Wer im Anschluss an das erste Corona-Krisenjahr auf eine Verschnaufpause gehofft hatte, wurde bitter enttäuscht. Die Auswirkungen des Klimawandels und die Nachwirkungen der Pandemie sind nur ein Teil einer ganzen Reihe neuer Bedrohungen. Mit Flickschusterei können Unternehmen die komplexen Probleme der Zukunft nicht lösen. Wer nur reagiert, hat bereits verloren. Der Ausweg aus diesem Dilemma: Predictive Restructuring, also die vorausschauende Anpassung von Unternehmensprozessen und -strukturen.
Disruptive Schocks und externe Ereignisse prasseln heutzutage so schnell auf Unternehmen ein, dass ihnen keine Zeit mehr bleibt, um sich situativ neu aufzustellen. Das "Fahren auf Sicht" taugt nur für die Kurzstrecke, langfristig brauchen Unternehmen ein nebeldurchdringendes Radar: Predictive Restructuring. Mit diesem integrierten Ansatz sichern Unternehmen erstens bestehende Erfolge in einem zunehmend dynamischen Umfeld ab, und bewältigen zweitens den Wandel hin zu zukunftsfähigen Geschäftsmodellen und -strukturen. Krisen und Herausforderungen können dadurch methodisch deutlich besser angegangen werden.
Jedes zweite Unternehmen verfolgt bereits einen solchen Ansatz, so ein Ergebnis der Staufen-Studie "Restrukturierung 2021". Dass es sich lohnt, diesen vorausschauenden Weg einzuschlagen, bestätigen die Aussagen der befragten 200 Eigentümer und Top-Manager sowie die Tatsache, dass in dieser Form aufgestellte Unternehmen die Verwerfungen der Corona-Pandemie sehr gut abwehren konnten. Weitere Herausforderungen, die von vielen der Befragten zum Teil sogar gleichzeitig zu meistern waren, reichten von der Digitalisierung über die Unternehmens- und Führungskultur bis hin zu Kosten- und Finanzierungsfragen.
Klassische Systeme der Früherkennung überwiegen noch
Bei der Beurteilung der Zukunftsfähigkeit greifen die Unternehmen vor allem auf klassische Systeme und Kennzahlen für die Krisen-Früherkennung zurück. In der Studie wurden Risikomanagement-Systeme, Finanz-Kennzahlen und Hinweise der Führungskräfte als wichtigste Maßnahmen genannt, um Schieflagen in Unternehmen frühzeitig zu erkennen. Gerade in diesem Bereich empfehlen sich jedoch auch modernere Management-Tools, um neue Impulse und bessere Möglichkeiten der Krisen-Prävention zu erhalten. Dazu gehören zum Beispiel Trendradars oder datengetriebene Ansätze wie Data Analytics. Diese versetzen Unternehmen in die Lage, Prognosemodelle zu erstellen, an denen die Geschäftsstrategie ausgerichtet werden kann.
In den Unternehmen selbst sind die Wogen der stürmischen Pandemiezeit schnell geglättet worden, der Blick richtet sich wieder in die Zukunft. Und damit werden auch die wichtigsten Handlungsfelder neu abgesteckt: eine Weiterentwicklung der Digitalisierung, agile Prozesse und flexible Strukturen sowie eine auf hohe Dynamik ausgerichtete Führungskultur.
Es sind umfangreiche Projekte, die auch den Kern eines Unternehmens betreffen und somit viele Ressourcen binden. Aber dass sich eine vorausschauende und auf mögliche Krisen vorbereitete Unternehmensausrichtung lohnt, hat sich in der Pandemie erneut eindrucksvoll bewiesen.
Abb. 02: Top-Themen der deutschen Wirtschaft
Aber was passiert, wenn Änderungspotenzial identifiziert wird? Stehen wichtige, strategische Entscheidungen an, werden vornehmlich das Management und die Eigentümer eingebunden. Auch den Banken und Mitarbeitern bzw. Gewerkschaften wird ein gewichtiges Mitspracherecht eingeräumt. Weitere Stakeholder von außen, also Kunden, Netzwerkpartner oder Lieferanten, werden jedoch noch nicht ausreichend involviert. Dabei könnten die Unternehmen von einem engen Austausch profitieren und sich besser auf aktuelle und vor allem künftige Marktentwicklungen einstellen.
Denn manchmal bedarf es erst der Sicht von außen, um die vorhandenen Potenziale aufzudecken. So können in vielen Unternehmen die Reserven in den Prozessen gut und gerne um 20 Prozent reduziert werden, ohne den Geschäftsbetrieb auch nur annährend zu gefährden. Dies zeigte sich im vergangenen Jahr exemplarisch. Viele haben in der Corona-Krise gelernt, Kerngeschäftsprozesse mit minimalen Ressourcen in Betrieb zu halten.
Die Lehren aus dieser Zeit gilt es nun mitzunehmen und nachhaltig zu verankern. Die modernen Prognosetool aus dem Baukasten des Predictive Restructuring helfen dabei, einerseits die internen Prozesse fit zu machen, und andererseits mittels dieser Analysen für einen wichtigen Informationsfluss nach innen zu sorgen.
Der Wandel ist machbar
Was Personaler von Bewerbern verlangen, nämlich Flexibilität, Anpassbarkeit und Agilität, haben die Unternehmen selbst zum großen Teil schon verinnerlicht. Beim Thema Wandlungsfähigkeit sieht sich ein Großteil der Firmen gut aufgestellt, wobei der Handel hier deutlich hinter der Industrie und dem Dienstleistungssektor zurückfällt. Große Unterschiede gibt es auch im Management: Während in der Industrie besonders viele Führungskräfte mit Krisen-Erfahrung arbeiten, sind die anderen Branchen in der Bewältigung schwieriger Situationen unerfahrener.
Eine positive Erkenntnis aus unserer Restrukturierungs-Studie zeigt, dass jedes vierte Unternehmen die Krise schon hinter sich gelassen hat und bei einer Mehrzahl der Befragten eine insgesamt positive Haltung überwiegt. Dies ist auch das Resultat einer flexiblen Strategie. Dennoch: In näherer Zukunft stehen noch etliche Herausforderungen an. Ganz oben auf der Prioritäten-Liste bleibt die Digitalisierung, die schon in den vergangenen drei Jahren das Top-Thema war. Die befragten Führungskräfte sehen weiterhin aber auch flexible Strukturen und agile Prozesse, die Weiterentwicklung der Führungsleistung und die Verbesserung der Unternehmenskultur als wichtige Themen, die sie künftig noch intensiver angehen müssen.
Für die Studie "Restrukturierung 2021" befragte die Unternehmensberatung Staufen insgesamt 200 Führungskräfte auf Top-Level-Ebene in Deutschland (Gesellschafter, Vorstände und Geschäftsführer). Die Unternehmen der befragten Inhaber und Manager stammen rund zur Hälfte aus der Industrie, 18 Prozent sind dem Handel und 31 Prozent dem Dienstleistungsbereich zuzuordnen. Für die Studie wurden ausschließlich Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mindestens 20 Millionen Euro betrachtet, knapp ein Drittel der in der Studie berücksichtigten Unternehmen verzeichnet im Jahr einen Umsatz von mehr als 100 Millionen Euro.
Studie zum Download
Autor
Andreas Sticher, Dipl. Ing (Maschinenbau) und Dipl. Wirt. Ing., beschäftigt sich seit mehr als 20 Jahren mit der Restrukturierung von Unternehmen. Seit 2012 ist der Consultant bei der Unternehmensberatung Staufen AG. Dort leitet er als Partner das Team Turnaround / Profit Improvement.