Viel Gerede, aber keine Belege für die Existenz?

Qualitative Risikoaggregation und das Loch-Ness-Phänomen


Qualitative Risikoaggregation und das Loch-Ness-Phänomen: Viel Gerede, aber keine Belege für die Existenz? Kolumne

Das Kompetenzportal RiskNET sucht weiter nach qualitativen Verfahren für Risikoaggregation und Risikotragfähigkeit, die geeignet sind die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen (§91 AktG, §1 StaRUG). Weder aus Praxis noch aus Veröffentlichungen sind bisher solche bekannt. Bisher gibt es auch keine (Stand: 21.09.2021; 08:15 Uhr) bei RiskNET eingereichten Vorschläge (und damit Kandidaten für den ausgeschriebenen Preis). 

Zum Hintergrund: Im überarbeiteten IDW Prüfungsstandard 340 (von 2020), den Abschlussprüfer für die Prüfung des Risikofrüherkennungssystems nutzen, werden solche "qualitativen Verfahren" (als Möglichkeit genannt. Sachgerecht für die Identifikation möglicher "bestandsgefährdender Entwicklungen" aus Kombinationseffekten von Einzelrisiken erscheint dagegen eine stochastische Simulation (Monte-Carlo-Simulation) mit Bezug auf die Unternehmensplanung, die speziell auch das Risikodeckungspotenzial zeigt. Auch in einer wissenschaftlichen Stellungnahme zur Überarbeitung des IDW PS 340 wurde auf die Bedeutung der Monte-Carlo-Simulation hingewiesen (siehe Angermüller et al, 2020). 

Studien zeigen jedoch, dass Abschlussprüfer offenbar tatsächlich "Früherkennung bestandsgefährdender Entwicklungen (§ 91 AktG und § 1 StaRUG)" für die Risikoaggregation und Beurteilung der Risikotragfähigkeit akzeptieren, die leicht belegbar nicht geeignet sind, "bestandsgefährdende Entwicklungen" zu erkennen Da über derartigen Verfahren tatsächlich öffentlich nirgendwo etwas zu lesen ist, bleibt die Hypothese: Geeignete qualitative Verfahren existieren gar nicht!

Damit wäre es äußerst problematisch, wenn bei der Abschlussprüfung leicht nachvollziehbar ungeeignete Risikoaggregationsverfahren akzeptiert würden. Daher unterstütze ich den Aufruf von RiskNET: Wer der Meinung ist, ein geeignetes qualitatives Verfahren für die Risikoaggregation und die Beurteilung der Risikotragfähigkeit zu kennen, sollte dies doch bitte auch einmal benennen und vorstellen.

Meine Hypothese: Eine sinnvolle Alternative zu einer Szenario-Simulation (Monte-Carlo-Simulation) mit Bezug auf die Unternehmensplanung existiert schlicht nicht. Aber ich lerne gerne dazu. 

Autor:

Prof. Dr. Werner Gleißner
, Vorstand der FutureValue Group AG und Honorarprofessor für Betriebswirtschaftslehre, insb. Risikomanagement, an der TU Dresden. Er ist Autor zahlreicher Fachartikel und -bücher. Weitere Informationen

 

Weiterführende Literaturhinweise:

 

[ Bildquelle Titelbild: Adobe Stock.com / Irina ]
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