Ratingagenturen haben Risiken der strukturierten Kreditprodukte unterschätzt


Die Europäische Kommission hat zwei Konsultationspapiere zum Umgang mit Ratingagenturen veröffentlicht. Das erste Dokument betrifft die Bedingungen für die Zulassung, die Tätigkeit und die Überwachung von Kreditratingagenturen. Im zweiten Dokument werden strategische Lösungen vorgeschlagen, um dem (nach Ansicht der EU-Kommission) übermäßigen Vertrauen in die Urteile der Ratingagenturen entgegen zu wirken.

Binnenmarkt-Kommissar McCreevy erklärte zu den Vorschlägen: „Im letzten Jahr habe ich viele Beratergremien der Kommission konsultiert und die Entwicklungen in der Branche und in anderen Ländern aus nächster Nähe verfolgt. Daher bin ich – wie andere in Europa auch – zu der Überzeugung gelangt, dass dieser Bereich auf EU-Ebene reguliert werden muss.“
Nach Ansicht von McCreevy müssten die Ratingagenturen strenge regulatorische Anforderungen einhalten, um sicherzustellen, dass die Ratings nicht durch die der Branche innewohnenden Interessenkonflikte beeinträchtigt werden. Seiner Meinung nach habe die Krise gezeigt, dass die Selbstregulierung nicht funktioniert. Zudem bemerkte der EU-Kommissar: „Ich bin überzeugt davon, dass das übermäßige Vertrauen in die Ratings in den EU-Vorschriften Banken und andere Finanzinstitute davon abgehalten hat, eine eigene eingehende Prüfung der Bücher durchzuführen. Im Hinblick auf ihre Risikobewertungsprozesse sollten sie nicht durch die Rechtsvorschriften dazu ermutigt werden, sich lediglich auf Ratings zu verlassen.“ McCreevy will der Kommission seine Regulierungs-Vorschläge im Herbst unterbreiten und fordert hierzu alle interessierten Kreise zu Stellungnahmen auf.

EU sieht Ratingagenturen als Mitschuldige

Nach Ansicht der EU-Kommission ist allgemein anerkannt, dass die Ratingagenturen die Risiken der strukturierten Kreditprodukte unterschätzt und in ihren Ratings die Verschlechterung der Marktbedingungen nicht frühzeitig genug widergespiegelt haben. Somit käme ihnen für die derzeitige Kreditmarktkrise eine große Verantwortung zu.

Die aktuelle Krise habe zudem gezeigt, dass der vorhandene Rahmen für die Ratingagenturen in der EU (der sich im Wesentlichen auf den IOSCO-Verhaltenskodex für Kreditratingagenturen stützt) erheblich verschärft werden muss. Auch der ECOFIN-Rat hat unlängst die Regulierungsabsicht in diesem Bereich sehr begrüßt.

Die nun veröffentlichten Dokumente zielen auf die Gewährleistung höchstmöglicher Berufsstandards für Ratingtätigkeiten ab. Sie greifen jedoch nicht in die Ratingmethoden oder -beschlüsse ein, die nach wie vor in die alleinige Zuständigkeit und Verantwortung der Ratingagenturen fallen. Überdies tragen die geplanten Vorschläge den vorhandenen Standards und den Entwicklungen auf internationaler Ebene Rechnung. In den USA bestehen bereits seit Mitte der 70er Jahre Vorschriften für Ratingagenturen, die nun ebenfalls geändert werden sollen.

Agenturen sollen Basisanforderungen erfüllen

Im Konsultationspapier wird eine Reihe von Vorschriften vorgeschlagen, mit denen grundlegende Anforderungen für die Ratingagenturen eingeführt werden, die diese im Hinblick auf ihre Zulassung und die Ausübung ihrer Ratingtätigkeit in der EU einhalten müssen. Mit dem Kommissionsvorschlag soll vor allem gewährleistet werden, dass Ratings verlässliche und korrekte Informationen für die Anleger liefern. So müssen die Ratingagenturen Interessenkonflikte angehen, über solide Ratingmethoden verfügen und die Transparenz ihrer Ratingtätigkeiten steigern.

Darüber hinaus werden im Konsultationsdokument zwei Möglichkeiten für eine effiziente EU-Kontrolle der Ratingagenturen vorgeschlagen: Die erste Option sieht eine verstärkte Koordinierungsrolle des „Committee of European Securities Regulators“ (CESR) sowie eine enge Zusammenarbeit zwischen den nationalen Regulierungsbehörden vor. Die zweite Option würde die Einrichtung einer Europäischen Agentur (entweder der CESR oder einer neue Agentur) für die EU-weite Registrierung von Ratingagenturen und die Kontrolle ihrer Tätigkeiten durch die nationalen Regulierungsbehörden kombinieren.

Konsultationsprozess soll zügig abgeschlossen werden

Zu den Vorschlägen der EU-Kommission können interessierte Kreise bis zum 5. September 2008 Stellung nehmen. Diese relativ kurze Konsultationsfrist ist durch die Notwendigkeit begründet, im Herbst einen Vorschlag vorzulegen, so dass sich Rat und Parlament noch vor den nächsten Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni 2009 einigen können.

Weitere Informationen zu dem Konsultationsprozess stehen auf der Website der EU-Kommission (ec.europa.eu) unter der Rubrik „Binnenmarkt > Wertpapiere & Investment > Rating-Agenturen“ zur Verfügung.


Risk Academy

Die Intensiv-Seminare der RiskAcademy® konzentrieren sich auf Methoden und Instrumente für evolutionäre und revolutionäre Wege im Risikomanagement.

Seminare ansehen
Newsletter

Der Newsletter RiskNEWS informiert über Entwicklungen im Risikomanagement, aktuelle Buchveröffentlichungen sowie Kongresse und Veranstaltungen.

jetzt anmelden
Lösungsanbieter

Sie suchen eine Softwarelösung oder einen Dienstleister rund um die Themen Risikomanagement, GRC, IKS oder ISMS?

Partner finden
Ihre Daten werden selbstverständlich vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Weitere Informationen finden Sie in unseren Datenschutzbestimmungen.