierungsbedarf gibt es auch beim Risikomanagement der Banken. Trotz der in den letzten Jahren geänderten Vorschriften zur Kapitalunterlegung habe die aktuelle Entwicklung Schwächen aufgezeigt, so Wolfgang Hartmann, Mitglied des Präsidiums von Frankfurt Main Finance und Vorsitzender des Vorstandes des Trägervereins des Instituts für Risikomanagement und Regulierung und bis Mai 2009 im Vorstand der Commerzbank verantwortlich für das Risikomanagement. Für bestimmte Marktrisiken sei die Kapitalunterlegung immer noch zu niedrig; das habe die Fehlentwicklung begünstigt. Die größten Verluste der Banken seien an der Schnittstelle zwischen Markt- und Kreditrisiko entstanden. Dies gelte es in der Zukunft durch ein besseres Verständnis der Kreditmärkte in einem verzahnten Modell von Adressenausfall- und Marktrisiko zu verhindern. Kreditrisiken müssen zukünftig noch stärker sowohl aus der Marktrisikoperspektive gesehen werden als auch beim Halten bis zur Fälligkeit als Adressenausfallrisiko. Durch die schwierige Situation in der Realwirtschaft kommen auf die Banken zunehmende Herausforderungen bei der Begleitung von Restrukturierungen zu.
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